140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Zum Entwurf: Änderung des Hessischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (SPD)

Rede von Marjana Schott zum Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (SPD) Drucksache 19/2184

Am 22.07.15 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

jeder zehnte Mensch in Hessen hat eine anerkannte Behinderung. Das ist Grund genug, die Politik für Menschen mit Behinderungen immer wieder zu überprüfen und festzustellen, ob sie noch dem Stand der Dinge entspricht. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein weiterer guter Grund die Politik für Menschen mit Beeinträchtigungen gründlich zu überarbeiten und in einigen Bereichen zu revidieren. Es ist ungefähr drei Monate her, dass der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen seine abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands gemacht hat. Der Ausschuss der Vereinten Nationen sah auch vier positive Aspekte, diese ließen sich in einem Satz zusammenfassen. Die Hauptproblembereiche und Empfehlungen machten in Kurzform dagegen zehn Seiten aus.

Hierbei gibt es eine Reihe von Empfehlungen, die die Länder und Kommunalparlamente betreffen. Es ist erforderlich, diese Empfehlungen von Seiten der Landesregierung Punkt für Punkt durchzugehen und festzustellen, an welchen Stellen es Handlungsbedarf gibt.

Ich will nur einige wenige Stellen nennen, an welchen dieser Bedarf deutlich wird. Der UN-Ausschuss fordert, dass alle einschlägigen Rechtsvorschriften von einem unabhängigen Expertengremium geprüft und entsprechend dem Übereinkommen harmonisiert werden sollen. Der Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung muss als umfassendes Recht entwickelt werden, dazu sollen Daten zur Rechtsprechung gesammelt werden. Es wird gefordert Programme für Frauen und Mädchen mit Behinderungen, insbesondere Migrantinnen und weibliche Flüchtlinge durchführen. Die Länder und Kommunen sollen gezielte, wirksame Maßnahmen verabschieden, um die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen in allen Sektoren und Lebensreichen, einschließlich des Privatsektors zu gewährleisten. Es wird dem Bund und den Ländern aufgegeben, Zwangsunterbringung durch Rechtsänderungen zu verbieten sowie einen inklusiven, mit dem Übereinkommen in Einklang stehenden Arbeitsmarkt zu schaffen.

Die SPD hat in ihrem Gesetzesantrag einige Forderungen des Ausschusses aufgegriffen. Der Behindertenbegriff wurde neu gefasst, wobei ich empfehlen würde, die Definition von Behinderung an das Sozialgesetzbuch 9 anzulehnen, damit der Rechtsbegriff langfristig nicht unterschiedlich ausgelegt werden kann. Die selbstbestimmte Wahl eines Wohnsitzes oder der Wohnform – eine Selbstverständlichkeit – ist wichtig im Gesetz zu verankern. Die Einrichtung von Behindertenbeiräten und Beauftragten auf der kommunalen Ebene sollte verpflichtend sein, wobei wir hier sehr schnell an die Grenzen der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden, Städte und Landkreise stoßen. Diejenigen, die bisher keine solchen Institutionen haben, machen dies – ich unterstelle dies mal – nicht aus Bosheit. Sondern weil nicht nur die Einrichtung auch ehrenamtlicher Strukturen Geld kostet, viel größer ist das Problem, die Maßnahmen zu finanzieren, die der Behindertenbeirat anschließend vorschlägt. Wie sehen vor Ort durchaus die Tendenz, die Bauordnung recht großzügig auszulegen. Da wird schnell ein Stadtteilzentrum als gewerblich eingestuft oder mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand argumentiert, um einen behindertengerechten Ausbau nicht zu veranlassen. Hier wäre eine sachgerechte Ausstattung der Kommunen erforderlich, damit diese den Anforderungen der Barrierefreiheit nachkommen können, sehr geehrte Damen und Herren.

Der Landesbeirat soll schließlich ins Gesetz aufgenommen statt die Beteiligung von Verbänden „nur“ durch die Landesbeauftragte zu gewährleisten. Das Gremium soll auf Spitzenverbände, Wirtschaft, Gewerkschaften und Liga ausgeweitet werden. Hier werde ich genau zuhören, was die Verbände und Selbsthilfeorganisationen von Menschen mit Behinderungen in der Anhörung zu sagen haben.

In dem Antrag der SPD fehlen viele von den Vereinten Nationen angesprochene Themen, insbesondere fehlt in dem ganzen Gleichstellungsgesetz die Beteiligung von Menschen am Arbeitsprozess. Es ist aber doch so, dass die soziale Stellung einer Person wesentlich durch ihren Beruf bestimmt. Deshalb ist die Teilhabe am Arbeitsleben das wichtigste Mittel zur Gleichstellung von behinderten Personen. Die Berufstätigkeit schafft nicht nur eine wirtschaftliche Lebensgrundlage für die Person, sondern sie eröffnet auch den Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und bietet der Persönlichkeitsentwicklung das erforderliche Handlungsfeld. Nicht zuletzt ist die Berufstätigkeit auch eine wichtige Gelegenheit, Kontakte zu anderen Menschen herzustellen und zu pflegen.

Es wäre notwendig zu überprüfen, inwiefern kann bei der behinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Beschäftigungssicherung verbessert werden, wie können Arbeitslose mit einer Behinderung in den Arbeitsmarkt wieder eingegliedert werden. Aber auch, wie kann man diejenigen unterstützen, die vorzeitig aus dem Arbeitsleben aufgrund ihrer Behinderung ausgeschieden sind, wie können sie eine sinnvolle Beschäftigung mit einer Zuverdienstmöglichkeit finden. Und schließlich ist dabei zu überprüfen, wie die Teilhabe der nicht oder eingeschränkt erwerbsfähigen Behinderten in Formen der sozial organisierten Arbeit wie Werkstätten oder Integrationsfirmen gesichert werden kann.

Somit wäre unseres Erachtens eine grundlegende Überarbeitung von Gesetz und Aktionsplan erforderlich.