140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede zum Gesetzentwurf der Landesregierung für das Zweite Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz

Rede von Marjana Schott am 13. September 2016 im Hessischen Landtag
Drucks. 19/3712


– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte Damen und Herren,


wir sprechen jetzt über einen von sechs Gesetzesentwürfen, die diese Woche in die erste Lesung gehen. Das ist das typische Septemberfieber. Erst beschließen die Regierungsparteien Befristungen und dann kommt die Landesregierung nicht zu Potte, wenn es um die Verlängerung bzw. Aktualisierung geht. Entweder hat diese Regierung keine ordentliche Wiedervorlagmappe (ich kann ihr gerne eine schenken) oder sie denkt sich: Wie können wir es der Opposition so schwer wie möglich machen? Wie können wir dafür sorgen, dass es möglichst wenig Öffentlichkeit und wenig Widerstand gegen die Gesetzesvorhaben gibt? Wie sorgen wir dafür, dass keine Änderungsanträge eingereicht werden? Wie ziehen wir die Sache schnell durch und erhöhen den Zeitdruck?

Das ist doch gelungen! Herzlichen Glückwunsch. Meinetwegen können Sie das machen, aber nicht bei Schwangerschaftskonfliktberatung, bei einem lange erwarteten Gesetz für psychisch Kranke, für Pflegebedürftige und Heilberufe. Hier geht es um Tod und Leben und nicht um Röhren, Steine oder Asphalt, hier brauchen wir mehr Zeit für die Beratung und kein Hoppladihopp. Sie werden sich das diese Woche noch öfters von mir anhören müssen. Denn ich bin richtig sauer.

Nichtsdestotrotz lasse ich mich nicht davon abhalten, mich mit den wichtigen inhaltlichen Fragen zu beschäftigen.

Immer noch ist in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch strafbar. Mit der Konstruktion der Konfliktberatung nach § 219 StGB gehen Frauen und Ärztinnen sowie Ärzte straffrei aus, wenn sie die Regelungen einhalten. Allerdings ist dies nur einer von sechs Punkten, die in dem Schwangerschaftskonfliktgesetz vorgesehen sind und die in den Beratungsstellen geleistet werden müssen. Dazu kommen Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung, Beratung zu familienfördernden Leistungen, Vorsorgeuntersuchungen bei Schwangerschaft und die Kosten der Entbindung, soziale und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere, Hilfsmöglichkeiten für behinderte Menschen und ihre Familien, Methoden und physischen sowie psychischen Folgen eines Abbruchs, Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft sowie die rechtlichen und psychologischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit einer Adoption.

Die Schwangere ist darüber hinaus bei der Geltendmachung von Ansprüchen sowie bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen. Zum Anspruch auf Beratung gehört auch die Nachbetreuung nach einem Schwangerschaftsabbruch oder nach der Geburt des Kindes. Und schließlich und endlich geht es um die anonyme Geburt. Das ist eine Menge Holz, was die Beratungsstellen zu leisten haben.

Das stellt sich schon die Frage, ob die Ausstattung der Beratungsstellen noch zeitgemäß und ausreichend ist. Schließlich werden auch in diesem Aufgabengebiet die Dinge nicht einfacher. Die Beraterinnen und Berater stehen vor enormen Herausforderungen, ob es Familien betrifft, die finanzielle Probleme haben und nicht wissen, wie ein (weiteres) Kind versorgt werden kann, die gesundheitliche Probleme, somatischer oder psychischer Art haben, die unter belastenden Arbeits- und Lebensbedingungen leiden, die Probleme rechtlicher Art haben oder bei denen sprachliche und kulturelle Fragen eine Rolle spielen. Die Beratungseinrichtungen stellen fest, dass immer mehr Frauen aus EU-Ländern – manches Mal ohne Versicherung und sicherem Aufenthaltsstatus - und Frauen mit Fluchthintergrund in den Beratungsstellen ankommen. Hier sind besondere Kompetenzen und Mitarbeiterinnen sowie Mitarbeiter erforderlich, die den sprachlichen und kulturellen Zugang verstehen.

Allerdings verschärft die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf die aktuell schon schwierige Situation. Gerade im Regierungsbezirk Darmstadt sind nicht wenige Ärztinnen und Ärzte zugelassen, die die unmittelbare Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 8 durchführen. Allerdings führen sie diese nicht in dem Umfang durch, für den sie zugelassen sind. Dies hat zur Folge, dass die Kapazitäten in den Beratungsstellen eingeschränkt sind. Der neue Gesetzentwurf bezieht sich aber nicht nur auf den § 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, sondern auch auf den § 3 und somit auf alle Beratungen, die die Stellen anbieten, wie ich es zuvor aufgezeigt habe. Ich frage die Landesregierung ganz konkret, was sie damit beabsichtigt und erreichen will? Dass Wartezeiten noch länger werden und noch weniger Beratungen stattfinden können?

Es sollte selbstverständlich sein, dass die Beratungseinrichtungen eine Planungssicherheit haben, dann bitte ich Sie das genauso ins Gesetz zu schreiben. Für die Personalplanung ist es wichtig, dass rechtzeitig bekannt wird, wer in welchem Umfang beauftragt wird.

Es werden nur 80 Prozent der Personalkosten einer Personalstelle E 10 – das ist viel zu wenig für eine qualifizierte Kraft – und 10 Prozent einer Stelle für eine psychologische Kraft gefördert. Was ist mit dem Rest der 100 prozentigen Beratungskraft, die berechnet wird? Die Einrechnung einer Verwaltungskraft in die Finanzierung einer Beratungskraft ist ja völlig unstatthaft. Das darf doch eigentlich nicht sein, es gibt doch in Hessen ein Tariftreuegesetz. Ja, es gibt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, aber dort steht mindestens 80 Prozent drin und nicht höchstens. Schön ist die Tatsache, dass die Beratungsstellen die zusätzlichen Kosten für das Verfahren der vertraulichen Geburt erstattet bekommen. Aber leider nur, wenn das Verfahren bis zum Ende durchlaufen wurde. Was soll das? Soll ich dann als Beraterin die Frau dazu beraten, dass sie die Geburt vertraulich macht, damit dem Träger nicht die 600 Euro durch die Lappen gehen? Eine vertrauliche Geburt sollte ja nur die letzte Möglichkeit sein, wenn alles andere nicht möglich ist.

Sie sehen, es gibt eine Menge Nachbesserungsbedarf. Wobei ich der Landesregierung hier nichts Neues gesagt habe. Das hätte sie bereits in der Regierungsanhörung durchaus wahrnehmen und beherzigen können. Fragt sich nur, warum Sie es nicht getan haben. Meine Hoffnungen auf Änderungen nach der Anhörung im Ausschuss sind nach den letzten Erfahrungen gerade mit dem Gleichstellungsgesetz gering. Allerdings lasse ich mich im Interesse der betroffenen Frauen und Männer sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Beratungsstellen gerne überraschen.