Reden

Rede zum Bericht des Landesschuldenausschusses: Zinswetten verursachen mehrere hundert Millionen Euro Schaden

Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 12. September 2018

– Es gilt das gesprochene Wort –


Meine Damen und Herren!

Frau Präsidentin!/Herr Präsident!

In den letzten Jahren hat der Hessische Landtag den Landesschuldenbericht ohne Debatte zur Kenntnis genommen. Der Bericht zählte wohl mehr zum Pflichtprogramm als zu einem Gegenstand großer Kontroversen. Ich bin der Meinung. Das muss sich ändern.

Im Lichte der medialen Berichterstattung und neuer Aspekte, die öffentlich geworden sind, ist es höchste Zeit, dass bei diesem Thema für mehr Transparenz gesorgt wird. Leider ist das bisher nicht passiert.

In Pressekonferenzen und auch im letzten Haushaltsausschuss hat der Finanzminister sich viel Mühe gegeben um den Eindruck zu erwecken, dass mit der Schuldenverwaltung alles in bester Ordnung sei. Das Bild, dass Sie versuchen zu erzeugen, sieht wie folgt aus: Es könnte sein, dass ein paar Geschäfte im Jahr 2011 vielleicht nicht so gut gelaufen wären, aber eigentlich sei noch nicht klar, ob dabei überhaupt ein Schaden entstanden ist.

Der Hessische Finanzminister, immer um ein gutes Bild bemüht – wir denken an die eierlegende Wollmilchsau -, hat nun das Bild der Zinsversicherung entdeckt. Sie behaupten, das Land Hessen hätte unter Ihrer Verantwortung 2011, entschieden die historisch niedrigen Zinsen für Jahre zu sichern. Dafür hätten Sie eine Art Versicherung abgeschlossen.

Mit Verlaub das ist schlicht falsch. Die Forward-Payer-Swaps die Sie abgeschlossen haben sind keine Versicherungen. Sie haben schlicht das Risiko steigender Zinsen gegen das Risiko sinkender Zinsen getauscht. Das ist ungefähr so, weil sie auch das Bild des Häuslebauers bemüht haben, als hätten Sie mit ihrem Nachbarn eine Wette abgeschlossen: Er zahlt ihren Schaden, wenn es bei Ihnen brennt, Sie zahlen im Gegenzug seinen, wenn er einen Sturmschaden hat. Ich hoffe für Sie Herr Dr. Schäfer, dass Sie sich als Hausbesitzer nicht auf ein solches Geschäft eingelassen hätten.

Für uns bleibt es dabei: Diese Zinsderivate sind keine Versicherung, sondern eine Wette.

Ihr zweites Argument mit dem Sie versuchen die Öffentlichkeit zu - nun bleiben wir mal parlamentarisch – „überzeugen“ ist, dass niemand in die Zukunft schauen könne und sie sich schließlich nur an das gehalten haben, was alle geglaubt haben. Nämlich, dass die Zinsen historisch niedrig seien. Offensichtlich haben die Berichte des Rechnungshofes im Finanzministerium aber nicht immer die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient gehabt hätten. Im 60. Landesschuldenbericht gibt es einen Ausblick auf den Bericht für das Jahr 2011:

„Die letzten Jahre erreichten immer ein ‚historisch niedriges Zinsniveau‘. Somit bleibt auch ein Forward–Payer–Swap bei einem zum Abschlusszeitpunkt günstigen Zinsniveau spekulativ – tatsächlich sind die Zinsen in den letzten Jahren tendenziell weiter gesunken.“

Der Rechnungshof hat also schon mit dem Bericht vom 12. Februar 2012 die Geschäfte, die Sie heute noch als Versicherung bezeichnen, als „spekulativ“ bezeichnet. Auf die Möglichkeit weiter sinkender Zinsen wurde hingegen explizit hingewiesen.

Noch deutlicher ist der Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg in seinem Jahresbericht 2016, er schreibt:

„Wie schon im Vorjahr weist der Rechnungshof darauf hin, dass sich durch Derivategeschäfte nur Geld sparen lässt, wenn man dauerhaft ‚schlauer ist als der (Finanz-)Markt‘. Der Rechnungshof geht davon aus, dass dies weder gelingen kann noch eine ‚Wette‘ darauf sinnvoll ist.“

Kurz gesagt, Derivatgeschäfte sind Wetten und keine Versicherungen, Geld lässt sich damit langfristig überhaupt nicht sparen. Ganz im Gegenteil, man muss davon ausgehen, dass das Land hier viel Geld verlieren kann.

Und hier sind wir beim dritten Punkt Ihrer Argumentation, dem wirtschaftlichen Ergebnis. Im Landesschuldenausschuss, im Haushaltsausschuss und auch auf ihren Pressekonferenzen zeigen sie immer wieder eine Grafik anhand der sie behaupten, dass der Einsatz von Derivaten beim Schuldenmanagement sich für das Land Hessen in der Vergangenheit gerechnet hätte. Wie sie auf diese Zahlen kommen, welche Zinssätze hier galten und welche Zinssätze als Vergleich angenommen wurden, weisen sie aber schlicht nicht aus. Für mich ist das ganz einfach nicht nachvollziehbar. Transparenz jedenfalls sieht anders aus.

Was ich aber sehr gut nachvollziehbar finde, ist die Beispielrechnung des Landesrechnungshofes aus dem 63. Bericht des Landesschuldenausschusses. Demnach hat eine Reihe von sogenannten Forwardgeschäften über Kredite im Volumen von einer Milliarde Euro Mehrkosten von 375 Millionen Euro verursacht. Diese Rechnung ist, soweit ich das sehe unstrittig, hier geht es nur um Details.

Die entscheidende Frage ist doch, der Rechnungshof behauptet das mittlerweile, ob dieser Verlust über die Laufzeit des Geschäfts kompensiert werden kann. Ob diese Zahl also nur eine Momentaufnahme ist.

Das Problem ist, es geht hier um ein Geschäft mit Festzinsen. Bei einem Forward gehen sie einen Vertrag mit einer Bank ein, der ihnen einen Zinssatz in der Zukunft garantiert. Die Wette war hier also nicht die, dass feste Zinsen günstiger seien als variable. Die Wette war vielmehr, dass feste Zinsen in 2013 höher sein würden als 2011. Mit anderen Worten – 2013 hätten sie für 40 Jahre niedrigere Zinsen bekommen. Der Schaden von 375 Millionen ist eingetreten.

Aber damit nicht genug. Ich sagte ja bereits, das ist lediglich ein Beispiel. Von diesen Geschäften hat die Hessische Landesregierung unter diesem Finanzminister noch viel mehr gemacht. Und dabei haben sie nicht nur auf die Zinsentwicklung in ein zwei Jahren spekuliert. Nein. Die Geschäfte aus dem Jahr 2011 werden erst nächstes Jahr anlaufen. Und damit sind wir noch gut dran, denn ursprünglich wollten sie auf die Zinsen bis 2021 spekulieren. Wohlgemerkt bei Laufzeiten von 40 Jahren!

Da Sie Herr Dr. Schäfer, uns die Zahlen über die 2011 abgeschlossenen Forwards nicht im Einzelnen zur Verfügung stellen, haben wir noch einmal in den alten Schuldenberichten nachgesehen. Dort findet sich im Bericht von 2011 auf Seite 64 eine repräsentative Auswahl der Forwardgeschäfte mit entsprechenden Zinssätzen. Wenn wir diese Zinssätze mit denen vergleichen, die jeweils etwa zum Zeitpunkt des Anlaufens der Kredite verfügbar gewesen wären, dann kämen wir auf Schäden von weiteren etwa 400 Millionen. Damit sind wir dann bei etwa 700 Millionen Euro. Wenn man das auf die gesamte sogenannte Sicherungsstrategie hochrechnet, dann ist man nicht mehr bei 375 Millionen, sondern bei hunderten Millionen, vielleicht sogar deutlich im Milliardenbereich.

Deswegen fordere ich Sie, Herr Finanzminister Schäfer erneut auf, legen Sie diese Geschäfte offen. Wenn Sie unsere Zahlen nicht glauben, dann sollte das doch kein Problem sein.

Der Finanzminister hat gewettet und zum Teil schon bereits beim Start verloren!

Möglicherweise sind durch diese Geschäfte sogar Milliarden in den Sand gesetzt worden!

Statt Steuergelder für Schulen, Lehrerstellen und bezahlbaren Wohnungen auszugeben, wurde hier Geld für Derivate verpulvert.

Mit diesen Geschäften muss Schluss sein. Es gilt volle Transparenz über den bereits jetzt entstandenen Schaden herzustellen. Für die dringend notwendige Aufklärung sollte der Landtag alle Mittel, die er zur Verfügung hat, in Erwägung ziehen. DIE LINKE wird das tun. In dieser und der nächsten Legislaturperiode.