140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

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Reden

Wissen können, aber nicht wissen wollen: Kosten und Nuklearrückstellungen für den Rückbau des AKWs Biblis

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

die Hessische Umweltministerin Priska Hinz vertritt die Ansicht, dass die Kosten für den Rückbau des AKWs Biblis (Zitat)

„für die atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde nicht von Bedeutung“ sind.

Wie aus Ihrer Antwort – Frau Ministerin – auf die Große Anfrage der SPD zu entnehmen ist , kennen Sie die Höhe der Kosten für den Rückbau des AKWs Biblis sowie der Nuklearrückstellungen auch nicht, weil RWE sie Ihnen nicht mitgeteilt hat.
Dennoch gehen Sie davon aus, dass die Rückstellungen - deren Höhe Sie nicht kennen – für einen „ordnungsgemäßen Rückbau“ - dessen Kosten sie ebenfalls nicht kennen - ausreichen werden.

Das ist starker Tobak, Frau Ministerin!

Das scheinheilige ‚Angebot‘ der Energieversorger RWE, E.ON und EnBW, die restlichen Atomkraftwerke inklusive des Kostenrisikos für den Rückbau und der Lagerung des Atommülls in einer „Bad Bank“ zu entsorgen, ist doch mehr als ein deutlicher Hinweis, dass die Atomkonzerne selbst nicht glauben, dass ihre Rückstellungen in Gänze reichen werden.

Im Umweltausschuss am 5. Mai dieses Jahres fügten Sie (Frau Ministerin) hinzu, dass es ihnen „wurscht“ sei, wie viel der Rückbau des Atomkraftwerks in Biblis kosten würde, solange RWE das übernehme

Entweder sind Sie naiv – was ich nicht glauben möchte - oder Sie haben bereits akzeptiert, dass die AKW-Betreiber das teure Ende der Atomstromära den Steuerzahlern überlassen wollen. Das wäre gegen das Verursacherprinzip und darüber hinaus eine riesen Sauerei.

Frau Ministerin Hinz: auch wir gehen davon aus, dass die Nuklearrückstellungen von RWE für den Rückbau von Biblis ausreichen werden. Es ist ja auch die erste Anlage von RWE. Mit Gundremmingen (Bayern), Lingen (Niedersachsen), und Mülheim-Kärlich (Rheinland-Pfalz), werden noch drei weitere Atomanlagen folgen. Ob die Rückstellungen für alle 4 Anlagen ausreichen werden, ist ungewiss.

Aber das ist ihnen ja (Zitat) „wurscht“ so lange RWE in Hessen zahlt.
Nach Auskunft der Bundesregierung beträgt die Höhe der Nuklearrückstellungen insgesamt circa 36 Milliarden Euro.  (Stand 31.12.2013) Nach dem geltenden Verursacherprinzip liegt nicht nur die Verantwortung für den sicheren Auslaufbetrieb, Rückbau und Zwischenlagerung bei den Energieversorgungsunternehmen, sondern auch die Kostenverantwortung. Ob und wie diese Verantwortung ausgeübt wird, muss kontrolliert werden – meine Damen und Herren. Das ist die Aufgabe der Regierungen, Behörden und Parlamente.

Wie auch vom Bundesrechnungshof angemahnt, muss es eine unabhängige Überprüfung geben, ob die Höhe der Rückstellungen ausreichen könnte. Die gibt es nicht. Weder für Biblis und schon gar nicht für alle AKWs. Wir denken – und deshalb haben wir auch den vorliegenden Antrag eingebracht, dass es auch im Verantwortungsbereich der Hessischen Landesregierung liegt, hier für Transparenz zu sorgen.

Es ist die Pflicht der Aufsicht führenden Behörden, möglichst schnell zu möglichst detaillierten Kostenschätzungen für den Rückbau jedes einzelnen AKWs zu gelangen. Nur so kann der Gesetzgeber reagieren und die Atomkonzerne gegebenenfalls zu höheren Rückstellungen verpflichten.

Es ist schon aberwitzig, eine Grüne Ministerin darauf hinweisen zu müssen.

Für RWE gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, Auskunft über ihre Kostenkalkulation des Rückbaus zu geben. Das Atom- und Strahlenschutzrecht ist an dieser, wie an vielen anderen Stellen fehlerhaft - oder anders ausgedrückt - atomfreundlich gehalten.

Es ist aber komplett inakzeptabel, dass sich die Grüne Ministerin mit Nichtinformationen einfach zufrieden gibt. Das kann Ihnen doch wirklich nicht „wurscht“ sein, Frau Ministerin Hinz.
Eine solche Haltung, wie Sie sie zu dieser Frage an den Tag legen, waren wir bis dato nur von FDP-geführten Ministerien gewohnt.

Im Zuge des Genehmigungsverfahrens kann das Hessische Umweltministerium eine Kalkulation der Kosten für den Rückbau der beiden Reaktorblöcke in Auftrag geben. Die Kosten für ein solches Gutachten können RWE nach der Atomrechtlichen Kostenverordnung in Rechnung gestellt werden. Auch das ist der anfangs zitierten Anfrage zu entnehmen.
Warum möchten Sie, Frau Ministerin, diesen Weg nicht gehen?

Kosten der Lagerung
Die Kosten für die Lagerung des Atommülls sind weitaus problematischer.
Sie sind sogenannte Ewigkeitskosten und nahezu unkalkulierbar. Ich würde mich hier lächerlich machen, wenn ich eine Kostenabschätzung für die nächsten 1000 oder 10.000 Jahre anmahnen würde. Aber genau solche Überlegungen verdeutlichen die absurden Dimensionen des Umgangs mit den atomaren Hinterlassenschaften. Windräder – meine Damen und Herrn - kann man in nur wenigen Tagen nahezu rückstandsfrei abbauen.

Die Fachleute sind sich einig, dass das Kostenrisiko für Atomkonzerne sowie der Allgemeinheit, vor allem bei der Lagerung des Atommülls liegt. Die Allgemeinheit wird bereits in absehbarer Zukunft die Kosten für die atomaren Altlasten zahlen müssen, so wie bereits jetzt für die Sanierungsfälle Asse und Morsleben. Und darum geht es – meine Damen und Herren. Wir brauchen eine begründete Abschätzung der Kosten für die Lagerung von schwachen, mittelstarken und hochradioaktiven Abfällen für einen Zeitraum von 100 oder vielleicht 150 Jahren und Szenarien, wie wir diese Mittel sichern können. Mehr ist jetzt nicht realistisch. Den großen Rest müssen wir leider zukünftigen Generationen überantworten.

Höhe der Rückstellungen
Die 36 Milliarden Euro Nuklearrückstellungen sind in die Handelsbilanzen der Energieversorger eingestellt. Das bedeutet aber nicht, dass das Geld auch jederzeit verfügbar ist oder bleibt.
Die bisherige Praxis der Rückstellungsbildung ist mit zwei grundlegenden Problemen behaftet. Erstens haben die steuerfreien Rückstellungen den Betreibern wettbewerbsverzerrende Vorteile verschafft. Nach konservativen Schätzungen lagen diese Vorteile in den vergangenen Jahrzehnten bei über 50 Mrd. Euro.
Zweitens können die Rückstellungen, im Falle einer Insolvenz der Atomkraftwerksbetreiber, ganz oder teilweise ausfallen.

Das Ausfallrisiko ist sehr real – meine Damen und Herren. Als 1988 der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor in Hamm-Uentrop nach kurzem Betrieb stillgelegt wurde, stand die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betreibergesellschaft in Frage. Die Kosten der Stilllegung fielen in unerwarteter Höhe der öffentlichen Hand zu.

Die Atomkatastrophe in Japan macht deutlich, wie schnell ein großer Energiekonzern durch einen nuklearen Unfall in den Ruin geraten kann. Bereits wenige Tage nach Beginn der Atomkatastrophe musste der japanische AKW-Betreiber Tepco bei Banken um Notkredite anfragen. Rund zwei Monate nach Beginn der Katastrophe gab die japanische Regierung bekannt, Tepco mithilfe eines staatlichen Rettungsfonds in Höhe von 43 Milliarden Euro vor dem finanziellen Zusammenbruch bewahren zu wollen.

Die Sicherung der Nuklearrückstellungn ist zwingend. Im April 2011 hat DIE LINKE im Bundestag eine Initiative zur „Überführung der Rückstellungen der AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds“ gestartet . Gut eineinhalb Monate später hat dann auch die GRÜNE Bundestagsfraktion einen Antrag mit gleicher Intention eingebracht.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: DIE LINKE lehnt den Vorschlag der AKW-Betreiber, über die Einrichtung einer Band Bank das ganze Kostenrisiko für Rückbau und Endlagerung auf den Staat und die Allgemeinheit zu übertragen, ab.

Das macht auch der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier. Aber Achtung! Weit vor Erscheinen des Spiegel-Artikels im Mai gab es wieder einmal Berliner Hinterzimmergespräche mit der Energielobby- diesmal war auch die SPD beteiligt. Anfangs von der Bundesregierrung geleugnet, musste die Staatssekretärin Iris Gleicke einräumen, dass sich Vertreter_innen der Bundesregierung, unter ihnen die Bundesminister Gabriel, Hendricks und Altmaier, bereits am 12. Februar mit E.ON-Chef Johannes Teyssen und RWE-Vorstandsvorsitzenden Peter Terium getroffen haben. In dem Gespräch sei es auch um Überlegungen zur Gründung einer Stiftung für Kernkraftwerke unter Beteiligung des Bundes gegangen.  Weitere Gespräche folgten.

Das erinnert sehr an die undemokratischen und im Nachhinein sehr teuren Geheimabsprachen zur Laufzeitverlängerung und Brennelementesteuer.

Die Atomkonzerne dürfen nicht mit Steuergeschenken aus der Verantwortung entlassen werden. Es darf diesmal keine geheimen Zusatzprotokolle und Hintertürchen geben. Ein solches Signal erwarten wir auch von der schwarz-grünen Hessischen Landesregierung.

Frau Ministerin Hinz: Nehmen Sie ihre Verantwortung für den Rückbau des AKW Biblis wahr, sorgen sie für Transparenz der Kosten bei Rückbau und Lagerung des Atommülls und machen Sie sich nicht zum Büttel von RWE!


Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.