Interview mit Manfred Coppik
Interview mit Manfred Coppik
(Rechtsanwalt und Notar, Mitglied des Landesvorstands der LINKEN in Hessen):
Manfred, nach Auffassung der LINKEN ist nicht nur die Schuldenbremse verfassungswidrig. Das Verfahren, das die Befürworter-Fraktionen CDU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingeleitet haben, um im Vorfeld der Volksabstimmung darüber zu informieren, widerspricht Eurer Auffassung nach der Rechtssprechung.
Wir müssen zu dem Schluss kommen, dass die Verfahrensweise geltendem Recht widerspricht. Allen Stimmberechtigten soll mit der Wahlbenachrichtigung durch die Gemeindeverwaltungen eine Erläuterung zugeschickt werden. Mit dieser wird aber völlig einseitig die angebliche Notwendigkeit der „Schuldenbremse“ begründet und um Zustimmung geworben. Gestützt wird dieser Beschluss auf § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Volksabstimmungen, der zwar die Möglichkeit einer informatorischen Erläuterung des Gesetzes enthält. Eine einseitige Werbung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten ist dort jedoch nicht vorgesehen.
Widerspricht diese Vorgehensweise nicht auch dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes?
Ja. Gemäß Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird vom Volke unmittelbar in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt.
Hieraus ergibt sich unmissverständlich und nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung der Grundsatz, dass die politische Willensbildung vom Volk zum Staat und nicht umgekehrt erfolgt (Demokratieprinzip). Das heißt, die Wählerinnen und Wähler müssen ihre Entscheidung frei treffen können und dürfen nicht von Staatsorganen wie dem Landeswahlleiter, der diese einseitige Information ausgibt, beeinflusst werden. CDU, SPD, FDP und Grünen müssen sich dem freien Meinungskampf stellen und können ihn nicht durch staatliche Meinungsmanipulation bei der Volksabstimmung ersetzen.
Will DIE LINKE gegen das Verfahren rechtlich vorgehen, etwa durch die Anrufung des Staatsgerichtshofs?
Das müssen wir noch abschließend entscheiden und dabei Folgendes bedenken. Der Hessische Staatsgerichtshof ist ein unabhängiges Gericht, aber die Wahl seiner Mitglieder erfolgt – anders als etwa beim Bundesverfassungsgericht - im Proporzverfahren nach den Listen der Landtagsfraktionen. Das hat zur Folge, dass zur Zeit nur Richter entscheiden, die von den Fraktionen benannt werden, deren Vorgehen wir angreifen. DIE LINKE ist nicht vertreten. Es ist daher nicht ganz weltfremd, wenn eine gewisse Besorgnis der Befangenheit aufkommt.
Manfred Coppik, Rechtsanwalt und Notar, Mitglied des Landesvorstands der LINKEN in Hessen