Menschen sind nicht behindert und sie haben auch keine Behinderung, sondern sie werden behindert. Erst durch die Wechselwirkung von Barrieren und individueller Beeinträchtigung kann man von Behinderung sprechen. Selbstbestimmt zu leben bedeutet, nicht durch umweltbedingte Barrieren an einer selbstbestimmten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehindert zu werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland unterschrieben hat, erfordert einen Abbau dieser Barrieren. Die Gesellschaft hat sich den Menschen anzupassen – nicht umgekehrt!
Eine barrierefreie Umwelt erleichtert das Leben für alle Menschen. Fahrstühle zu den Gleisen sind hilfreich für jeden Menschen mit Gepäck, mit Fahrrad und Kinderwagen, für alte Menschen wie auch für Menschen mit Behinderung. Leichte Sprache in Formularen ermöglicht Menschen mit geringen Schriftkenntnissen, Älteren oder auch Menschen mit Lernbehinderung besser, ihre Rechte zu verstehen und selbstbestimmt soziale Leistungen einzufordern und gesellschaftliche Teilhabe zu erleben.
In Hessen nimmt der Landeswohlfahrtsverband (LWV) eine wichtige Rolle in der Inklusion und der Teilhabe von Behinderten ein. Wir wollen den LWV und seine Strukturen erhalten und sprechen uns für eine solidarische Finanzierung von Land, kreisfreien Städten und Landkreisen aus.
DIE LINKE will:
- Beteiligung und gleiche Rechte durchsetzen
„Nichts über uns ohne uns“ heißt eine Forderung der selbstbestimmten Behindertenbewegung. DIE LINKE will gemeinsam mit den Menschen mit Beeinträchtigungen und ihren Verbänden die Grundlagen dafür schaffen und verbessern. Wir fordern die vorbehaltlose Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Hessen auf Landes- und kommunaler Ebene. Gesetze und Verordnungen müssen auf ihre Übereinstimmung mit der UN-Behindertenrechtskonvention überprüft werden. Ein verbindlicher Aktionsplan für Hessen ohne Kostenvorbehalt, mit überprüfbaren Zielen und Fristen und ausreichendem Personal muss erarbeitet und verwirklicht werden. Solche Aktionspläne braucht es auch in den Städten und Gemeinden. Wir fordern öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, um auf allen Ebenen das Verständnis für Menschen mit Beeinträchtigungen zu erhöhen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu unterstützen. Die Stellung des Landesbehindertenbeauftragten, des Landesbehindertenbeirates und der Behindertenvertretungen in den kommunalen Parlamenten wollen wir durch eine entsprechende Änderung der Gemeinde- und Kreisordnung stärken. Das Wahlrecht muss für alle gelten, auch für Menschen unter vollständiger Betreuung.
- Mobilität garantieren
Unsere Lebensumgebung ist zu einem großen Teil menschengemacht: Straßen, Wohnhäuser, Fabriken, öffentliche Einrichtungen. Überall entscheiden scheinbar banale Details wie die Höhe der Bordsteine und die Konstruktionsweise von Türen über die Bewegungsfreiheit und Teilhabemöglichkeit vieler Menschen. Wir wollen, dass die Bedürfnisse aller Menschen beim Bauen berücksichtigt werden. Die Gestaltung öffentlicher Räume muss in jeder Hinsicht die Bedürfnisse von Menschen mit Inklusionsbedarf berücksichtigen, zum Beispiel auch Ruhe- und Rückzugsräume. Zusätzlich wollen wir Orientierungshilfen wie z.B. Blindenleitsysteme bereitstellen, hierzu muss in jedem Planungsschritt auf die Kompetenzen von betroffenen Verbänden zurückgegriffen werden. Die Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs wollen wir bis 2022 barrierefrei umbauen.
- Barrieren bei Arbeit und Bildung abbauen
Die Trennung von Menschen mit und ohne Behinderung im Bildungssystem muss ein Ende haben. Dazu müssen Kitas und Schulen passend ausgestattet werden. Auch im Arbeitsleben sollen Menschen mit Beeinträchtigungen als vollwertig anerkannt und entsprechend entlohnt werden. Um die gesellschaftliche Aufgabe der Inklusion zu bewältigen, benötigen wir zudem mehr Menschen mit bestimmten inklusionsbezogenen Kompetenzen. Für die Verwirklichung des Rechts auf Inklusion in Kitas und Schulen muss der Finanzierungsvorbehalt aufgehoben und die notwendigen Mittel und Stellen bereitgestellt werden. Teilhabeleistungen sollen einkommens- und vermögensunabhängig sein. Das betrifft etwa ein anrechnungsfreies Teilhabegeld. Den Zugang zu einem Hochschulstudium wollen wir fördern und finanziell absichern. Nachteilsausgleiche besonders an höheren Lehrstätten müssen erweitert werden. Das Budget für Arbeit wollen wir als Instrument für die reguläre Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt nutzen. Schrittweise wollen wir eine tarifliche Entlohnung für Werkstattbeschäftigte, zunächst auf Außenarbeitsplätzen, einführen. Öffentliche Aufträge sollen bevorzugt an Betriebe mit einem hohen Schwerbehindertenanteil, an Integrationsunternehmen und Betriebe mit Integrationsabteilungen vergeben werden. Dafür wollen wir das Vergabegesetz ändern.
- Für Gebärdensprachdolmetschen soll ein Studiengang an den Hochschulen in Hessen angeboten werden. Zusätzlich soll sich das Land Hessen für die Schaffung einer Berufsausbildung im Bereich Gebärdensprachdolmetschen und für die Schaffung einer Ausbildung „Übersetzer*in leichte Sprache“ und „Prüfer*in leichte Sprache“ einsetzen. Das Land soll sich für die politische Forderung des Deutschen Blinden– und Sehbehindertenverbandes DBSV nach Kostenübernahme starkmachen oder diese selbst übernehmen. Derzeit ist für Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Unfall ihre Sehfähigkeit einbüßen, keine Anschlussrehabilitation vorgesehen und dies muss sich schnell ändern.
- Gesundheitsversorgung und Betreuung verbessern
Der barrierefreie Zugang zum Gesundheitssystem ist von besonderer Bedeutung. Arztbesuche dürfen nicht an unzugänglichen beziehungsweise nicht barrierefreien Praxen scheitern. Daher wollen wir den barrierefreien Umbau festlegen und hierfür Fördermittel bereitstellen. Im eigenen Zuhause zu leben ist ein menschliches Grundbedürfnis. Das wollen wir mit einem Ausbau entsprechender Unterstützungsleistungen für alle Menschen ermöglichen. Wer in stationären Einrichtungen lebt, hat Anspruch auf Schutz gegen Willkür und Gewalt. Menschen mit Beeinträchtigungen sollen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie sollen nicht verpflichtet sein, in besonderen Wohnformen zu leben. Dafür wollen wir einkommens- und vermögensunabhängige persönliche Assistenz in jeder Lebenslage fördern und die erforderlichen Hilfsmittel bedarfsgerecht bereitstellen. Die Betroffenen sollen das Recht haben, ihre Pflegekräfte selbst zu wählen.
- Barrierefreier Zugang zu Information
Der Zugang zu Information und Kommunikation muss barrierefrei sein, damit die Inklusion gelingen kann. Wir wollen den Weg nicht nur ebnen, sondern auch durch Wegweiser übersichtlicher gestalten. Und wer hätte einen besseren Blick auf die Problemlagen als die Betroffenen selbst? Wir wollen Hilfsangebote, in denen Betroffene mitarbeiten, besonders fördern und ausbauen. Auch Verwaltungen müssen barrierefrei arbeiten – vom Formular bis zum Gebäude.