Reden

Rede erste Lesung des Nachtragshaushalt zum Doppelhaushalt 2019

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

mit dem Entwurf zum Nachtragshaushalt stellt sich Hessen weder den Herausforderungen unserer Zeit noch werden die Weichen für die Zukunft gestellt.

Überhaupt ist die Existenz eines Nachtragshaushalts 2019 weniger großen Linien als üblichen und pragmatischen Erwägungen zu verdanken.

Es gibt eine neue alte Landesregierung, einen Koalitionsvertrag und somit auch die Notwendigkeit, die Ressorts neu zu sortieren und den Doppelhaushalt an die tatsächliche Entwicklung anzupassen.

Und mit Blick auf die guten Rahmenbedingungen würde eine Haushaltsaufstellung im Moment jedem Finanzminister Freude bereiten.

Im Vergleich zu den Erwartungen bei Haushaltsaufstellungen sind die Steuereinnahmen nach der letzten Steuerschätzung für dieses Jahr deutlich höher anzusetzen.

Die Zinsen sind nach wie vor sehr niedrig und entlasten den Haushalt zusätzlich. Nimmt man noch dazu, dass der Finanzminister in den letzten Jahren immer damit rechnen konnte, dass die Mittel die im Haushalt veranschlagt sind bei weitem nicht vollständig ausgegeben werden, dann darf man für das Jahr 2019 mit einem erheblichen Überschuss rechnen, sofern nichts Unerwartetes passiert.

Der zu erwartende Haushaltsüberschuss ist also eher Folge dieser Rahmenbedingungen als der „harten Arbeit“ der Landesregierung geschuldet.

Mittelfristig könnte die Lage schon anders aussehen. Nach den aktuellen Daten der Steuerschätzung sieht es so aus, als ob erhebliche Risiken auf der Einnahmeseite vorhanden sind.

Es könnte sich schon bald rächen, dass die Regierungen in guten Jahren Steuerdumping zu Gunsten der großen Unternehmen und Superreichen betrieben haben.

Für den hessischen Nachtragshaushalt lassen sich einige wenige zentrale Punkte schon jetzt festhalten: Die Landesregierung nimmt sich im Nachtrag vor allem Maßnahmen vor die

Erstens unausweichlich; Zweitens bereits finanziert; oder drittens kostenneutral sind. Das ist wenig wegweisend. Also man merkt dem Nachtragshaushalt an, die alte Regierung ist auch die neue.

Es gibt eine Umressortierung hinsichtlich des Digitalministeriums. Wir sind mal gespannt, was da noch kommen mag. Bisher waren es vage Aussagen, viel Unkonkretes und heiße Luft. Ob mehr Stellen in der Staatskanzlei und in den Ministerien die richtige Priorisierung sind, bleibt mindestens fraglich.

Aber Sie schaffen auch in anderen Bereichen neue Stellen. Wir begrüßen es, dass Sie 250 Stellen für Lehramtsreferendare schaffen. Allerdings es ist erstaunlich, dass während halb Hessen seit geraumer Zeit über Lehrermangel diskutiert, Ihnen erst jetzt einfällt, dass wir zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer brauchen.

Grundsätzlich gehen auch die 150 Stellen für Anwärter für die Grundsteuerreform in die richtige Richtung. Allerdings stellen sich drei Fragen: Wieso fällt ihnen eigentlich erst jetzt ein, dass eine Grundsteuerreform auf uns zu kommt? Und wird das überhaupt zu stemmen sein mit den Ausbildungskapazitäten die wir in Hessen haben? Und reichen die Stellen, um die Reform zu bewältigen? Die Steuergewerkschaft bezweifelt das.

Dazu kommen noch 130 befristete Professoren-Stellen die entfristet werden – auch hier gilt das ist grundsätzlich positiv – nebenbei bemerkt: das kostet im Prinzip kein zusätzliches Geld. Allerdings ist es ja schön Professorenstellen zu entfristen, dem Befristungsunwesen an den Hochschulen sollte man aber endlich auch am anderen Ende der Einkommensskala, nämlich bei Hilfskräften und Mitarbeiterstellen zu Leibe rücken. Außerdem wären gerade in dem Bereich auch Tarifverträge endlich einmal wünschenswert. Auch wenn sie das nicht im Nachtragshaushalt unterbekommen – hier ist noch deutlich Luft für den Haushalt 2020 den wir noch dieses Jahr beraten werden.

Soweit einige Bemerkungen zu den Details des Nachtragshaushalts. Dieser liegt uns erst seit wenigen Tagen vor. Ein wenig Zeit werden wir noch haben, den Entwurf zu beraten und das eine oder andere Detail zu besprechen.

Und weil der Finanzminister kaum eine Gelegenheit auslässt, die nach der eigenen Wahrnehmung hart erarbeiteten Erfolge seiner Haushaltspolitik zu loben, gilt es noch einige grundsätzliche Anmerkungen zur Haushaltspolitik dieser Landesregierung zu machen.

Wir stehen in dieser Legislaturperiode vor enormen Herausforderungen. Die vorangegangen Regierungen haben es verschlafen die Weichen zu stellen für ein gerechteres, soziales und ökologisches Hessen. Sie haben es versäumt die notwendigen Investitionen auf den Weg zu bringen um genügend bezahlbare Wohnungen in den Ballungsräumen zu schaffen, sie haben wenig getan um die Energie- und die Verkehrswende endlich ernsthaft anzugehen und sie haben es versäumt genügend Lehrerstellen zu schaffen sowie die Schulgebäude auf einen Stand zu bringen, der vielerorts auch nur Mindestanforderungen erfüllt.

Gleichzeitig feiert sich aber der Hessische Finanzminister dafür, dass er mehrere Haushaltsjahre mit Überschüssen abschließen und Schulden tilgen konnte. Das hört sich schließlich auch gut an: „Schuldenabbau“. Allein, müssen sie sich immer wieder die Frage gefallen lassen wem es etwas bringt, wenn ein Finanzminister sich über eine Netto-Tilgung von 600 Mio. Schulden freut, gleichzeitig aber die Zukunft verspielt wird.

Diese 600 Mio. Euro fehlen. Nicht nur weil Schulen einsturzgefährdet sind und Unterricht ausfällt und auch nicht nur weil Menschen keine Wohnungen finden und der Verkehr immer mehr CO2 in die Atmosphäre bringt. Nicht nur, weil die Schere zwischen arm und reich auch in Hessen immer weiter auseinanderklafft. Sondern auch weil Sie jetzt die entscheidenden Jahre für die Erreichung der Pariser Klimaziele leichtfertig verspielen.

Nein, die schwarze Null und Schuldenbremse sind nicht generationengerecht, sondern sie gefährden die Zukunft kommender Generationen!

Und es ist einfach falsch, wenn der Finanzminister behauptet, dieser Nachtragshaushalt beinhalte einen fairen Interessenausgleich in Sachen Klimaschutz. Wenn Hessen in dieser Legislaturperiode nicht endlich damit beginnt den Klimawandel ernst zu nehmen, wenn nicht endlich erhebliche Schritte eingeleitet werden um hier vor Ort die Klimakatastrophe einzudämmen, dann nützt der Hinweis der FDP, dass der Schuldenabbau in dem Tempo wie sie ihn angehen erst in 200 Jahren abgeschlossen sein wird nichts – dann haben wir diese 200 Jahre als Menschheit auf diesem Planeten womöglich gar nicht mehr.

Ich sage das deshalb, weil die mittelfristige Finanzplanung zeigt wohin die Reise geht. In ihrem Koalitionsvertrag haben sie schließlich fast alle Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Angesichts der letzten Steuerschätzung schwant einem da böses, denn letztlich steht schon nicht viel drin im Koalitionsvertrag.

Von einer sozialen Wohnungsbauoffensive, von besseren Schulen einer echten Energie- und Verkehrswende sind wir aber in fünf Jahren noch viel weiter entfernt, wenn diese Regierung weiterhin dem Fetisch der schwarzen Null huldigt und die Schuldenbremse zum Maß aller Dinge verklärt. Und genau danach sieht es leider aus.

Schon jetzt sorgt der Finanzminister wieder dafür, dass seine Zahlen am Jahresende möglichst gut aussehen und fordert Sicherheitsabstände und besonders vorsichtige Planungen. Schon für dieses Jahr geht das Finanzministerium davon aus, dass die Steuereinnahmen um 100 Millionen niedriger ausfallen als prognostiziert – steckt aber zusätzliches Geld in die Versorgungsrücklage und damit an den Finanzmarkt.

In der mittelfristigen Finanzplanung engen Globalpositionen die insgesamt im Milliardenbereich liegen den Handlungsspielraum ein. Das kann man vorsichtig nennen. Aber einerseits sind diese Beträge viel zu klein um wirklich Spielraum für einen möglichen Konjunktureinbruch zu schaffen: allein im Jahr 2009 explodierte die Netto-Kreditaufnahme von unter einer Milliarde 2008 auf 2,7 Milliarden. Nichts und niemand kann für solche Entwicklungen vorsorgen. Andererseits aber verhindern sie, dass die Spielräume die wir jetzt haben auch nutzen.

Dazu kommt, dass Herr Dr. Schäfer regelmäßig zwar verkündet, dass der er im Haushaltsvollzug deutlich weniger Geld ausgegeben hat als geplant, aber auch sehr schmallippig wird wenn es darum geht zu erklären warum die Investitionen dauerhaft auf extrem niedrigem Niveau bleiben. Die schwarze Null ist diesem Finanzminister ganz offensichtlich wichtiger als die Zukunft dieses Landes zu gestalten.

Meine Damen und Herren von der Koalition so verspielen sie die Zukunft dieses Landes. Statt schwarzer Null und Schuldenbremse ist eine Politik nötig, die in die öffentliche Infrastruktur investiert, die Armut und Mietenwahnsinn bekämpft und sich dem Klimawandel entgegenstellt.

Und wenn Sie weiterhin behaupten, dass alles wäre nicht finanzierbar und wir hätten in Hessen nicht genug Geld in der Kasse, dann bin ich auch gern so wie Sie es gewohnt sind bereit, Ihnen im Rahmen der weiteren Beratungen zu erläutern, wie wir mit einer gerechteren Steuerpolitik die Unternehmen und Vermögenden endlich wieder angemessener an der Finanzierung gesellschaftliche Aufgaben beteiligen.