140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Zur Umsetzung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes

Rede Marjana Schott zum Fünften Bericht der Landesregierung an den Hessischen Landtag zur Umsetzung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes
Drucksache 19/2330

Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein solcher Bericht macht sicher eine Menge Arbeit. Vielen Dank dafür bei allen Beteiligten. Er scheint auch eine Menge Abstimmungsbedarf zu verursachen, bis er dem Parlament vorgelegt werden kann. Jetzt wissen wir, wie es mit der Beteiligung von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst in Hessen bis 2012 war. Das ist aber schon etwas her. Ich frage die Landesregierung, ob es nicht schneller möglich wäre, den Landtag zu informieren? Welche Schlüsse sollen wir denn aus den Zahlen und Daten ziehen? Wenn wir der Landesregierung Aufträge geben wollen - mal abgesehen davon, dass sie sie von uns auch nicht annehmen würde, selbst wenn sie genial wären - hieße es doch immer, das machen wir schon, das hat sich weiterentwickelt, da sind wir auf einem guten Weg, etc. Wir können nur von Glück sagen, dass die Vorlage der Regierung für die Revision des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes so lange gedauert hat, dass der Bericht noch vorher zur Kenntnis genommen werden kann.

Auch wenn Sie jetzt nicht gelacht haben, das war ein Scherz, allerdings ein bitterer. Aufgrund der Verzögerungen ist es notwendig auch dieses Gesetz, wir erleben es auch bei den Änderungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch, im Schweinsgalopp durch die Gremien zu peitschen. Dabei weiß man doch, dass Zeit ein wichtiger Faktor für Demokratie ist. Aber wahrscheinlich ist diese nicht gewollt.

Bericht beantwortet die Fragen nicht

Aber nun konkret zu dem Bericht der Landesregierung.

Der öffentliche Dienst bietet viele Arbeitsplätze, die für Frauen interessant sind, somit ist der Frauenanteil höher als der Männeranteil. Damit hört aber auch die stärkere Frauenbeteiligung schon auf.

Wenn wir uns die Beamtinnen und Beamten ansehen, dies sind 72 % der Beschäftigten, der Frauenanteil ist allerdings geringer als ihr Anteil an der Mitarbeiterschaft. Diese Zahl muss auf dem Hintergrund des hohen Anteils von Teilzeitbeamtinnen relativiert werden.

Schauen wir auf die Auszubildenden: Obwohl mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst arbeiten, wurden weniger Ausbildungsplätze angeboten. Das ist an sich schon ein Skandal. Besonders sinkt aber der Anteil der Frauen in der Ausbildung, besonders bei den Beamten im gehobenen Dienst.

Interessant wäre zu erfahren, warum dies so ist. Bewerben sich weniger junge Frauen als früher? Wie ist das mit den Beamtenstellen, kommen dafür weniger Frauen in Frage? Das wären die Fragen, die ein Gleichstellungs-, oh pardon, es heißt ja Gleichberechtigungsbericht, beantworten sollte. Nur dann können wir sehen, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um wirklich eine Gleichstellung zu erhalten.

Frauen in höheren Gehaltsstufen unterrepräsentiert

Interessant ist weiterhin, in welchen Gehaltsstufen Frauen arbeiten. Schauen wir uns die B-Besoldung an, also dort wo es um Geld und Bedeutung geht. Da gibt es die, laut Bericht, die positive Entwicklung von einem Frauenanteil von 14,8 % auf einen von 18,4 % innerhalb von fünf Jahren. Da hat sich aber nur in einer Besoldungsgruppe etwas getan, in der fünf neue Stellen geschaffen wurden. Das ist zwar ein kleines bisschen besser als vorher. Aber wahrlich kein Erfolg. Da fällt mir nur der Spruch ein, der als Motto für den Bericht gelten kann: der Fortschritt ist eine Schnecke.

Exemplarisch will ich dies an zwei Bereichen aufzeigen. Das eine ist der richterliche und der staatsanwaltschaftliche Dienst. Dort gibt es zwar Steigerungsraten, was die Frauenbeschäftigung betrifft. Diese finden weitgehend bei den Sozial- und Arbeitsgerichten statt, aber nicht bei den Finanzgerichten. Sind keine Frauen bereit an diese Gerichte zu gehen? Oder liegt dies an den Strukturen, dass sie keine Frauen nehmen wollen? Das sind Fragen an den Bericht, die ich nicht beantwortet finde. Wenn man sich die Zahlen aber genau ansieht, wird man auch hier erkennen, dass für die Beamtinnen mit der Gleichstellung noch lange dauern wird. Wenn es im aktuellen Schneckentempo geht, wird es sage und schreibe 27 Jahre dauern bis tatsächlich eine paritätische Verteilung vorhanden ist. Wenn man sich die Besoldungsgruppen ansieht, wird die Spreizung besonders deutlich. In den drei höchsten Besoldungsgruppen gibt es überhaupt keine Richterin, in der niedrigsten Besoldungsgruppe fast 50%.

Besonders weit zurück: an den Hochschulen

Ein zweites Feld möchte ich exemplarisch herausnehmen. Das sind die Hochschulen.

21,9 % der Professuren haben in Hessen Frauen inne. Trotz Förderung gab es zwischen 2009 und 2012 nur eine Steigerung um 2 %. Eine Untersuchung der Europäischen Union hat mal einen Vergleich hergestellt. Dabei waren 53 % der Professuren in Finnland, 49 % in Litauen, 44 % in Schweden und 41 % in Polen von Frauen besetzt. Ich könnte Sie mit dieser Liste noch länger quälen, da Deutschland mit 25 % auf dem vorletzten Platz vor Malta liegt. Wie erwähnt, Hessen liegt mit 21,9% noch hinter Malta. Wenn der Frauenanteil jedes Jahr um ein halbes Prozent steigt, wie es in den vergangenen Jahren war, dann werden wir alle hier im Saal die Parität bei den Hochschulprofessuren nicht mehr erleben dürfen.

Viele Frauen sind teilzeitbeschäftigt

Für Schulterklopfen ist es viel zu früh. Es gibt viel zu tun, bevor wir eine Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst haben und dass, obwohl so viele Frauen hier arbeiten.

Auffallend ist der hohe Anteil von Frauen bei den Teilzeitbeschäftigten, der weiter steigt. 87 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Dies zeigt das große Interesse zu arbeiten und trotzdem noch Mensch zu bleiben, das heißt, sich um die Familie, Freund_innen und andere Dinge zu kümmern. Es ist allerdings wenig frauen- und wenig mitarbeiterfreundlich, wenn Elternzeiten weitgehend durch innerorganisatorische Maßnahmen ausgeglichen werden. Dies führt zu weiterer Arbeitsverdichtung und Erhöhung des Arbeitsstresses. Der Hessische Rundfunk weicht als einziger von dieser Regel ab. Die befristete Einstellung von Ausbildungsabsolvent_innen ist meines Erachtens ebenfalls keine beispielgebende Lösung. Eine frauen- und familienfreundliche Verwaltung kann nur dann realisiert werden, wenn die Arbeitsverdichtung zurückgeht und Mitarbeiter_innen nicht weiterhin unter massivem Zeit- und Vorgesetzendruck stehen. 

Arbeitszeitverkürzung für alle

Sollten wir nicht stärker darauf setzen, Arbeitszeitverkürzung für alle anzubieten? Dann hätte sich auch das Problem erledigt, dass Teilzeitkräfte größere Hürden überwinden müssen, um in Führungsfunktionen zu kommen. Arbeitszeitverkürzung für alle heißt: keine 41 Stunden Woche sondern mit großen Schritten auf eine 30 Stunden Woche zugehend. Mit einem vollen Personalausgleich könnten auch mehr Menschen im öffentlichen Dienst ihren Arbeitsplatz finden, dieser kann eine wichtige Funktion zum Abbau von Arbeitslosigkeit ausführen. Ich weiß, Sie kommen jetzt und sagen, das ist utopisch, es ist kein Geld da. Und ich sage Ihnen, in diesem Land ist genug Geld vorhanden, wenn wir nur einmal bewusst die 10 Billionen Euro Privatvermögen wahrnehmen, die zu drei Viertel in der Hand von 10% der Bevölkerung sind. Mit der Schuldenbremse sollte eigentlich die Einnahmesituation verbessert werden. Da ist aber nichts geschehen. Im Gegenteil.

Der öffentliche Dienst sollte eine Vorreiterrolle einnehmen. Bei der Gleichstellung von Frauen und die Entwicklung familienfreundlicher Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen ist die Schnecke des Fortschritts am Horizont noch nicht sichtbar.