Reden

Klimaproteste ernst nehmen - Klimaschutz in Hessen verbindlich auf das 1,5-Grad-Ziel ausrichten - Kohleausstieg beschleunigen

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

Nicht nur in Deutschland, auch weltweit scheint etwas politisch in Bewegung geraten zu sein. Junge Menschen stehen auf – um für ihre Zukunft zu protestieren. Sie tun es laut, sie tun es energiegeladen, sie tun es ernsthaft.

Und plötzlich gibt es dafür ausgerechnet Zuspruch von denjenigen, gegen die sie aus vielerlei Gründen protestieren.

Aber die junge Generation will keine warmen Worte von Vertreter*innen einer Politik und einer Generation, die so egoistisch wie keine andere mit unseren Ressourcen umgegangen ist.

Liebe FFF-Bewegung, dieser Zuspruch ist nicht ernst gemeint, die Komplimente vergiftet, das Verständnis geheuchelt. Noch ist niemand aufgestanden, um ernsthaft etwas zu verändern. Denn die Bereitschaft etwas zu ändern würde es einfordern, endlich anzuerkennen, dass ihr Recht habt.

Alle namhaften Wissenschaftler kommen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass wir ab jetzt noch 380 Gigatonnen CO2-Äquivalente von den sogenannten „Kipppunkten“ entfernt sind.[1] Das sind die Punkte, an denen wir Prozesse angestoßen haben, die nicht mehr umkehrbar sind.

  • Mit einer Erwärmung um 1,5 Grad nähern wir uns dem Prozess, der die Methangase in den Permafrostgebieten freisetzt.
  • Mit einer Erwärmung um 1,5 Grad nähern wir uns dem Prozess, der die atlantische und antarktische Tiefenwasserbildung behindert, mit der Folge, dass sich alle bekannten Meeresströme, also auch der Golfstrom, unkalkulierbar verändern werden.
  • Mit einer Erwärmung um 1,5 Grad beginnt der Tauprozess des arktischen Meereises und des grönländischen Eisschilds in einen unumkehrbaren Prozess.

Es gibt zahlreiche dieser Kipppunkte und alle sind wissenschaftlich belegt und erforscht und alle stehen in Verbindung mit genau dieser Grenze der CO2-Äquivalente, die noch in die Atmosphäre entlassen werden dürfen.

Daher fordert FFF auch kein Verständnis, keinen Zuspruch und keinen Respekt. Die FFF-Bewegung fordert sofortiges Handeln auf allen Ebenen.

Wenn die globale Freisetzung von ca. 40 Gigatonnen jährlich so weiter geht, bleiben uns noch etwas weniger als 10 Jahre, um den CO2-Ausstoß auf NULL zu reduzieren. Je früher wir anfangen, je konsequenter wir handeln, desto mehr Zeit bleibt uns und den nachfolgenden Generationen. Und gleichzeitig gilt, je später wir beginnen den CO2-Ausstoß zu beenden, desto teurer wird es um umso einschneidender werden die Maßnahmen werden.

Nur fünf Jahre - also diese Legislaturperiode - geben uns die meisten Experten, um die entscheidenden Reformen auf den Weg zu bringen. Soweit herrscht hier im Plenum sogar weitestgehend Einigkeit. Was fehlt, ist die Bereitschaft und der Mut, die erforderlichen Maßnahmen zu benennen und auch konsequent umzusetzen.

Der Hessische Klimaschutzplan 2025 verliert sich in klein-klein, ohne die wirklichen Ursachen wirksam zu bekämpfen und daher wird er den weltweiten Anforderungen für den Klimaschutz nicht gerecht. Das ist keine neue Erkenntnis. Bereits bei der Vorstellung 2017 war klar, dass mit diesem Plan auf Grundlage einer fragwürdigen Treibhausgasbilanz sowie vielen, aber unverbindlichen Maßnahmen ohne konkrete Reduktionsziele weder das Zwei-Grad-Ziel und erst recht nicht das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens von 2015 zu halten sein wird.

Aber der Hessischen Landesregierung ging es nie um einen Plan, mit dessen Umsetzung ein wirkungsvoller Beitrag zu den Klimaschutzzielen hätte geleistet werden können. Das konnten die Grünen der CDU gegenüber nicht durchsetzen und die erforderlichen Maßnahmen waren beiden Fraktionen zu unpopulär. Es ging darum, in der Öffentlichkeit überhaupt irgendeinen Plan vorweisen zu können - so unverbindlich und so werbewirksam wie möglich.

Aber, meine Damen und Herren, es geht beim Klimaschutz nicht um Popularität. Es geht darum, Beiträge zur Verhinderung von ökologischen Katastrophen wie Überschwemmungen, wie Trockenheit mit Ernteausfällen und millionenfacher Flucht vor den Folgen des Klima­wandels zu leisten. Und die Maßeinheit für den Erfolg eines Plans ist nicht die Anzahl von Maßnahmen -140 sind es laut Plan-, sondern die Anzahl von eingesparten Tonnen CO2. Doch wie die aktuelle CO2-Bilanz für Hessen aussieht, kann oder will die Landesregierung nicht sagen.

Einen umfassenden gesellschaftlichen Konsens – meine Damen und Herren - werden wir nur erzielen, wenn wir mehr Gerechtigkeit bei der Aufteilung der Lasten für den Klimaschutz haben. Das gilt zwischen den Industriestaaten und den Staaten des globalen Südens genauso wie innerhalb Deutschlands.

  • Die Befreiung vieler energieintensiver Firmen von der EEG-Umlage muss beendet werden.
  • Dass Automobilhersteller über viele Jahre bei Verbrauch und Schadstoffausstoß betrügen, in Deutschland aber nicht zur Rechenschaft gezogen werden, ist ein Skandal.
  • Dass die vielen Menschen, die in Hessen täglich den ÖPNV benutzen, jedes Jahr steigende Fahrpreise erhalten, ist ungerecht. Gleichzeitig werden schwere Dienstwagen oder Kohleverstromung subventioniert.

Die Großverbraucher, die Kohleindustrie und die Autolobby werden gepampert, während die Bürger*innen die Zeche zahlen sollen.

Das sind Schieflagen, Fehlanreize und Ungerechtigkeiten, die sofort beendet werden können und müssen!

In ihrem eigenen Klimaschutzplan führt die Landesregierung als „Prioritäre Maßnahme“ für das Jahr 2019 an, „den Kohleausstieg so schnell wie möglich voranzubringen“.[2] Ich frage Sie, ob Sie unter schnellem Kohleausstieg auch 2035 oder gar 2038 verstehen – wie es die sogenannte Kohlekommission vorgeschlagen hat?

Das ist deutlich zu spät und darüber hinaus geht die Klimaschutzwirkung des Ausstiegplans der Kohlekommission bis 2022 gegen Null – meine Damen und Herren. Die Produktion von Strom aus Braunkohle­kraft­werken wird in großem Stil auf die Produktion von Strom aus Steinkohle­kraftwerken verlagert und dafür wollen die Energiekonzerne auch noch großzügige Entschädigungen für alte, längst abgeschriebene Braun­kohle­kraftwerke.

Es muss Gelder für echte Konversionsprojekte und den Strukturwandel in der Automobilindustrie geben. Aber Milliarden aus Steuergeldern für den Umbau von Energiekonzernen - die die Energiewende erst nicht ernst genommen, dann bekämpft haben und jetzt die Hand aufhalten – sind nichts weiter als Lobbygeschenke. Die LINKE fordert die schwarz-grüne Landesregierung auf, diese klimafeindliche Politik endlich zu beenden.

Es gäbe eine Menge anderer Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden könnten, wenn man nur den Mut hätte, sich mit den wichtigen Lobbygruppen anzulegen.

Die Ziele von fast 30 % aller Passagierflüge am Frankfurter Flughafen wären mit der Bahn unter 6 Stunden zu erreichen. Diese Kurzstreck­enflüge müssen auf die Schiene verlagert werden. Das ist den Menschen in Zeiten des Klimawandels zuzumuten und es ist ihr Job - Herr Minister Al Wazir - das auch gegen die Widerstände der Fluggesellschaften und von Fraport voran zu bringen. Und wir in Hessen würden gleich dreifach davon profitieren: Durch eine Verringerung des CO2-Ausstoßes, durch weniger Fluglärm und durch eine Verbesserung der Schieneninfrastruktur.

Fridays for Future, Umweltverbände und Klimaaktivisten und Aktivistinnen wollen sich aber nicht länger mit unverbindlichen Plänen, unkonkreten Versprechungen und einer großzügigen Lobbypolitik für die Flug-, Automobil- und Energieunternehmen hinhalten lassen. Der lang angekündigte Umbau der Energieversorgung, der Landwirtschaft und des Verkehrs müssen endlich sozial und ökologisch umgesetzt werden. Und wenn nicht mit, dann eben gegen die Interessen der Kapitalgeber.

Es muss Schluss damit sein, dass die Interessen der Beschäftigten sowie des Klima- und Umweltschutzes der Profitgier der großen Investoren untergeordnet werden.

Blackrock, Goldman-Sachs, die Deutsche Bank, VW, RWE und Fraport stehen bisher nicht für das Gemeinwohl, für öffentliche Daseinsfürsorge und den Erhalt der Lebensbedingungen der nächsten Generationen.

Und ich hoffe, dass die FFF-Bewegung ihren Protest noch lange aufrechterhält, denn wir müssen uns heute entscheiden, was wir retten wollen - das Klima oder den Kapitalismus.