140x190 willi van ooyenWilli van Ooyen

schied im Frühjahr 2017 aus dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
 
   
 

 
  


Reden

Rede zur Regierungserklärung zum Thema Kommunaler Schutzschirm

Rede von Willi van Ooyen am 17. Mai 2016 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Meine Damen und Herren!

Herr Finanzminister Dr. Schäfer, seit einigen Wochen sind sie nun schon sehr darum bemüht, die vermeintlichen Erfolge der Hessischen Landesregierung auf dem Feld der Kommunalfinanzen darzustellen. Und wenn man sich die Powerpoint Präsentationen und Pressemitteilungen ihres Hauses dazu ansieht, könnte man fast glauben, dass nun alles gut wird.

Tatsächlich habe ich auch keine Zweifel daran, dass die Zahlen zu den Haushalten der Schutzschirmkommunen, die sie uns vorgestellt haben, richtig sind. Ich glaube ihnen, dass es vielen Kommunen gelungen ist, ihre Haushalte wieder besser aufzustellen. Die Frage ist nur, woran das liegt. Und da werden sie stets sehr einsilbig.

Bisher haben sie auch auf Nachfrage der Presse nicht konkret und systematisch zeigen können, wie die Schutzschirmkommunen ihre Haushalte denn konsolidieren konnten. Immer da, wo es politisch schwierig wird, da wird die Landesregierung nämlich ziemlich leise, es könnte ja der Eindruck entstehen: die Kommunen gleichen ihre Defizite notgedrungen auf dem Rücken der Menschen aus, die sich höhere Abgaben eigentlich nicht leisten können.

Wenigstens für die Steuern der Städte und Gemeinden haben wir uns aber einmal anhand der öffentlichen Statistik versucht einen Überblick zu verschaffen, was in den hessischen Kommunen eigentlich in den letzten Jahren passiert ist.

Meine Vermutung war eigentlich, dass die Schutzschirmkommunen ihre Steuern viel stärker angehoben haben als die restlichen Kommunen. Das kann man aber nun gerade nicht beobachten. Vielmehr ergibt sich ein Bild, dass sehr viele Kommunen, unabhängig davon, ob sie unter dem Schutzschirm sind oder nicht, die Realsteuerhebesätze anheben.

Anders ausgedrückt, der Schutzschirm kann nicht der entscheidende Grund dafür sein, dass die Kommunen ihre Steuersätze anheben. Und so gern ich heute den kommunalen Schutzschirm für die Steuererhöhungen in den Kommunen verantwortlich machen würde, daran allein lag es nicht.

Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Kommunen landauf landab an der Steuerschraube drehen mussten, weil die Landesregierung die Zuweisungen für die Kommunen zu gering bemessen hat. Das trifft aber offensichtlich nicht nur die Schutzschirmkommunen, sondern alle – und wenn man sich ansieht, wen das trifft, dann sieht man was für ein Skandal das ist!

Denn während wir bei der Debatte um die Einführung des Schutzschirms noch befürchtet haben, dass dort die Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken der kleinen Leute stattfinden würde, müssen wir mittlerweile feststellen, dass dies bereits flächendeckend passiert!

Denn es ist vor allem die Grundsteuer B, die von den Kommunen angehoben wurde – sie stieg seit 2013 in den Städten und Gemeinden um Durchschnittlich 80 Punkte, während es bei der Gewerbesteuer nur etwa 20 Punkte waren. Mit anderen Worten – diese Landesregierung hat es mit ihrer kommunalfeindlichen Politik zu verantworten, das Wohnen für Rentnerinnen und Rentner, für Studierende und Familien teurer geworden ist. Diese Landesregierung ist es, die dafür verantwortlich ist, dass in den Kommunen die kleinen Leute die Folgen der Finanzkrise ausbaden müssen.

Denn genau darum geht es letztlich. Die hessischen Kommunen sind vor allem nach 2008 in finanzielle Nöte geraten, weil ihnen als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise die Steuereinnahmen wegbrachen. Dazu kam noch die Landesregierung, die selbst den KFA verfassungswidrig gekürzt hatte, um eigene Einnahmeausfälle zu kompensieren.

Und wenn die Kommunen jetzt zu Grundsteuererhöhungen greifen, dann doch vor allem deshalb, weil sie vom Land nicht mehr Geld zu erwarten haben. Das ist die Folge einer Politik in der Banken gerettet werden und die kleinen Leute drauf zahlen müssen – das ist die Folge der Politik schwarz-gelber, schwarz-grüner und schwarz-roter Politik. Wir – als LINKE -lehnen diese Krisenpolitik auf dem Rücken der Mehrheit der Menschen ab!

Neben den gestiegenen Hebesätzen würde ich aber gern einmal von der Landesregierung erfahren, welche Maßnahmen sonst noch in den Schutzschirmkommunen ergriffen wurden. Dazu aber gibt es wie immer nur allgemeines – oder anders gesagt über die sozialen Grausamkeiten, die sie den Kommunalpolitikern aufgedrängt haben, reden sie lieber nicht.

Wo wurden denn etwa Friedhofsgebühren erhöht? Wo werden jetzt Kosten für die Dorfgemeinschaftshäuser stärker auf die Vereine abgewälzt? Wo wurden wie viele Stellen gestrichen? Wo kosten Wasser und Müllentsorgung mehr? Und wie weit wurden Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt? Öffnungszeiten von Ämtern oder Bibliotheken verkürzt oder diese Einrichtungen ganz geschlossen?

Dazu kein Wort, keine Zahlen, nichts Konkretes – als ob sie davon nichts wüssten. Dabei wissen sie es; dabei ist Ihnen all das bewusst, nur sie schweigen darüber, weil sie den Menschen die Wahrheit nicht sagen wollen, wie unsozial die Politik dieser Landesregierung ist!

Und wenn wir heute eine Zwischenbilanz des Kommunalen Schutzschirms ziehen sollen, dann müssten wir genau das alles endlich auch einmal erfahren. Dazu schweigt die Landesregierung. Denn es passt nicht ins rosige Bild eines erfolgreichen schwarz-grünen Projekts, wenn wir uns darüber unterhalten würden, in welchem Ausmaß dieses schwarz-grünes Projekt den wirtschaftlich und sozial benachteiligten Menschen zusätzliche Benachteiligungen aufbürdet, wovon die Bestsituierten zusätzlich profitieren, indem sie verschont bleiben.

Wer sich aber diesen Fragen verweigert, der verweigert sich der Realität!

Und diese Realität sieht so aus, dass es vielen Kommunen nach wie vor am nötigsten fehlt, um die öffentlichen Aufgaben zu erfüllen.

Nur ein Beispiel: während die schwarz-grüne Koalition sich darüber freut, dass der Schutzschirm „zu mehr Generationengerechtigkeit“ führe, kann tatsächlich von Generationengerechtigkeit keine Rede sein.

Laut DLRG sind in den vergangenen Jahren in Hessen 46 Bäder geschlossen worden und 62 weitere von einer Schließung bedroht. Die Zahl der schwimmfähigen Grundschulabgänger geht zurück, warnt die DLRG und fordert Städte und Gemeinden auf, finanzpolitisch umzudenken.

Das ist die Generationengerechtigkeit, die wir vor Ort erleben: weil angeblich das Geld fehlt, lernen unsere Kinder und Enkel nicht mehr richtig schwimmen. Böse Zungen behaupten da schon: Hessens Kommunen saufen ab, während die Landesregierung sich für ihre angeblichen Erfolge beim Schutzschirm feiert.

Wir fordern hier endlich ein Ende der kommunalfeindlichen Politik der Landesregierung. Dafür brauchen die Kommunen selbstverständlich mehr Mittel, aber selbstverständlich muss dieses Geld auch von den Leuten kommen, die sich höhere Steuern auch leisten können.

Die zukünftigen und aktuellen Aufgaben der Kommunen können jedenfalls nicht durch immer weiter steigende Grundsteuern finanziert werden, die letztlich vor allem die treffen, die es sich überhaupt nicht leisten können.

Zu tun gibt es nämlich einiges – sie selbst haben das ja mit dem Kommunalen Investitionsprogramm wenigstens schon ansatzweise eingesehen.

Wenngleich sich auch hier die Landesregierung weigert überhaupt darüber zu reden, wie hoch der tatsächliche Bedarf ist. Das, Herr Dr. Schäfer, ist ihre Methode, immer ein bisschen was tun, aber nie darüber reden, was das konkret bedeutet.

Gerade bei den Investitionen wäre es langsam an der Zeit sich mal damit zu befassen, wie viel hier überhaupt zu tun ist. Das wären natürlich Misstöne, weil es dann klar würde, dass von einem Dreiklang aus KFA-Reform, Kommunalem Schutzschirm und Kommunalem Investitionsprogramm keine Rede sein kann.

Aber es ist nun einmal so, dass man bei der finanziellen Ausstattung der Kommunen in Hessen eher von einer Kakophonie, denn von einem harmonischen Dreiklang reden muss.

  • Zum ersten reichen die Mittel aus dem KFA für die Kommunen nicht aus,
  • zum zweiten ist der Kommunale Schutzschirm alles andere als großzügig, weil er die Kürzung des KFA durch die Landesregierung nur teilweise wieder ausgleicht und
  • zum dritten ist das Kommunale Investitionsprogramm vor allem notwendig, weil die Kommunen schon für laufende Aufgaben überhaupt nicht genügend Geld haben.
Vom Umfang dieses viel zu kleinen Programms haben wir dabei noch überhaupt nicht geredet.

Tatsächlich türmt sich bei den Kommunen ein riesiger Investitionsbedarf, der auch durch dieses Kommunale Investitionsprogramm eben nicht gedeckt wird. Es wird noch nicht einmal der bestehende Investitionsstau aufgelöst. Seit 1994 hat sich die Investitionsquote bei den Kommunen halbiert. Da ist es doch klar, dass Brücken marode, Schulgebäude und Schwimmbäder stark sanierungsbedürftig sind.

Dass man jetzt mit dem Kommunalen Investitionsprogramm überhaupt etwas getan hat, ist ja ein Anfang.

Wir fordern aber dauerhaft höhere Einnahmen für die Kommunen und dauerhaft mehr Mittel, um ihre Infrastruktur zu erhalten und für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen.

Dafür brauchen die Kommunen aber eben auch dauerhaft mehr Mittel aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Allein darauf zu verweisen, dass die Kommunen so viel Geld bekommen, wie noch nie, reicht eben nicht.

Denn bisher hatten die Kommunen auch noch nie so große Bedarfe. Immer mehr Aufgaben müssen sie übernehmen – und jene immer neuen Aufgaben können sie nur eher schlecht als recht erledigen.

Dafür bräuchte man natürlich auch eine Landesregierung, die überhaupt bereit ist darüber zu reden, wo für die Länder mehr Geld aus Steuern herkommen könnte. Dafür ist im schwarz-grünen Projekt dieser Landesregierung kein Platz.

Wir haben Sie, Herr Minister Schäfer,  verstanden – Sie wollen Reiche und Konzerne nicht stärker zur Kasse bitten.

Und so ist das, was wir hier in Hessen als schwarz-grünes Projekt erleben, die Blaupause für den Bund. Der Ministerpräsident hat das ja schon deutlich gemacht, dass Sie sich schwarz-grün auch in Berlin vorstellen können.

Wir stellen uns aber gegen dieses Projekt! Wir wollen endlich mehr Gerechtigkeit, wir wollen eine Umverteilung von Oben nach unten und wir wollen eben auch Kommunen, die nicht dazu genötigt werden, die kleinen Leute, die Einkommensschwachen über die Grundsteuer zur Kasse zu bitten, um dann auch noch die öffentlichen Leistungen einzuschränken. 

Doch genau das erleben wir gerade in Hessen, genau das ist schwarz-grüne Politik!