140x190 Gabi Faulhaber WebsiteGabi Faulhaber

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren parlamentarischen Einsatz.


 
  
 


Reden

SPD-Anfrage: Belastungen und Befristungen in der Arbeitswelt Schule

Rede von Gabi Faulhaber am 24.November 2017 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!


Herr May, was heißt: Versprechungen? Welche Versprechungen? Das ist eine Große Anfrage, und auf die Fragen, die gestellt worden sind, wurde geantwortet. Es sind drängende Anliegen der Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen, und da ist noch lange nichts versprochen. Da wird der Finger auf die Wunde gelegt, und das ist wahrscheinlich auch eine ganz wichtige Angelegenheit; denn Ihre Jubelbotschaften kommen außerhalb dieses Hauses gar nicht an. Die kommen doch nur bei euch an.

Ich war auf mehreren Podien in der letzten Zeit, wo zu den Problemen, die in den Schulen bestehen, diskutiert wurde. Wissen Sie, wie die Leute auf die Ausführungen von GRÜNEN und CDU reagiert haben?

Die haben gelacht; denn weinen konnten sie nicht.

(Kopfschütteln des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Ich habe es doch gesehen. Während Sie gesprochen haben, haben die gelacht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! Sie haben zu Ihren Ausführungen gesagt, dass das inhaltsleerer Kram war!)

Man kann nicht weinen, weil man in der Öffentlichkeit halt nicht weint.

(Armin Schwarz (CDU): Ihre Rede treibt einem die Tränen in die Augen!)

Diese Anfrage betrifft einen sehr wichtigen Aspekt: die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte an unseren Schulen, und die sind keineswegs so ideal, wie sie hier vom Herrn Kultusminister oder von der CDU und den GRÜNEN immer dargestellt werden. Das zeigt sich auch ganz genau in den Antworten zu dieser Großen Anfrage.

Jetzt werden Sie sagen, das sei kein rein hessisches Problem, wir Hessen seien Vorreiter, und was Sie da immer sagen. Es ist eigentlich immer dasselbe. Aber wir in Hessen müssen uns um unsere hessischen Lehrerinnen und Lehrer kümmern, und der Hessische Kultusminister hat für die hessischen Lehrkräfte eine Fürsorgepflicht, und die sollte er langsam einmal wahrnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

Ich finde, man sollte wenigstens wissen, wie hoch die Arbeitsbelastungen an den Schulen sind. Es gibt in Hessen noch nicht einmal eine Bestandsaufnahme der Belastungen der Lehrkräfte und schon gar keine Erfassung des Bedarfs, der sich aus den Anforderungen ergibt, die Sie mit Ganztag und Inklusion und der steigenden Arbeitsbelastung in der Verwaltung und der Budgetverwaltung, und was sonst noch alles, auf die Schulen abgewälzt haben. Die GEW Niedersachsen hatte eine umfangreiche Studie zu den Belastungen an den öffentlichen Schulen in Auftrag gegeben.

Man kann zwar die Zahlen sicher nicht 1 : 1 auf Hessen übertragen, aber es gibt zwei zentrale Erkenntnisse aus dieser Studie, die mit Sicherheit auch bei uns Gültigkeit haben. Zum einen kamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Göttingen zum Ergebnis, dass kaum eine andere Berufsgruppe ihre Arbeitsbedingungen so schlecht beurteilt wie die Lehrerinnen und Lehrer, und kaum eine andere Berufsgruppe identifiziert sich so mit ihrem Beruf wie die Lehrerinnen und Lehrer. Dies trifft sicher auch auf Hessen zu. Ich war selbst Lehrerin. Ich weiß, wie engagiert die Lehrkräfte in den Schulen arbeiten und welche wahnsinnig große zusätzliche Arbeit dort geleistet wird.

Zum anderen wurde deutlich, dass über 50 % der Lehrkräfte befürchten, bei Anhalten der Bedingungen das Rentenalter nicht gesund zu erreichen.

Meine Damen und Herren, das ist eine alarmierende Zahl, und die Belastungen in Hessen sind sicherlich nicht niedriger als in Niedersachsen. Da nützen auch die tollen Rechenbeispiele nichts, die Sie uns hier immer wieder präsentieren, z. B. mit der 105-pozentigen Lehrerabdeckung. Sie wissen doch selbst, dass es keine echte 105-prozentige Lehrerabdeckung gibt, dass bei vielen Schulen keine 105 % ankommen, dass davon z. B. Sozialpädagogen, Schulsozialarbeit, Sachmittel und was noch alles bezahlt werden. Und eine halbe Stunde Unterricht zu erlassen, reißt es jetzt auch nicht wirklich raus. Bei diesen Überstunden ist das dringend notwendig. Das ist keine wirkliche Entlastung, wie Sie das hier immer darstellen.

Auch für die Herabsetzung des Klassenteilers loben Sie sich. Auch wenn Ihre demografischen Prognosen völlig falsch gewesen sind, so sind zumindest die Klassen tatsächlich kleiner geworden, aber leider ohne Ihr Zutun. Wenn in Hessen zukünftig wirklich kein Kind zurückgelassen werden soll, wenn individuell gefördert und inklusiv beschult werden soll, dann müssen die Klassen noch deutlich kleiner werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus den Antworten des Kultusministeriums geht hervor, dass seit Juli 2016 ganze zwölf Überlastungsanzeigen eingegangen wären. Alleine auf meinem Schreibtisch stapeln sich viel mehr. Das sind Überlastungsanzeigen, die nicht nur ich bekommen habe oder Herr Degen, sondern die auch ans Kultusministerium geschickt worden sind. Ich weiß nicht, warum Sie die nicht zählen, vielleicht weil sie nicht als formlose Überlastungsanzeigen nach § 16 Abs. 1 Arbeitszeitschutzgesetz gestellt worden sind, sondern in Form von Brandbriefen. Aber wissen Sie, warum die Lehrkräfte zu diesem Mittel der Brandbriefe greifen? – Alles andere bringt nichts. Es gibt keine Reaktion vom obersten Dienstherrn auf die Beschreibung der Arbeitssituation der Lehrkräfte an den Schulen. Diese Brandbriefe sind Hilferufe. Also hören Sie endlich auf, uns zu erzählen, alles sei so gut wie nie zuvor. Das ist eine Verhöhnung der Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, meine Damen und Herren.

Wenn Sie überhaupt reagieren, dann reagieren Sie vielleicht so wie in Offenbach. Da wird der Faschingsdienstag gerade eben gekippt, der durch Vorarbeit der Lehrkräfte bisher ein freier Tag war. Jetzt haben die Kolleginnen und Kollegen ihrerseits reagiert: Es wird dort keinen Tag der offenen Tür mehr geben. Das heißt, dass Eltern, deren Kinder nach den Sommerferien auf die weiterführende Schule kommen sollen, sich in diesem Jahr nicht mehr vorab informieren können. Ich kann da nur das alte Sprichwort zitieren: „Wie man in den Wald hineinruft, so hallt es zurück.“

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nach wie vor fehlen Grund- und Förderschullehrer und  -lehrerinnen, und nach wie vor weigert sich die schwarz-grüne Landesregierung, die Grundschullehrkräfte nach A 13 zu bezahlen. Das wäre einmal ein Zeichen der Anerkennung.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wird das denn in Thüringen gemacht, Frau Kollegin?)

Herr Wagner, jetzt erzähle ich Ihnen etwas über Brandenburg. In Brandenburg wurde am 22.11. nach schwierigen Verhandlungen beschlossen, dass ab dem 1. Januar 2019 die Grundschullehrkräfte nach A 13 bezahlt werden sollen. Wer ist an der Regierung? – Sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Sollen“! Aha!)

Für die nächsten zwei Haushaltsjahre hat Hessen 2 Milliarden € mehr zur Verfügung als noch 2017 – 2 Milliarden €. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso Hessen nicht auch solch einen Schritt machen und 75 Millionen € jährlich in die Hand nehmen kann, um diese äußerst verantwortungsvolle Arbeit an den Grundschulen endlich vernünftig zu bezahlen. – Ich finde es übrigens gut mit Brandenburg. Da müssen Sie jetzt immer Ihre Reden umschreiben.

Meine Damen und Herren, schaut man sich die Zahl der befristeten Stellen an, dazu die Zahl der fehlenden Grundschullehrkräfte und Sonderpädagogen und dann noch die Zahl der Inklusionsklassen, die keineswegs doppelt besetzt oder sozialpädagogisch betreut sind, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie wichtig es wäre, für den Lehrerberuf zu werben und die Situation zu verbessern. Doch warum sollten sich junge Menschen entschließen, solch einen stressigen Beruf ohne hohes gesellschaftliches Ansehen zu ergreifen? Da helfen auch keine Zeichentrickfilme, Herr Kultusminister. Zeichentrickfilme sind da viel zu wenig. Die malen genauso schön wie Ihre Reden im Plenum, und sie werden auch nichts verändern. Orientieren Sie sich lieber an Brandenburg. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)