140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede zur Änderung der Hessischen Jagdverordnung

Rede von Marjana Schott am 23. September 2015 im Hessischen Landtag
(Dr. 19/2421)

Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

eigentlich sollte es mir ein Vergnügen sein, eine Errungenschaft der Revolution von 1848 zu verteidigen, ich hab mit diesem Vergnügen aber erhebliche Probleme.

Die Jagd wurde über Jahrtausende ständig weiterentwickelt und den jeweils gegebenen gesellschaftlichen Anforderungen angepasst.

Heute gibt es zahlreiche Ansprüche einer Gesellschaft, die auf engstem Raum gleichzeitig erfüllt werden sollen: Wohnraum, Mobilität, Ernährung, Energie und Freizeitaktivitäten. Unser moderner Lebensstil prägt auch das Vorkommen von Wildtieren: Ihr Lebensraum geht verloren, Straßen zerschneiden den übrig gebliebenen Wald, Tiere werden auf Straßen totgefahren. Freizeitaktivitäten verursachen immer mehr Störungen von Wildtieren.

Auch für den Menschen kann das Vorkommen von Wildtieren Folgen haben. Rehe, Rothirsche und Wildschweine können auf Feldern und in Wäldern enorme Schäden verursachen.

Bei einem ständig wachsenden Teil der Bevölkerung hat sich eine zunehmend kritische Haltung zur Jagd entwickelt. Diese kritische Haltung ist nicht immer von vertiefter Sachkenntnis geprägt.

Dem gegenüber steht eine ebenso wenig homogene Jägerschaft, die sich einerseits aus engagierten Naturschützern und andererseits aus Menschen, die Spaß am Jagen, sprich am Töten von Tieren haben und dazwischen gibt es jeweils die gesamten Bandbreite. Die einen verteidigen den Tierschutz, die anderen ihr Recht auf Jagd.

Landwirte haben wiederum das Interesse, dass ihre Aussaat nicht einzig der Fütterung von Wildtieren - egal ob Schweinen oder Gänsen - dient.

In der öffentlichen Diskussion stehen verwüstete Vorgärten, Friedhöfe und Fußballfelder den Jagdunfällen gegenüber.

In einer modernen Gesellschaft, in der Tierschutz Verfassungsrecht ist, darf Jagd nicht Selbstzweck sein. Die Jagd hat einen Ausgleich herbeizuführen zwischen allen Interessen, die ich oben aufgeführt habe.

Deshalb ist es gut und richtig, dass nach der neuen Verordnung zur Beobachtung der Bestands- und Besatzdichten einzelner Wildarten und ihrer Entwicklung einheitliche Monitoringverfahren bestimmt werden sollen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. In diese Verfahren sollten selbstverständlich auch Natur- und Tierschutzorganisationen einbezogen werden. Es ist wichtig zu erfahren, wie sich die Bejagung auf die Tierbestände der einzelnen Tierarten auswirkt und ob und wo die Bejagung sinnvoll und notwendig ist.

Die konventionelle Jagd sieht ihre heutige Funktion in der nachhaltigen Hege und Pflege des Waldes und eine naturnahe Nutzung des Wildbestandes für den Menschen. Außerdem reguliere die Jagd die Zahl des Wildes und leiste so ihren Beitrag zum Schutz des Waldes vor Verbiss.

Jagdgegner sehen dies als Heuchelei, da durch Zufütterung der Wildbestand extra hoch gehalten werde, um ein Argument für die Jagd parat zu haben.
Die Jäger sagen: Wildschweine müssen massiv bejagt werden. Die Tierschützer sagen: Je mehr Wildschweine abgeschossen werden, desto stärker vermehren sie sich.

Und selbst eine Jägerzeitschrift WILD UND HUND im Editorial 9/2014  fragt: »Sind die Jäger überhaupt in der Lage, die Schwarzkittel dauerhaft zu regulieren? Und gibt auch gleich die Antwort: »Insgesamt haben jedoch alle Bemühungen der vergangenen Jahre keinen Erfolg gebracht. Die Sauen vermehren sich unaufhaltsam weiter.«

Um diesen Konflikt zu entschärfen, brauchen wir eine bessere gesellschaftliche Legitimation der Jagd.

Wir wollen, dass die Jagd nur dort, wo sie wirklich notwendig und sinnvoll ist in einem Maß, das im Interesse des Gemeinwohls steht und ausschließlich von gut ausgebildeten Jägern ausgeübt wird. Dass nur die Tierarten bejagt werden dürfen, deren Bejagung in einer bestimmten Region nach ökologischen wissenschaftlichen Kriterien notwendig ist. Nicht als Hobby und zum Spaß. Denn die Tiere sterben im Ernst.

Das heißt aber auch, dass dort, wo es als notwendig erkannt wird, zum Beispiel bei den Graugänsen, das Beantragen und Erteilen einer Ausnahmegenehmigung nicht so lange dauern darf, dass Felder abgefressen sind, bis die Genehmigung erteilt ist.

Was die Liste der jagdbaren Arten angeht: Tierschützer fordern zu Recht eine strenge Einhaltung des Tierschutzgesetzes und damit, dass für das Töten eines Tieres ein „vernünftiger Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes belegt werden muss. Vernünftig ist ein Grund, der triftig, einsichtig sowie von einem schutzwürdigen Interesse getragen ist und unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse an der Unversehrtheit und am Wohlbefinden des Tieres.

Trotz Jagd sind die Schalenwildbestände – Rehe, Hirsche, Wildschweine – vielerorts historisch hoch. Die Ursachen dafür müssen ebenso sachlich diskutiert werden wie wildbiologisch begründete Maßnahmen zur Lösung des Problems, das mit hohen Schäden für die Landwirtschaft und Forstwirtschaft einher geht. Dabei kann eine Jagd nur ein Baustein in einer vielfältigen Strategie sein.

Für die Linke ist es untragbar, dass die Fallenjagd weiter möglich sein soll. Wir lehnen die Fallenjagd mit Totschlagfallen konsequent ab. In Totschlagfallen tappen und sterben immer wieder artgeschützte Tiere oder Hauskatzen.

 Aber auch die Lebendfallen sind hochproblematisch. Auch mit diesen werden Tiere gefangen, die nicht gefangen werden dürfen. Es kommt regelmäßig zu Verletzungen von Tieren durch Fehlfunktion oder Fehlbedienung der Fallen und es sterben immer wieder  - auch bei sachgemäßer Anwendung der Geräte – artgeschützte Tiere und Hauskatzen durch den extremen Stress. Diese Fallen sollten – wenn überhaupt – nur noch im Einzelfall zulässig sein in Absprache mit der zuständigen Naturschutzbehörde. Wir folgen hier der Forderung, die bereits der Tierschutzbeirat des Landes Hessen ausgesprochen hat.

Wie gesagt: DIE LINKE will keine Jagd als elitäres Vergnügen betuchter, älterer Herren. Und ich persönlich würde an so etwas schon gar nicht teilnehmen. Ich möchte daher an dieser Stelle auf die schön gestaltete Einladung zur Gesellschaftsjagd von unserem Ministerpräsidenten Volker Bouffier antworten: Nein danke!

Denn ich empfinde das Töten von Tieren höchstens als notwendiges Übel und nicht als freudige Veranstaltung, da Hilft auch eine Spende ans Müttergenesungswerk nix.