140x190 Gabi Faulhaber WebsiteGabi Faulhaber

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren parlamentarischen Einsatz.


 
  
 


Reden

DIE LINKE-Antrag: Überlastung und Lehrkräftemangel an hessischen Schulen

Rede von Gabi Faulhaber am 28.Februar 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Sie von der CDU behaupten immer, Sie seien Wirtschaftsexperten. Aber was würden Sie sagen, wenn man in einem Unternehmen nicht wüsste, wie viele Beschäftige dort befristet oder unbefristet angestellt sind?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau!)

Wie würden Sie die Arbeit des Managements bewerten, wenn Sie nicht benennen könnten, wer mit welchen Qualifikationen im Betrieb beschäftigt ist, wie viele ungelernte Arbeitskräfte und wie viele Quereinsteiger dort arbeiten? Würden Sie sich schützend vor einen Arbeitgeber stellen, der so unorganisiert ist, dass er weder die Fehlzeiten der Belegschaft noch die Krankheitstage benennen kann? – Meine Damen und Herren von der CDU, ich bin mir sicher, dies würden Sie ziemlich befremdlich finden. Genau eine solche konfuse Unstrukturiertheit dulden Sie aber im Kultusministerium. In seinen Antworten auf die Anfragen der SPD behauptete der Kultusminister tatsächlich, alle diese Informationen nicht zu haben – keine Krankheitstage, keine ausfallenden Arbeitszeiten, keinen Überblick über die Qualifikation der Beschäftigten und deren Anstellungsverhältnisse.

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Kultusminister wird in seiner Planlosigkeit von Ihnen kritiklos getragen und geschützt, oder – das scheint mir wahrscheinlicher – der Opposition werden diese Informationen nicht unbedingt mitgeteilt. Oder haben Sie eine andere Erklärung dafür, warum ausgerechnet ein CDU-geführtes Kultusministerium nicht über die Basics eines Arbeitgebers verfügen sollte? Natürlich weiß auch der Kultusminister, dass es haufenweise Brandbriefe und Überlastungsanzeigen gibt. Er hat sie auch zugeschickt bekommen. Aber leider wird weiterhin nach dem gleichen Schema vorgegangen, das schon Schwarz-Gelb in der letzten Legislaturperiode praktiziert hat, nämlich schönzureden, was nicht schön ist, und vor allem möglichst lange die Augen zu verschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben in ihrem Antrag niedergeschrieben, was wir schon seit Jahren anprangern: Der Hessische Kultusminister fühlt sich anscheinend für seine annähernd 60.000 Lehrkräfte nicht wirklich verantwortlich. Herr Lorz, wenn Sie sich verantwortlich fühlen würden, wüssten Sie, wie viel Unterricht ausfällt und wie der Krankenstand ist. Die Schätzungen der GEW hierzu sind seit Jahren alarmierend. Hier wurde auch schon mehrmals über die niedersächsische Studie zur Lehrkräftebelastung gesprochen. Damals wurde deutlich, dass die wenigsten Lehrerinnen und Lehrer glauben, ihr Rentenalter ohne ernsthafte berufsbedingte Erkrankungen zu erreichen.

Bei jedem Arbeitgeber, der auch nur ein klein wenig verantwortungsbewusst ist, müssten jetzt die Alarmglocken läuten. Diese Verantwortungslosigkeit gegenüber seinem Personal kennt man eigentlich nur von ausbeuterischen und profitorientierten Arbeitgebern. Wirtschaftsbetriebe, die gut ausgebildete Arbeitskräfte beschäftigen und auf Nachhaltigkeit und hohe Qualität setzen, würden ein Qualifizierungsprogramm starten, und ein gesundes Betriebsklima würde auf der Tagesordnung stehen, statt auf gesundheitlichen Verschleiß zu fahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Verantwortungsbewusste Betriebe wissen, dass die wertvollste Produktivkraft die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Nicht so das Kultusministerium; dort wird sogar geleugnet, dass eine große Zahl von Überlastungsanzeigen eingegangen ist. Leider betrifft die Überlastung nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch die Schulleitungen. Diese arbeiten weitaus mehr als offiziell vorgesehen; denn der Laden muss laufen. Diese fühlen sich verantwortlich; diese wollen pädagogisch arbeiten, aber dann müssen sie sich auch noch mit Verwaltung, Budgetierung und der Kontrollitis der Kultusverwaltung beschäftigen. Aber auch davon wollen Sie nichts wissen. Das haben Sie eindrucksvoll durch Ihre Weigerung bewiesen, eine Anhörung zur Belastung an den Schulen durchzuführen.

Jetzt sage ich Ihnen noch eines. Von der CDU kennen wir dieses Verhalten schon; aber dass sich die GRÜNEN so an die Leine nehmen lassen und nicht einmal bereit sind, die Leute anzuhören, für die sie durch ihre Regierungsbeteiligung auch verantwortlich sind, ist schon ein starkes Stück. Warum behalten Sie diese unerträglichen Lobeshymnen weiter bei? Warum beschäftigen Sie sich nicht einmal wissenschaftlich mit den angezeigten Belastungen?

Zweitens. Meine Damen und Herren, einen Bildungsbericht, den die SPD vorschlägt, finde auch ich sehr sinnvoll. Das unterstütze ich; denn auch das gehört zu den Basics eines Arbeitgebers. Herr Wagner, Sie reden immer von Konzepten. Jetzt habe ich mir einmal das Strategiepapier der GRÜNEN zur Bildungspolitik angeschaut. Dort wird deutlich, wer in dieser Koalition die Zügel in der Hand hält. Dort liest man von Zweifeln am mehrgliedrigen Schulsystem, von dem Wunsch nach wirklich flächendeckendem Ganztagsschulausbau, nach Abschaffung von Ziffernoten und das Bekenntnis – ich zitiere –: „Mit uns wird es weder CDU- noch SPD-Zwangsbeglückungen geben.“ Die GRÜNEN sind vor fünf Jahren in die Regierungsverantwortung gegangen; und von den im Strategiepapier hinterlegten „neuen“ Ideen haben sie bislang keine einzige auch nur thematisiert. Das brauchen sie auch
nicht, denn sie wissen ganz genau, dass keine dieser Ideen mit der CDU jemals umgesetzt werden könnte. Und neu sind die Ideen nicht. Das ausufernde und sozial ungerechte Schulsystem prangern Expertinnen und Experten seit Jahren an. Selbst die Bertelsmann Stiftung fordert einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz – Schulplatz, nicht Betreuungsplatz, wohlgemerkt.

(Beifall bei der LINKEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, das ist ein Unterschied!)

Die Abschaffung der Ziffernoten ist schon lange ein pädagogisch sinnvoller Gedankengang, und an den staatlichen Modellschulen, für die die Landesregierung sich so gern selbst lobt, wird das längstens gemacht. Also, liebe GRÜNE: Nichts davon ist neu, und nichts davon werden Sie mit der CDU jemals durchsetzen. Zwangsbeglückt werden aber all diejenigen, die darauf hoffen, dass auch in die hessische Bildungspolitik einmal ein Hauch moderner Pädagogik einzieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich nur noch einmal an Sie appellieren: Nehmen Sie die Sorgen, die Überlastungen, die Gesundheit Ihrer Beschäftigten endlich einmal ernst. Hören Sie die Schulen zur Belastung an. Erheben Sie überhaupt erst einmal den Bedarf an Personal. Erstellen Sie eine Bedarfsanalyse. Beenden Sie vor allem Ihre Schönrederei. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, die für Änderungen notwendig wäre.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Das ist wahre Selbstreflexion! Was ist mit Selbstkritik?)