140x190 willi van ooyenWilli van Ooyen

schied im Frühjahr 2017 aus dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
 
   
 

 
  


Reden

Flughafen Kassel-Calden als Verkehrslandeplatz erhalten – Vergabeverstöße ahnden

Rede von Willi van Ooyen am 23. Juni 2016 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident, meine Damen und Herren!


Mit 280 Millionen Euro hätte man die Breitbandversorgung im ländlichen Raum verbessern können. Das Geld wären für den Ausbau des ÖPNV, die finanzielle Absicherung der Inklusion an den Schulen oder eine angemessene Finanzierung der Kommunen deutlich sinnvoller eingesetzt gewesen.

Das Land Hessen hat sich aber dazu entschieden, den Flughafen Kassel-Calden zu bauen. Einen Flughafen an dem in diesem Jahr bisher durchschnittlich täglich etwa 30 Flugzeuge – meist zweimotorige Propellermaschinen – starten und landen mit denen am Tag 102 Passagiere und 4,6 Tonnen Fracht bewegt wurden. So manche Bushaltestelle wird häufiger frequentiert.

Zum Vergleich: am Flughafen Paderborn, der auch als einer der vielen Flops unter den Regionalflughäfen gilt, flogen 2015 täglich etwa 2.100 Passagiere und selbst am Flughafen Erfurt-Weimar flogen 2015 täglich etwa 630 Passagiere – also immer noch sechsmal mehr als in Kassel-Calden.

Von Hannover, dass sich ebenfalls gut erreichbar aus der Region Kassel ist, will ich erst gar nicht reden – dort waren es 2015 täglich fast 15.000 Passagiere.

Das meine Damen und Herren ist kein Schlechtreden eines gelungenen Projektes, sondern das sind die nüchternen Zahlen einer gigantischen Fehlinvestition die CDU, SPD und FDP zu verantworten haben.

Wir haben hier im Hessischen Landtag schon häufiger über den Sinn und Zweck dieses Flughafens in Calden diskutiert und ich bin mir sicher, auch heute wird eine Mehrheit der Rednerinnen und Redner wieder die Geschichte erzählen, wie wichtig der Flughafen Kassel-Calden für die Region ist. Dabei wissen sie ganz genau: Dieses Millionengrab braucht die Region Kassel ganz sicher nicht.

Nach der offenkundigen Fehlplanung des Flughafens als Hessischer Leuchtturm, kommt jetzt auch noch die Projektabwicklung durch das Land und der Flughafen GmbH in Verruf. Der Bericht des Rechnungshofes macht deutlich, dass das Vergabeverfahren erhebliche Mängel aufweist und es an einer Kontrolle der Kosten mangelte.

Allein schon deshalb lohnt es sich genau hinzusehen und ich bin dem Rechnungshof sehr dankbar dafür, dass er dem Landtag einen entsprechenden Bericht vorgelegt hat.

Und, meine Damen und Herren, dieser Bericht hat es in sich. Der Rechnungshof stellt hier erhebliche Vergabevergehen fest. Die Landesregierung bestreitet das ja auch nicht einmal, sie bewerten nur die Schwere der Vergabeverstöße anders. Zum Teil sehen sie auch gar kein Problem – dabei wirken so einige Vorgänge die der Rechnungshof in seinem Bericht beschreibt im Moment mindestens dubios.

Wenn eine Bietergemeinschaft die Erdbauarbeiten für den Flughafenbau anbietet im Bieterverfahren ein Angebot erst von 38,8 Millionen Euro um stattliche 19 Prozent auf 31,2 Millionen Euro verbessert und aufgrund dieses Preises den Zuschlag bekommt, ist das schon erstaunlich.

Wenn diese Firma dann aber eine um 15 Millionen Euro höhere Schlussrechnung von 46 Millionen stellt, ist das mehr als eine Nachfrage wert.

Wirklich interessant wird die Geschichte aber mit der kleinen Anfrage der Grünen aus der letzten Legislaturperiode 18/7220. Daraus kann man entnehmen, dass bei der Bietergemeinschaft, die den Zuschlag erhalten hat, die Firma Bickhardt Bau AG beteiligt war.

Einem Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat bis zum 30.3.2009 der ehemalige FDP-Wirtschaftsminister Posch saß. Am Dienstag hat uns das Finanzministerium noch eine Liste über die Schlussrechnungen zukommen lassen – leider wollten sie uns diesmal nicht mitteilen, welche Firmen die Aufträge eigentlich erhalten haben.

Nichtsdestotrotz ist anhand dieser Liste nachvollziehbar, dass Bietergemeinschaften, an denen die Firma Bickhardt Bau AG beteiligt war, die großen Kostentreiber beim Bau des Flughafens war. Diese Firmen haben insgesamt Schlussrechnungen von deutlich über 120 Millionen Euro gestellt. Dabei lagen die tatsächlichen Kosten aber etwa 41 Millionen Euro über den ursprünglichen Angeboten.

Diese Firmen haben allein in drei Gewerken 41 Millionen Euro mehr berechnet als im eigentlichen Hauptauftrag veranschlagt!

Das alles kann natürlich Zufall sein, und es liegt mir absolut fern hier von Mauschelei oder gar Korruption zu sprechen.

Aber um dies auszuschließen, müssen die Vorgänge bei Planung, Ausschreibung und Bau von Kassel-Calden näher untersucht werden – wir werden uns hierzu ernsthaft Gedanken machen müssen, mit welchen Parlamentarischen Mitteln das geschehen kann.

Auch lohnenswert ist der Blick darauf, wie es eigentlich zu den Baukostenprognosen kam, auf deren Grundalge dann eine Baukostensumme im Landeshaushalt veranschlagt wurde. Nur um die Geschichte kurz anzureißen: im Jahr 2001 ging man noch von Baukosten in Höhe von etwa 90 Millionen Euro aus, 2004 waren es schon über 150 Millionen Euro – letztlich beschlossen wurden vom Landtag Baukosten in Höhe von 225 Millionen, doch auch damit war nicht genug.

Im Moment sprechen wir über Baukosten von insgesamt 280 Millionen Euro.

Es gab mehrere Gutachten, in die sich ein Blick lohnen würde, um herauszufinden, ob alle die Kosten von Anfang an so niedrig angesetzt haben. Für den Finanzminister scheint die Frage bereits geklärt: er behauptet beharrlich, dass sich am Ende alle Gutachter einig gewesen wären.

Der Rechnungshof signalisiert uns eher, dass die Unterschiede doch größer sind, als der Finanzminister es darstellt. Oder anders ausgedrückt, es stellt sich nach wie vor die Frage, ob die Landesregierung den Bau des Flughafens nur sehr sparsam im Landeshaushalt veranschlagt hat.

Es gibt also immer noch einige offene Fragen.

Worüber mittlerweile Klarheit besteht ist aber, dass die Behauptung, man habe beim Bau gezielt hessische Unternehmen fördern wollen, schlicht falsch ist. Dies zumindest hat uns der Finanzminister letzte Woche im Ausschuss sehr deutlich gemacht – offen ist nach wie vor aber, wer denn dann eigentlich gefördert werden sollte?

Um Nordhessen ging es dabei jedenfalls nicht, denn sowohl für die Gemeinde Calden als auch für die Stadt Kassel sind die Kosten für den Flughafen mittlerweile eine anhaltende Sorge.

Es gibt Ankündigung, die widerholen sich mit schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr. Dazu gehört, dass die Eintracht Frankfurt diese Saison sicher nicht absteigt, der RMV die Fahrpreise erhöht und der Linienflugbetrieb in Kassel-Calden in den Wintermonaten eingestellt wird.

Der Flughafen hält Winterschlaf aber die Kosten für Calden, Kassel und das Land laufen weiter. In keinem Jahr wurde auch nur die Hälfte der in der Planfeststellung unterstellten Fluggastzahlen erreicht. Unter diesen Bedingungen ist der Flughafen nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Bis 2020 wird ein Gesamtdefizit von wenigstens 80 Mio. Euro aufgelaufen sein.

Ich kann mich hier nur der Kollegin Karin Müller von den Grünen anschließen, die in einer Pressemitteilung am 19. Dezember 2012 erklärte:

„DIE GRÜNEN fordern Finanzminister Dr. Schäfer auf, nicht weiteres Steuergeld auf unendliche Zeit in den Flughafen zu stecken.

‚Bei Sparauflagen in den Kommunen, die unter den Schutzschirm gehen, und einer Schuldenbremse des Landes, kann es nicht angehen, dass hier unendlich viel Geld verbrannt wird. Die erheblichen Baukosten sind das eine, aber genauso müssen die Verluste in den Blick genommen werden und ehrlich kalkuliert werden.

Und dann muss auch klar sein, wenn jedes Jahr zig Millionen Euro Steuergeld in den Erhalt des Flugplatzes gepumpt werden müssen, das irgendwann mal auf die Bremse getreten werden muss. Das müssten selbst die größten Befürworter einsehen.‘“

Ich nehme an, dass die Grünen seit ihrer Regierungsbeteiligung das Bremspedal suchen – wir könnten ihnen behilflich sein.

Für ein positives Geschäftsergebnis müssten pro Jahr zwischen 1,8 bis 2,4 Millionen Passagiere den Flughafen benutzen. Aber selbst wenn es diese Passagiere gäbe, könnte diese Anzahl auf dem Flughafen gar nicht abgefertigt werden. Das haben wir an dieser Stelle bereits 2013 vorgetragen.

Das Terminal sowie Vorfeld des Flughafens sind nur für eine Kapazität von maximal 660.000 Passagieren pro Jahr ausgelegt. Zur Eindämmung der Betriebskosten schlagen wir deshalb, wie bereits 2013 und 2014 vor, den Flughafen Kassel-Calden wieder zu einem Verkehrslandeplatz ohne Grenzkontrollen zurückzustufen und für das Terminal eine neue Nutzung zu suchen.

Das der Flughafen dauerhaft zuschussbedürftig sein wird muss auch der damaligen CDU/FDP-Landesregierung aber auch die SPD in der Region klar gewesen sein, sie wollten ihn aber als ‚Leuchtturmprojekt' durchsetzen. Das ist, nach den Kostensteigerungen mit Ansage und der dubiosen Vergabe, der dritte Punkt, der einen Untersuchungsausschuss rechtfertigen würde. Darüber sollten wir uns verständigen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.