140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede Marjana Schott zum Setzpunkt der LINKEN „Altersarmut von Frauen wirksam bekämpfen“

Rede Marjana Schott am 28. Februar 2018 im Hessischen Landtag Drucks. 19/5174

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

als wir den Antrag formulierten, lag die Bundestagswahl noch vor uns und Koalitionsverträge für eine neue Groko waren nicht in Sicht. Für die heutigen Rentnerinnen und Rentner und die jungen Generation ist das Ergebnis des neuen Koalitionsvertrages enttäuschend. Statt die vorhandenen finanziellen Spielräume auszunutzen und im Kampf gegen Altersarmut vernünftig einzusetzen, wird der Beitragssatz begrenzt und die Rentenkasse wird weiter geschröpft. Echte Leistungsverbesserungen für heutige und zukünftige Rentnerinnen und Rentner sucht man vergebens.

Nur sehr wenige Mütter mit drei und mehr Kindern und nur neue Rentnerinnen und Rentner unter 65 Jahren, die zu krank sind, um zu arbeiten, dürfen auf bessere Renten hoffen. Alle anderen gehen leer aus. Das wird zu Unmut bei vielen Menschen führen. Mütter mit "nur" zwei Kindern, erwerbsgeminderte Rentnerinnen und Rentner, die ein Jahr "zu früh" krank wurden und arme Rentnerinnen und Rentner, die nur 33 Beitragsjahre erreichen. Sie alle gehen leer aus.

Die kleinen Verbesserungen bei den "Mütterrenten" werden nicht komplett aus Steuermitteln finanziert werden, sondern überwiegend aus Beitragsmitteln. Damit gehen Jahr für Jahr rund zehn Milliarden Euro für ein höheres Rentenniveau verloren. Es ist gut, dass ein kleiner Schritt gegangen wurde, das Rentenniveau zu stabilisieren. Dies ist ein Erfolg für Bürgerinnen und Bürgern, die unterstützt von Gewerkschaften, Sozialverbänden und der LINKEN ihren Widerspruch gegen ständig sinkende Renten angemeldet haben. Es wäre aber dringend nötig, das Rentenniveau von gut 48 Prozent auf 53 Prozent anzuheben. Das war das lebensstandardsichernde Niveau, bevor Schröder, Fischer und Riester begannen, die gesetzliche Rente zu ruinieren. Zudem wird diese Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent wenig bewirken, weil es bis 2021 nach allen Prognosen sowieso nicht stärker sinken werden wird.

Die angebliche Grundrente ist eine etwas höhere Sozialhilfe für die wenigen älteren Menschen mit mindestens 35 Beitragsjahren. Damit wird Armut nicht bekämpft, damit bleibt Altersarmut weiter die Perspektive, in die viel zu viele Menschen in diesem Lande blicken müssen.

Gender Pension Gap

Wenden wir uns aber besonders den Frauen zu, nicht nur weil in einer guten Woche der Internationale Frauentag ins Haus steht, sondern weil die Situation von Frauen im Alter noch gravierender und noch prekärer ist als bei Männern.

Eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institutes hat für das Jahr 2015 ein „Gender Pension Gap“ von 53 Prozent errechnet. Das heißt, Männer verfügen im Schnitt über mehr als doppelt so hohe Alterssicherungseinkommen wie Frauen. Im Westen sind es im Übrigen mit 58 Prozent deutlich mehr als 28 Prozent im Osten. Die wichtigste Einnahme ist die gesetzliche Rente. Deren Höhe betrug in Hessen 1136,30 Euro im Monat für Männer und 613,37 Euro für Frauen. Bei den Betriebsrenten in der Privatwirtschaft ist der Unterschied noch höher. Bundesweit erreichen die Frauen mit 240 Euro nur 40 Prozent der Einnahmen, der Männer, die auf 593 Euro kommen. Allerdings haben nur 7 Prozent der Rentnerinnen überhaupt einen Anspruch auf Betriebsrenten, während es bei den Männern immerhin 26 Prozent sind. Auch die private Altersvorsorge rettet nicht vor Armut. Nur 5 Prozent der Männer und 2 Prozent der Frauen haben aus dieser Quelle Einnahmen, auch hier erreichen Frauen nur zwei Drittel des Betrags, der Männern zusteht.

Fortschritte sind im Zeitverlauf erkennbar. Der Abstand zu den Alterseinkommen der Männer nimmt von Jahr zu Jahr etwas ab, weil immer mehr Frauen erwerbstätig sind und Sorgearbeit inzwischen zum Teil auch bei der gesetzlichen Rente honoriert wird. Allerdings sinkt die Differenz auch deshalb, weil die Alterseinkünfte der Männer tendenziell sinken. Das führt so schnell nicht zur Gleichstellung. Aus den Rentenanwartschaften der aktuell Erwerbstätigen ab 25 Jahren ergibt sich bei der gesetzlichen Rente immer noch eine Lücke von 24 Prozent. Außerdem was haben Frauen davon, wenn der Ehemann – und es geht vorwiegend um Familien – weniger Rente bekommt? Solange das Familieneinkommen nicht deutlich steigt, haben sie nichts davon. Wie kommt es zu diesen Unterschieden?

Die Gründe für dieses Gender Pension Gap sind zugleich die Hebel, an denen man ziehen muss, um Altersarmut bei Frauen nicht weiter zuzulassen.

Gute Arbeit braucht eine gute Entlohnung

Wir erleben eine deutliche Zunahme von Niedriglohnjobs. Dies sind Arbeitsverhältnisse mit einem Verdienst unterhalb von zwei Dritteln des Medianbruttostundenlohns. Mitte der neunziger Jahre traf dies in Deutschland auf etwa 14 Prozent der Arbeitsverhältnisse zu. Aktuell sind es 22 Prozent der Arbeitnehmer*innen, die für einen Niedriglohn arbeiten müssen. Dass dies nicht so sein muss, zeigt beispielsweise die nicht als sozialistische Republik bekannte Schweiz, deren Niedriglohnsektor seit Jahrzehnten bei etwa 12 Prozent liegt. Dass das für unsere Verhältnisse immer noch zu viel ist, brauche ich nicht zu betonen. Ich möchte aber ergänzen, dass Frauen doppelt so oft im Niedriglohnsektor arbeiten.

Die Landesregierung hat mit dem Lohnatlas die Lohnlücke bei Frauen und Männern aufgezeigt. Also das, was Frauen beim Equal Pay Day bereits seit zehn Jahren deutlich machen.

Was fordern wir von der Landesregierung?
Sie muss im Landesdienst beginnen. Ein Beispiel sind die Grundschullehrkräfte, die weiterhin schlechter bezahlt werden, als alle anderen Lehrkräfte. Warum eigentlich? Weil es Frauen sind? Weil Grundschule weniger wichtig oder weniger anspruchsvoll ist als Gymnasium und Gesamtschule? Weil die Landesregierung Angst hat, dass die Erzieher*innen dann auch mehr Geld wollen?

Für letztere sind allerdings die Träger vor Ort zuständig. Die Bezahlung ist vom Tarifvertrag und dieser wiederum von den finanziellen Verhältnissen der Kommunen abhängig. Solange die Kommunen nicht endlich ausreichende finanzielle Mittel für die frühkindliche Bildung erhalten, so lange müssen Erzieher*innen, die oft genug aus familiären Gründen oder aufgrund der belastenden Arbeit Teilzeit arbeiten, Angst vor Altersarmut haben. Leider fehlen ihnen die finanziellen Mittel heute, um privat vorzusorgen. Die große Rentenlücke ist das Geschenk an die Versicherungswirtschaft, mit privaten Produkten ihren Reibach zu machen. Die Profite dieser Unternehmen sind trotz Niedrigzinsphase enorm. Allein die Allianz, erwirtschaftete in Deutschland 2016 einen Umsatz von über 32 Milliarden Euro.

Noch ein Beispiel, wo die Landesregierung durchaus Einfluss hat, ob Frauen im Alter arm sind. Es ist zwar keine große Zahl, die Mitarbeiterinnen in den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, allerdings wurde mir hier die grausame Politik dieser Landesregierung deutlich. Es hätte nicht viel gekostet, den Trägern die finanzielle Möglichkeit zu geben, damit sie für die Mitarbeiterinnen eine betriebliche Altersvorsorge abschließen. Die Landesregierung war aber nicht bereit dazu.

Sorgearbeit gut absichern

Immer noch ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf das große Problem besonders für Frauen. Ob es die fehlenden Kinderbetreuungsplätze sind oder die nicht passenden Öffnungszeiten oder die fehlenden Ganztagsschulplätze – für Frauen ist eine Berufstätigkeit mit Kindern eine große Herausforderung. Nicht jeder Arbeitgeber reagiert mit großer Gelassenheit, wenn die Mutter (oder auch der Vater) kinderkrank ist. Die Karrierechancen sind begrenzt, wenn man pünktlich den Arbeitsplatz verlässt, weil das Kind aus der Kita abgeholt werden muss. Wissenschaftlerinnen erleben einen erheblichen Karriereknick, wenn sie mal ein oder mehrere Jahre nicht publiziert haben. Die prozentualen Anteile von Frauen in der Justiz, der Hochschulen, den Ministerien und einigen mehr lassen gerade in Leitungspositionen sehr zu wünschen übrig. Hier ist ein gehöriges Umdenken erforderlich.

Das gilt aber nicht nur für jüngere Frauen mit Kindern. Das gilt auch für die Generation, deren Kinder aus dem Haus sind und die sich jetzt um die Eltern kümmern. Nicht alle Seniorinnen und Senioren können ihren Lebensabend gesund genießen. Zunehmende Erkrankungen psychischer und physischer Art machen familiäre Hilfestellung erforderlich. Die Unterstützung für diese Sorgearbeit ist ein schlechter Witz. 10 Tage Arbeitsausfall zahlt die Pflegeversicherung, für weitere Arbeitszeitverkürzung kann man einen zinslosen Kredit bei der Bundesregierung beantragen. Kein Wunder, dass dies kaum einer nutzt. Die Landesregierung muss dafür sorgen, ein flächendeckendes System zur Entlastung der privaten, häuslichen Pflege zu gestalten. Gerade, was die Versorgung von Menschen mit einer dementiellen Erkrankung anbetrifft, wäre sie gut beraten, sich öfters mal in Rheinland-Pfalz umzuschauen. Hier wird bereits seit Jahrzehnten an guten Versorgungsstrukturen gearbeitet. Die Hessische Landesregierung ist bisher nicht einmal in der Lage gewesen, eine Verordnung für die Entlastungsangebote zu erlassen, um die Angehörigen zu unterstützen. Sie ist nicht bereit, Wohngemeinschaften für Demenzerkrankte zu unterstützen. All dies geht auf Kosten der Familien und oft genug der Frauen.

Diese unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit und finden sich oft genug in Altersarmut wieder.

Wir fordern in unserem Antrag deshalb die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass Zeiten der Kindererziehung und Pflege besser abgesichert werden, dass das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent angehoben wird, dass es eine solidarische Mindestrente gibt, die sicherstellt, dass niemand im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben muss, dass die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten abgeschafft werden.

Ich gehe davon aus, dass Sie alle unserem Antrag zustimmen werden. Schließlich basiert er in wesentlichen Passagen auf dem Beschluss der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen in Weimar am 15. Juni des vergangenen Jahres. Der Minister war leider nicht dabei, er hat seinen Staatssekretär geschickt. Der wird uns aber sicher mitteilen können, ob Sie dem Beschluss zugestimmt haben.

Allerdings kommt es mehr auf Taten als auf Worte an. Dass wir Frauen uns die Taten erkämpfen müssen, das ist uns bewusst. Deshalb freut es mich besonders, dass das Frauenbündnis gegen Altersarmut Südhessen sich vorgenommen hat, ordentlich Putz zu machen für eine bessere Absicherung von Frauen. Dort sind Frauen aus allen möglichen gesellschaftlichen Organisationen vereinigt und machen deutlich: „Mit uns ist zu rechnen“.