140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

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Reden

Anhörung zum Thema Chancen und Risiken der Entkriminalisierung von Drogen

„Anhörung zum Thema Chancen und Risiken der Entkriminalisierung von Drogen“

DS: 19/1086

 

Herr Präsident / Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte kurz begründen, warum die Abgeordneten des Landtags dem vorliegenden Antrag der LINKSFRAKTION zustimmen sollten bzw. zustimmen müssten. Leider kommen sie in diesem Punkt nicht über die Parteienlager hinaus. Dazu aber am Ende noch ein Wort. Worum geht es: DIE LINKE fordert den Landtag auf, im kommenden Frühjahr eine Anhörung zum Thema „Chancen und Risiken einer Entkriminalisierung von Drogen“ durchzuführen. Wir wollen dieses aktuelle Thema mit Experten sachlich diskutieren und schlauer werden.

Das wäre dringend notwendig. Nicht nur, weil das Thema im Landtag seit vielen Jahren nicht behandelt wurde. Sondern weil nach Ansicht vieler Experten ganz dringend Handlungsbedarf besteht. Die Drogenpolitik steckt in einer Sackgasse, zumal in Deutschland. Und das ist fatal. Es schadet hunderttausenden Menschen und zwar nicht nur Konsumierenden.

Wir müssten dringend über notwendige Reformen diskutieren. Reformen, mit denen viele andere Länder längst Erfahrungen machen. Auch Frankfurt möchte nun einen Modellversuch starten. Und angesichts dessen, müsste sich auch der Landtag endlich damit befassen. Ich finde, auch Frau Heilig sollte zu uns kommen, sie sollte ihre Absichten schildern und wir sollten es diskutieren.

Genauso wie es in Frankfurt sachlich diskutiert wird, beantragen wir im Landtag ja nicht, schnellstmöglich und unkontrolliert Drogen frei zu geben. Das geht auch gar nicht und ist dumme Stimmungsmache. Vielmehr müssen wir Bedenken und Risiken ernst nehmen. Deshalb soll es in der Anhörung ja auch um Risiken einer Entkriminalisierung gehen. Natürlich gibt es die und natürlich müssen wir uns damit befassen.

Insbesondere für Eltern ist das ein emotionales Thema. Das wissen viele von uns aus eigener Erfahrung.

Aber das Problem ist: Die jetzige Drogenpolitik ist irrational und versagt weitgehend. In Ländern, die entkriminalisiert haben, gibt es ähnliche Nutzer-Zahlen wie bei uns. Prohibition hat keinen nachweislichen Effekt auf die Menge der Konsumenten. Aber Länder ohne Prohibition haben Einfluss auf die Produkte. Sie haben Einfluss auf die Konsumierenden und bieten bessere Aufklärung, Prävention und Hilfe. Sie trocknen den Schwarzmarkt aus. Und sie lassen die medizinische Nutzung für Kranke dort zu, wo sie Kranken hilft, statt zu kriminalisieren.

Weltweit setzen immer mehr Länder auf diesen Ansatz. Sie setzen auf Marktkontrolle, weil es diesen Milliarden schweren Markt defakto gibt. Und sie setzen auf Aufklärung und Angebote für Konsumierende, weil es auch diese defakto Hunderttausendfach gibt. Und weil in immer mehr Ländern bis hinauf in die UNO die Entkriminalisierung inzwischen als besseren Ansatz diskutieren oder sogar längst umsetzen, sollten auch wir uns fragen: Erreichen wir besseren Jugendschutz, bessere Prävention und einen besseren Umgang mit Drogen nicht vielleicht auch besser durch Entkriminalisierung? Viele Experten, viele Verantwortliche, viele Länder sagen eindeutig: ja!

Das ist das Problem vor dem wir stehen. Denn in Deutschland ist die Strafverfolgung zwar laxer geworden, aber sie bleibt Kern der hiesigen Drogenpolitik. Vor Allem die CDU verwahrt sich da jeder Debatte. Dabei gibt es nicht nur immer mehr Argumente und Zahlen, die sie zumindest nachdenklich machen sollten. Von der Polizei und Strafrechtlern über Suchtexperten, Toxikologen, Medizinern und Sozialforschung, bis hin zu Akteuren in der UNO wird endlich Veränderung verlangt. Das sind ja keine Hobbykiffer oder Haschdealer.

Wir haben in unserem Antrag einige der Befürworter einer anderen Drogenpolitik genannt. Das ist z.B. der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der gemeinsam mit Vertretern der EU, der USA, Brasilien, Griechenland, Mexiko usw. usf. dringend ein Ende der Kriminalisierung einfordert. Sie fordern, dass, ich zitiere:

„im Sinne der Menschlichkeit im Kampf gegen Rauschgift die Gesundheit, statt Strafverfolgung im Mittelpunkt steht“

Zu nennen sind natürlich die Hälfte aller Strafrechtsprofessoren in Deutschland, die sich an den Bundestag gewandt haben, um – ich zitiere

"an der widersinnigen Rechtslage etwas zu ändern", die "horrenden Kosten bei der Strafverfolgung in Präventions- und Suchtberatungsprogramme" umzuwidmen und die "Kriminalisierung weiter Teile der Bevölkerung" zu beenden

Zu nennen wären auch der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, oder der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft Wendt. Zumindest Herr Wendt hat mit Links-Liberalismus oder Hasch-Phantasien wohl nicht das Geringste am Hut. Aber auch er stellt die naheliegende Frage, warum tausende Polizisten für eine völlig sinnlose Strafverfolgung eingesetzt werden, bei der nahezu alle Verfahren ohnehin eingestellt werden. Statt das Geld für Prävention zu nutzen, wo es dringend gebraucht würde.

Man muss sich erst recht vorstellen, was ca. 150.000 Cannabis-Verfahren pro Jahr für die Konsumierenden bedeutet? 150.000 Verfahren pro Jahr nur in Deutschland. Herr Böllinger als Initiator der deutschen Strafrechtsprofessoren sagt: Diese Menschen haben niemandem geschadet, außer vielleicht sich selbst. Wobei das schädlichste im Joint ja nicht mal das Grass, sondern der Tabak ist. An Tabak sterben jährlich ca. 100.000 Menschen, aber Tabak ist legal, ab 16! An Cannabis stirbt niemand, weil es nicht giftig ist. Aber wegen Cannabis wird im ganzen Land ein irrsinniger Verbots-Aufwand betrieben. Damit sie mir das jetzt nicht vorwerfen: Auch Cannabis kann Menschen natürlich erheblich schaden, kann zu Missbrauch und Absturz führen.

Worauf auch Herr Böllinger und andere aber völlig zu recht hinweisen, ist der rational nicht erklärbare Umgang mit Alkohol und Tabak einerseits und Cannabis andererseits. Und das Schwierigste: Meistens werden die Verfahren  eingestellt. Das frustriert Polizei und Justiz natürlich und kostet Unmengen Zeit und Geld. Aber noch schlimmer ist, wenn sie an den falschen Richter geraten und das Verfahren nicht eingestellt wird. Für einen Joint können sie den Führerschein verlieren, ohne überhaupt gefahren sein.

Es ist diese Willkür und Irrationalität, die dafür sorgt, dass Cannabis trotz seiner wichtigen Bedeutung in der Medizin bis heute nicht angemessen für die Behandlung von Kranken genutzt werden kann. Man betreibt einen riesigen Aufwand – aber für was? Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass der Konsum weitgehend gleichbleibend ist – egal ob verboten wird oder nicht.

Aber dort wo man nicht verbietet, kann man medizinische Wirkungen nutzen, man kann den Markt kontrollieren, man kann Verbraucher beraten, Jugendliche erreichen und wie es der Staat bei Wein und Tabak zu genüge macht, sogar Steuern einziehen, statt sinnlos Steuern zu verpulvern. Immer mehr Staaten gehen deshalb den Weg staatlicher Kontrolle, statt Verbote. Die Liste dieser Länder ist inzwischen lang und wächst stetig. Zu nennen sind die Niederlande, Portugal, Tschechien, Belgien, Spanien, Schweiz, Uruguay, Chile, Israel, Bolivien und über 20 Bundesstaaten der USA, in denen Cannabis oder Opiate zum medizinischen, kommerziellen oder privaten Gebrauch gekauft, angebaut, besessen oder konsumiert werden dürfen.

Diese Länder trocknen endlich den riesigen Schwarzmarkt aus, sie kontrollieren die Erzeuger und Produkte, sie schöpfen Steuern ab und investieren in Prävention und Jugendschutz. Und der Jugendschutz und Hilfe sind doch das Wichtigste. Besserer Schutz von Minderjährigen vor Tabak, Alkohol und anderen Drogen wird es nur geben, wenn man massiv in Jugendschutz, Aufklärung und Prävention investiert. Und das ist und bleibt tatsächlich ein ernsthaftes Problem. Da ist unser Antrag sehr ernst gemeint. Da muss doch viel mehr passieren, als der Staat im Moment leistet!

Im Bereich chemischer Drogen kommen die Behörden mit ihren Verboten gar nicht hinterher. Die Stoffe und der Markt explodiert geradezu. Dem werden wir nur begegnen, wenn wir endlich ehrlich an das Thema herangehen. Wenn wir jungen Menschen massiv mit Aufklärung, Prävention und Hilfe begegnen. Und wenn die Polizei sich endlich um diejenigen kümmern kann, die Jugendliche massiv an Drogen heranführen.

Erwachsenen und aufgeklärten Menschen kann ich Eigenverantwortung durchaus zumuten. Und ich muss erwarten, dass Erwachsene Hilfe suchen und bekommen, wenn sie sie brauchen. Aber Jugendliche vor Suchtgefahren zu schützen, egal ob Spiel-, Internet- oder Genussmittel, ist eine Aufgabe, bei man vom Staat wesentlich mehr erwarten könnte, als er momentan zu leisten im Stande ist.

Zuletzt gestatten sie mir eine abschließende Bemerkung.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war ein wunderbarer Artikel zu unserem Antrag. Der Autor bemerkte, DIE LINKE verstehe es meisterhaft Anträge zu wichtigen Themen zu stellen, denen die meisten Fraktionen im Landtag eigentlich zustimmen müssten. Aber weil es von der Opposition kommt, bzw. weil es von der LINKEN kommt, werden die Anträge kategorisch und mit allerlei Verrenkungen abgelehnt. Wie ich das finde, sei dahin gestellt. Denn es geht ja nicht um mich. Es geht um Kranke, denen aus überholten Dogmen heraus Medizin vorenthalten wird. Es geht um hunderttausende Strafverfahren, die um nichts und wieder nichts geführt werden. Und es geht um Opfer durch Drogenmissbrauch, denen wir statt Hilfe Bestrafung aufbürden.

Ich kann und muss akzeptieren, wenn die CDU aufgrund meiner Meinung nach falschen Argumenten zu falschen Überzeugungen kommt. Aber dass FDP und Grüne kategorisch gegen gute Argumente und eigene Überzeugungen stimmen, macht Politik unglaubwürdig. Es ist schwer erklärbar, warum die Grünen mit uns im Bundestag für die Entkriminalisierung eintreten, in Frankfurt zaghafte Versuche in diese Richtung unternehmen, aber im Landtag vom Koalitionszwang bestimmt werden.

Ich denke, es täte gut, die Sache und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Wir sollten die vielen guten Argumente und berechtigte Erwartungen an Politik aufgreifen.

Deshalb bitte ich um Zustimmung.