140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Hessen hat Familiensinn – Stärkung der Familienfreundlichkeit in Hessen

Rede von Marjana Schott am 22. März 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

anlässlich Ihres blumigen Familiensinnantrages, der allerdings wenig inhaltliche Substanz hat, habe ich mich mit dem Koalitionsvertrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschäftigt und dort die Substanz in der Familienpolitik gesucht.

Immerhin haben Sie nach mehreren Nachfragen und Anmahnungen aus dem parlamentarischen wie außerparlamentarischen Geschehen die Kommission „Hessen hat Familiensinn“ gegründet. Das ist ja schon mal was, allerdings nur, wenn Sie auch auf die Familienverbände und Organisationen hören, die sich an diesem Runden Tisch versammeln. Nach Bildungsgipfel und anderem ist meine Hoffnung hier gering, insbesondere da sie sich nicht wundern müssen, dass sie von den Verbänden, die mit den Familien tatsächlich zu tun haben, ähnliche Vorschläge wie von uns bekommen.  

Sie werden sich damit auseinandersetzen müssen, das haben Sie weder in ihrem Antrag noch in dem Koalitionsvertrag gemacht, dass Kinder das größte Armutsrisiko sind. Nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sind 13,7 Prozent der hessischen Familien arm. Viele dieser Kinder sind auf Hartz IV angewiesen und können sich nicht darauf verlassen, dass sie dieselben Chancen haben wie andere Kinder aus wohlhabenderen Familien.

Besonders hoch ist das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden mit einer Quote von 43,8 Prozent und Familien mit drei und mehr Kindern bei 25,2 Prozent.

Bemerkenswert ist, dass die Armutsquote der Alleinerziehenden steigt, obwohl ihre Erwerbstätigenquote seit Jahren zunimmt. Das heißt: Arbeit schützt nicht unbedingt vor Armut. Als Ursachen dafür können Beschäftigungen im Niedriglohnsektor oder in instabilen oder befristeten Arbeitsverhältnissen in den sogenannten frauentypischen Branchen, wie etwa in der Dienstleistungsbranche und im Pflegebereich, und den damit einhergehenden geringen Löhnen, identifiziert werden. Dies kann jedoch nicht die einzige Antwort auf die Frage sein, warum Alleinerziehende und ihre Kinder überproportional häufig in Armut leben. Neben der Situation auf dem Arbeitsmarkt als Frau und Mutter wirken sich auch die steigenden Kosten nach einer Trennung oder Scheidung, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie die unzureichende Ausgestaltung monetärer familienpolitischer Leistungen für Alleinerziehende auf die Einkommensverhältnisse aus.

Dass Sie nicht wissen, wie Armut der Familien abgebaut werden soll, ist nichts Neues. Nur ein paar Gedanken dazu. Damit unterschiedliche Einkommen nicht weiter zur Spaltung führen, sollten öffentliche Güter kostenfrei oder sehr kostengünstig zur Verfügung gestellt werden. Die zentrale Leistung für Familien wäre, dass Bildung bedingungslos kostenfrei ist. Das fängt bei der frühkindlichen Bildung an, geht bei den Lernmitteln in den Schulen weiter, für die jedes Schuljahr mehrere hundert Euro pro Kind gezahlt werden müssen und bis zum lebenslangen Lernen. Wohnungen müssten bezahlbar werden, der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und durch Umlage sehr kostengünstig werden, etc.

Natürlich müssen sich die Familienleistungen auch an der Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen statt an der Eheschließung orientieren. Die Bundesregierung schafft es ja nicht einmal einen Umgangsmehrbedarf für Grundsicherungsempfänger*innen einzuführen. Aber auch die Löhne und Gehälter müssen zum Leben reichen und da kann die Landesregierung gerade in den Branchen, in denen besonders viele Frauen tätig sind, durchaus was tun. Sie kann den Kommunen und Trägern mehr Geld für die Kinderbetreuung zur Verfügung stellen, damit die Personalsituation sich dort verbessert. Wieso entlohnen wir die Erzieherinnen, die einen der verantwortungsvollsten Berufe in dieser Gesellschaft ausüben, so schlecht? Das Land kann dafür sorgen, dass die Personalbemessung in den Krankenhäusern eingeführt wird, so dass die Beschäftigten nicht aus Gesundheitsgründen Teilzeit arbeiten müssen und hinterher mit Altersarmut konfrontiert sind. Und jetzt sagen sie nicht, es ist nicht genug Geld da. Wir wissen alle, wo es sich befindet.

Die Leistungen für den Wiedereinsteig nach Familienphase sind ja eher symbolisch, wenn wir sie aufs ganze Land verteilen. Hier sind flächendeckende Coaching- und Begleitungsangebote notwendig, die kosten mehr als ein paar Euro, die dafür zur Verfügung stehen.

Zum Beispiel steht im Koalitionsvertrag auch die Teilhabekarte für einkommensschwache Familien. Das steht auch mit einem symbolischen Betrag seit zwei Jahren im Haushalt. Aber was ist darüber hinaus passiert?

Wie sieht es aus mit der Stärkung von Kinderrechten und der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Wir werden uns am Samstag intensiv mit den Kinder- und Jugendrechten beschäftigen. Ich empfehle den Regierungsfraktionen dies ebenso zu tun. Hier gibt es noch richtig viel Handlungsbedarf, damit diese auch Wirklichkeit werden.