Reden

Interkommunale Zusammenarbeit: nur auf freiwilliger Basis und ohne finanziellen Druck

Hermann Schaus, Rede zum Setzpunkt der FDP betreffend interkommunale Zusammenarbeit stärken, freiwillige Zusammenlegung von Landkreisen ermöglichen, DS 19/174

Herr Präsident,

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Interkommunale Zusammenarbeit nimmt in Zeiten leerer kommunaler Kassen einen immer größeren Stellenwert ein und wird von einigen als Alternative im Umgang mit der Finanznot angesehen.

Gerade für kleine und strukturschwache Gemeinden kann eine solche Zusammenarbeit mit anderen benachbarten Kommunen ein wichtiger Beitrag sein, um Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit zu erhalten.

Eine solche Zusammenarbeit darf allerdings nicht als bloßes Instrument von Rationalisierung und Einsparung angesehen werden, denn grundsätzlich erreicht man dann eben keine Verbesserung der öffentlichen Leistungen.

Im Gegenteil: Sähe man die interkommunale Zusammenarbeit ausschließlich unter den Gesichtspunkten von Einsparmöglichkeiten, werden die Wege der Menschen vor Ort zu den Einrichtungen ihrer Gemeinden immer länger und umständlicher. Positive Effekte für die Menschen vor Ort würden dann ausbleiben.

Sinnvolle interkommunale Zusammenarbeit hingegen sollte sich  u. E. vor allem dadurch auszeichnen, dass Kommunen in die Lage versetzt werden durch diese Zusammenarbeit mit anderen Kommunen die Synergieeffekte dann auch durch bessere Leitungen und erhöhten Service der Bevölkerung zugutekommen zu lassen. So kann kommunale Zusammenarbeit absolut sinnvoll sein, aber davon sind wir leider weit entfernt!

In welchen Arbeitsfeldern kommunal zusammengearbeitet wird ist deshalb genauestens zu diskutieren, am besten frühzeitig mit den Bürgerinnen und Bürgern in den betroffenen Gemeinden. So kann ich mir die gemeinsame Unterhaltung eines kostenintensiven Fuhrparks in den Bau- und Betriebshöfen gut vorstellen. Das ist sicher ebenso sinnvoll wie die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung der kommunalen Müllentsorgung. Warum soll man denn die Gewinne, die in diesem Bereich gemacht werden können, den Bürgern nicht zugutekommen lassen.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen eine interkommunale Zusammenarbeit sehr schwierig ist. Dies ist dann der Fall, wenn Kommunen miteinander im Wettbewerb stehen, wie z. B. bei der Gewerbeansiedlung.

Diese Konkurrenz um die Gewerbesteuereinnahmen könnte jedoch mit einer wie von uns vorgeschlagenen Reform der Gewerbesteuer, hin zu einer Gemeindewirtschaftssteuer, viel zur Entschärfung beigetragen. Dadurch könnte ein weiteres Hindernis der interkommunalen Zusammenarbeit beseitigt werden. Hier ist allerdings der Bundesgesetzgeber gefordert.

Wir sind durchaus der Meinung, dass es richtig ist, eine solche Debatte zur interkommunalen Zusammenarbeit, wie sie von der FDP nun angestoßen wurde, intensiv auf allen politischen Ebenen zu führen. Wie gesagt: Wenn sie unter den  Gesichtspunkten einer Qualitätsverbesserung und nicht bloß von Einsparungsmöglichkeit geführt wird.

Kritischer, aber dennoch diskussionswürdig sehen wir hingegen die Zusammenlegung von Kreisen und Gemeinden.

Auch wenn im Antrag von „freiwilligen“ Zusammenlegungen die Rede ist, muss man doch ehrlicherweise feststellen, dass solche Zusammenlegungen letztendlich nicht ganz freiwillig, und damit meine ich frei von Sachzwängen durchgeführt werden. Der große Finanzdruck der auf alle Landkreise Hessens lastet ist ein solcher Sachzwang.

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich die Landkreise an jeden Strohhalm klammern, der die Sicherstellung  ihrer Aufgaben scheinbar langfristig ermöglicht. Es ist natürlich schon etwas merkwürdig,  wenn die FDP sich einerseits aktiv in der letzten Legislaturperiode daran beteiligte, erst den Kommunalen Finanzausgleich um jährlich 350 Mio. Euro zu kürzen – wie sagte noch der legendäre FDP Abgeordnete Noll in diesem Zusammenhang: Das Geheimnis des Sparens ist der Verzicht!  Und Sie jetzt so tun, als ob man den Landkreisen durch „freiwillige“ Zusammenlegungen einen Gefallen tun würde.

Alle Überlegungen zur Zusammenlegung, sei es auf der Ebene von Gemeinden oder Kreisen entstehen letztendlich durch die katastrophale finanzielle Lage der Kommunen, in die CDU und FDP diese hineinmanövriert haben.

Trotzdem enthält Ihr Antrag auch bei der Zusammenlegung von Kommunen durchaus vernünftige Ansätze.

Wir begrüßen es, dass im vorliegenden Antrag das Letztendscheidungsrecht der Menschen vor Ort angesprochen wird.

Was nämlich passiert, wenn zwei Kommunen gegen den Willen und den Protest der Bevölkerung zwangsweise zusammengeschlossen werden, lehrt uns der gescheiterte Versuch Wetzlar, Gießen und weiterer 17 Gemeinden zur Stadt „Lahn“ in den 1970er Jahren.

Die letzte Entscheidung über den Zusammenschluss muss immer von den Menschen der betroffenen Kommunen selbst gefällt werden. Insofern ist das Vorgehen in der neu geplanten Stadt „Oberzent“ im Odenwald zu begrüßen, wenn dort parallel zur Kommunalwahl 2016 ein Bürgerentscheid zum Zusammenschluss der vier Gemeinden, wie sie im Antragstext in Ziffer 2 aufgeführt sind angestrebt wird.

Ebenfalls richtig ist der Hinweis in Ziffer 5 des Antrages, dass eine Zusammenlegung niemals negative Folgen für die Bürgerfreundlichkeit öffentlicher Verwaltungen haben darf.

Hier lehren uns jedoch die Erfahrungen, wie zuletzt bei den Gerichtsschließungen zur Einhaltung der Schuldenbremse, dass Zentralisierung von öffentlichen Leistungen eben genau dazu nicht führt. Im Gegenteil. Die Erreichbarkeit wird extrem eingeschränkt.

Sie weisen in Ihrem Antrag auf eine Anbindung an den ÖPNV hin. Meinen Sie etwa den ÖPNV, der über Jahre hinweg aus Einspargründen nach und nach reduziert wurde?  Wir haben in Hessen Landkreise, in denen die Menschen nur noch in zweistündigen Reisen mit dem ÖPNV die Kreisstadt erreichen können.

Auch E-Government wird das Problem nicht lösen. Zugegeben kann E-Government für Internet-affine Menschen ein gutes Mittel sein um auf schnellem Wege Behörden-angelegenheiten zu klären.

Aber allen voran älteren Menschen hilft dies noch nicht weiter. Zumal, auch das wird oft vergessen: Nicht jede Behördenangelegenheit sich mal eben vom heimischen PC aus erledigen lässt.

Meine Damen und Herren. Ich glaube es ist sinnvoll, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Zusammenlegung von Kreisen in der Hessischen Landkreisordnung abgesehen hat. Es ist schon etwas anderes, ob sich Nachbargemeinden auf freiwilliger Basis zusammenschließen können, oder ob ganze Landkreise zu einem großen Landkreis verschmelzen.

Wenn dieses Thema nun aufgegriffen werden soll, dann nur auf freiwilliger Basis und ohne finanziellen Druck auszuüben;

Oder – auch beliebt-  ohne finanzielle Anreize vorzusehen.