140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE „Beitragsfreiheit und höhere Qualität durch bessere Pauschalen in hessischen Kitas“

Rede von Marjana Schott am 14. Dezember 2016

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,
das Thema Kindertagesbetreuung ist uns so wichtig, dass es richtig ist, dies hier im Landtag fortlaufend zu thematisieren. Wichtig ist es deshalb, weil die Situation unbefriedigend und ungerecht ist.

Unbefriedigend wird die Qualität der Kindertagesbetreuung. Unbefriedigend deswegen, weil der finanzielle und der politische Druck auf die defizitären Kommunen zur Senkung der personellen Ausstattung führt. Einen besonderen Bärendienst leistet dabei der aktuelle Kommunalbericht des Rechnungshofs. Dieser sagt den Städten deutlich, dass sie ihren Zuschuss für die Kinderbetreuung durch die Verringerung von Fachkräften, die Erhöhung der Elternbeiträge und die Reduzierung der Schulkindbetreuung in Kitas massiv reduzieren sollen. Beim letzten Punkt könnten wir vielleicht zustimmen, wenn das Land gleichzeitig dafür sorgen würde, dass wir echte Ganztagsgrundschulen in Hessen in einer nennenswerten Zahl hätten.

Bei der Verabschiedung des Kifög wurde deutlich gesagt, dies sei nur ein Mindeststandard. Dazu ein Zitat aus der damaligen Beratung von Frau Wiesmann: „Wir schaffen zusätzliche finanzielle Spielräume, damit je nach Ausgangssituation vor Ort der Mindeststandard erreicht werden kann, bereits darüber liegende Standards aber gehalten oder weiter verbessert werden können. Unsere bürgerliche Politik … regelt das Unabänderliche, den Mindeststandard, das Unverzichtbare nämlich, und sie erleichtert das Wünschenswerte, den tatsächlichen Standard. Vor allem aber überlässt sie die konkrete Entscheidung im Einzelfall denen, die es vor Ort am besten beurteilen können.“

Ich kann mich erinnern, dass die damalige Opposition deutlich davor gewarnt hat, diese niedrigen Mindeststandards festzuschreiben, weil sie den Kommunen um die Ohren gehauen werden. Genauso ist es gekommen. Der Rechnungshof rechnet jetzt vor, dass das Rechnungsergebnis der Kommunen verbessert werden könnte, wenn die Kommunen und Kreise keine höhere Standards anbieten würden, als das Kifög festgeschrieben hat. Er kritisiert auch die Kommunen, die mehr Personal eingestellt haben, als sie in ihren Standards festgehalten haben. Aber bitte erklären Sie doch mal, was sollen sie tun, wenn das Kind jetzt 3 Jahre alt wird, und das passiert ja nicht nur bei einem Kind, und sich dann der Fachkraftfaktor von 0,2 auf 0,07 verringert.

Wenn dies bei 25 Kindern passiert, kann die Kita die 3,25 Erzieher_innen, die überflüssig sind, heimschicken. Oder sie sagt allen, Ihr arbeitet ab sofort nur noch 13,5 Stunden pro Woche. Leider nicht bei vollem Lohnausgleich, ihr müsst Euch überlegen, woher ihr das restliche Geld zum Überleben her organisiert. Mal abgesehen, dass die Kommune dies nicht machen kann, wenn sie viele langfristige Mitarbeiterinnen hat. Sie kann auch schlecht so viele Ü 3 Kinder aufnehmen, um die geringere Fachkraftquote zu kompensieren.

Das Konstrukt ist an sich schon makaber, dies aber jetzt auch noch zum Ausgangspunkt zu nehmen, die Kommunen zu kritisieren, die sich um eine qualitativ hochstehende Kindertagesbetreuung bemühen und die alles daran setzen ihr Personal zu halten, indem sie die Arbeitsbedingungen erträglich gestalten, das ist perfide. Ich finde es unerträglich, dass es pädagogisches Personal in hessischen Kitas gibt, das keine Sicherheit hat, nicht weiß, wie viel Geld sie in den nächsten Monaten verdienen, wie viel Stunden sie arbeiten, das ändert sich mit den Zeiten, die von den Eltern gebucht werden. Und die Eltern orientieren sich dabei nicht selten an der Höhe der Elternbeiträge.

Die Folge von Erhöhung von Elternbeiträgen ist, sie reduzieren die Betreuungszeiten, die Kinder werden vom Mittagessen oder der Nachmittagsbetreuung abgemeldet, weil die Beiträge so hoch sind, dass man sie nicht mehr tragen kann und will. Das führt zu meiner zweiten Qualifikation ungerecht. Die Beiträge sind im Land völlig unterschiedlich. Wir haben eine Handvoll Kommunen, die in der Lage sind, auf die Elternbeiträge zu verzichten. Aber ansonsten gibt es große Unterschiede. Bereits bei den 12 Kommunen in der vergleichenden Untersuchung des Kommunalberichts gibt es Diskrepanzen zwischen 144 und 410 Euro, im Prinzip für dieselbe Leistung.

Wir haben landauf und landab Proteste und Ärger wegen der Elternbeiträge. Das müssen aber in erster Linie die Bürgermeister_innen und Kommunalpolitiker_innen ausbaden. Das hat die hessische Landesregierung geschickt eingefädelt, gemäß dem fürstlichen Motto aus dem 16. Jahrhundert: Teile und Herrsche – Divide et impera. Da lob ich mir doch Herrn Bürgermeister Kötter und die Gemeinde Wölfersheim, die immer wieder deutlich machen, dass Kommunen mehr Geld für die Kindertragebetreuung vom Land brauchen, Geld um die Elternbeiträge abzuschaffen, um das Defizit der Gemeinde zu senken und um die Qualität der Betreuung weiter zu verbessern. Bei 10.000 Einwohner_innen kosten die Kitas 2,5 Millionen, die Gemeinde zahlt ca. 70 Prozent davon. Jetzt ist es aber nicht so, dass DIE LINKE dort die Mehrheit hat. Trotzdem hat die Gemeinde genau die Punkte genannt, die für unseren Gesetzesantrag ausschlaggebend waren, den wir Ihnen jetzt in veränderter Form vorlegen. Wir legen Ihnen den Antrag deshalb noch einmal vor, weil wir in der sehr interessanten Anhörung, bei der die meisten Anzuhörenden sich positiv auf unseren Antrag bezogen haben, dazu gelernt haben – so etwas soll es gerüchteweise hier im Landtag geben - und danach einige, wenige Modifikationen vorgenommen haben.

Wir bleiben dabei: Die Pauschalen müssen erhöht werden. Die Elternbeiträge sollen abgeschafft werden – im neuen Entwurf wortwörtlich. Die Pauschalen werden vereinfacht. Was sich geändert hat: Die Qualität soll im Gesetz deutlicher abgefordert werden. Die Pauschalen erfahren eine Differenzierung danach, ob das Kind unter oder über 25 Stunden in die Kita gehen soll. Die Anpassung an tarifliche Erhöhungen wird aufgenommen.

Jetzt zu Ihrer Behauptung, dass die Befreiung von den Elternbeiträgen nur die Reichen bevorzugt. Zwei Personen mit einem Kind, die ein Einkommen von 1400 Euro haben plus die angemessenen Kosten der Unterkunft, haben ganz schön große Probleme durchs Leben zu kommen. Eine Befreiung von den Kitagebühren bekommen sie nicht. Auch wenn die heutigen Eltern nicht mehr alle jung sind, meistens sind sie doch Berufsanfänger_innen oder haben gerade das Studium hinter sich und verdienen nicht so üppig. Für Menschen mit geringen und normalen Einkommen sind die Beiträge, die neben vielen anderen Erhöhungen auf die Familie zukommen, wie Grundsteuer, wie Anliegerkosten, wie Kosten für Strom, Wasser und Heizung sowie Miete, etc. eine echte Belastung. Natürlich profitieren auch Reiche von dem Gesetz. Aber da kann ich Sie nur auffordern, eine tatsächliche Steuerpolitik zu machen, mit der sie Menschen in unteren Einkommensphären entlasten und dafür diejenigen mit den hohen Einkommen stärker belasten. Hier wird gesteuert, aber das wollen sie nicht, da kommt die Bundesregierung wieder mit Steuerentlastung für Unternehmen und Gutverdienende um die Ecke.

Ich hatte Sie bereits bei dem ersten Gesetzentwurf darauf hingewiesen. Wer Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau möchte, muss diesem Antrag zustimmen. Stellen Sie sich mal vor, was alles wegfällt. Das Land braucht weniger Personal, um die Zuschläge zu kontrollieren und zu verausgaben und die Pauschalen zu berechnen. Es kann auch besser kalkulieren. Der Kreis braucht keine Abteilung mehr, bei der die Ermäßigung oder der Erlass der Beiträge beantragt wird. Sie müssen diese Gelder auch nicht den Trägern zur Verfügung stellen. Beispielsweise spart ein Kreis mit 250.000 Einwohner_innen etwa zwei Millionen Euro damit ein. Der Kitaträger braucht sich nicht mehr mit den Eltern über die Beiträge auseinanderzusetzen, er muss sich nicht mehr einfordern, anmahnen, vollstrecken oder auch niederschlagen. Denn meist sind sie ja nicht einbringbar. Die Kitas können sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren und müssen nicht ständig rechnen, ob noch genügend Kinder für das vorhandene Personal da sind und ob man pädagogische Kräfte, die Vollzeit arbeiten wollen, tatsächlich so einstellen können.

Das alles würden wir uns sparen, wenn das Land seine Aufgabe ernst nehmen würde, gute Bedingungen für die Kindertagesbetreuung zu schaffen. Selbstverständlich kann sich die Landesregierung an den Bund wenden, um Unterstützung in dieser Frage zu bekommen. Auch auf Bundesebene gibt es die Diskussion um gute und verbindliche Standards, die finanziert werden müssen.

Dieser Gesetzentwurf ist ein Schritt in die vollständige Kostenübernahme der Kindertagesbetreuung durch das Land. Diese sollte schrittweise erfolgen, auch wenn die finanzielle Anstrengung auch von uns nicht unterschätzt wird.

Die Haushaltsüberschüsse zeigen, dass dieses Gesetz finanzierbar ist, bis zur Neuordnung des Länderausgleichs kann die Übernahme der Kitakosten vollständig erfolgen.