140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede zum Antrag der FDP "Hessen-Forst muss Willen der Kommunen beachten"

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ja, Hessen-Forst muss bei der Entwicklung der Windkraft mit den Kommunen enger zusammenarbeiten. Hessen-Forst sollte Partner und Dienstleister der Kommunen sein. Die Akzeptanz der Kommunen für eine dezentrale Stromerzeugung mit Windkraftanlagen steigt erheblich, wenn sie über den ökologischen Nutzen hinaus auch noch ökonomisch profitieren. Seit dem hessischen Energiegipfel werben wir dafür, die Entwicklung der Windkraft in Hessen in die Hände der Bürger und Kommunen zu legen und ihnen dafür Waldflächen pachtfrei zu überlassen.
Wenn ich den FDP-Antrag wohlwollend auslege, kann ich diesen Punkt darin ansatzweise wieder finden. Darüber hinaus schlägt mir eine krude Mischung aus emotionalisierender Natursemantik, neu entdeckter Bürgernähe und ökologischem Halbwissen entgegen.
Ich kenne nicht eine Äußerung der FDP, in der sie problematisiert hätte, wie viel tausend Tonnen Stahlbeton unsere besten Auenböden versiegeln, weil sich ein Atom- oder Kohlekraftwerk darauf befindet.

Dass der Wald (Zitat) “für viele Bürgerinnen und Bürger Erholungs- und Naturraum“ ist, wie es die FDP in ihrem Antrag formuliert1, hat sie beim Bau des Frankfurter Flughafens nie interessiert. Auch das (Zitat) „viele Bürgerinnen und Bürger […] von den Ausmaßen der Eingriffe in ihrem Wald schockiert“ seien, hat die hessische FDP bei den Rodungsarbeiten zur Nordwestbahn, dem Terminal drei oder der Autobahn 44 völlig kalt gelassen. Und jetzt soll der Landtag feststellen, dass (Zitat) „Windkraftanlagen im Wald die Bindung der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Wald stören und der Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen massiv beeinträchtigt wird“,

Sie haben in Ihrem Antrag die Molche vergessen. Werden diese nicht auch durch Windkraftanlagen massiv gestört? Endschuldigen Sie bitte, aber eine gefühlte halbe Ewigkeit mussten wir die Ausflüsse der kruden Wachstumspolitik von FDP und CDU erdulden, da kann man bei so einem Antrag schon mal etwas sarkastisch werden.

Die Argumentationen der ehemaligen Wirtschaftsminister Posch und Rentsch sind uns noch in schlechter Erinnerung: Ob A 49, A 44, der Ausbau des Frankfurter Flughafens, die Rhöntrasse (B 87 n) oder der Flughafen Kassel-Calden: Das Markenzeichen der hessischen FDP-Fraktion war immer die Wachstumslogik in ihren Köpfen als Beton in die Landschaft zu bringen. Das stand für Fortschritt und als Garant für die Steigerung des Bruttosozialprodukts. Kein Beton – kein Wirtschaftswachstum. Und dabei waren Ihnen die Gefühle der Menschen für „ihren Wald“ oder ein „massiver Eingriff in das Ökosystem des Waldes“ völlig wurscht.

Wir können es kaum glauben, dass Stahlbeton als Entwicklungsmodell der FDP in Hessen ausgedient haben soll. Die hessische FDP bürgernah in der Rolle des Wald-Verstehers und Naturraumschützers ? Das ist neu – und das ist unglaublich.

Das nimmt Ihnen niemand ab, meine Herren von der FDP. Als Öko-FDP sind DIE GRÜNEN wesentlich besser. Schon lange bemühen sich DIE GRÜNEN um die „radikale bürgerliche Mitte“, wie der ehemalige Frankfurter Stadtrat Lutz Sikorski es formuliert hatte. „Wir sollten die liberale Partei in Deutschland sein…“ hat Minister Tarek Al-Wazir erst Anfang dieses Monats der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zum Besten gegeben. Sein bayrischer Kollege Dieter Janecek ergänzte: „Die Grünen sollten den Abgang der FDP nutzen, um endlich konsequent für echten Wettbewerb einzutreten und dem Staatsdirigismus der Großen Koalition Einhalt zu gebieten.“ Schön, dass das endlich mal jemand von den Grünen sagt, dass sie die besseren Neoliberalen sind.

Was die Pseudoökologen der FDP nicht verstanden haben, ist, dass der Einsatz Erneuerbarer Energien - gleich nach dem Einsparen von Energie - der beste Naturschutz ist. Was die FDP hingegen verstanden hat, ist, dass Offshore-Windkraftanlagen aufgrund der höheren Vergütungen die lohnendere Anlageform für große Kapitalinvestoren sind. Dafür war Philipp Rösler (FDP) – der war mal Wirtschaftsminister – verantwortlich. Darüber hinaus liegen die Investitionen für Offshore-Windparks in Größenordnungen, die bürgernah nicht mehr zu stemmen sind.

So kennen wir die FDP: Es war schon immer ihr Anliegen, Windkraftanlagen im Binnenland zu verhindern und Anlagemöglichkeiten im Offshorebereich für Großinvestoren zu fördern. Dass Sie damit auch die Strompreise nach oben treiben, weil Offshore-Strom fast doppelt so teuer ist wie über Land erzeugter Strom, nehmen Sie billigend in Kauf. In diesem Punkt sind Sie sich auch im vorliegenden Antrag treu geblieben.
Die Einführung und Durchsetzung jeder neuen Technologie polarisiert zwangsläufig. Gewohntes verändert sich, Gewohnheiten erfahren Einschränkungen. Das ist ein optimaler Nährboden für hoch emotionalisierte Debatten. Da muss man nicht noch zündeln, das Thema und die aufgewühlten Gemüter instrumentalisieren, auch nicht, wenn man gegen die politische Bedeutungslosigkeit ankämpft.

In Naturschutzverbänden, Parteien, Kommunalparlamenten (usw.) gibt es derzeit Auseinandersetzungen um die Standorte von Windkraftanlagen in Hessen. Die Menschen sind nicht prinzipiell gegen Windkraft, sie wollen die Anlagen aber nicht in Sichtweite, nicht in „ihrem Wald“. Die inhaltlichen Einwände sind vielfältig:

• Veränderung des Landschaftsbildes
• Artenschutz
• Diskoeffekt
• Blinklichter
• Geräuschemission

Die Umweltverbände, das Bundesamt für Naturschutz und viele engagierte vor Ort, bemühen sich, den Einsatz der Windenergie mit den Belangen von Arten- und Biotopschutz so verträglich wie möglich zu gestalten. Diesen Prozess gilt es zu unterstützen – nicht zu instrumentalisieren. Deutlich ist bereits geworden, dass wir für jede Windkraftanlage eine Einzelfallbetrachtung brauchen. Diese muss wenigstens ein ornithologisches Gutachten beinhalten, wie eines zur Windhöffigkeit. Wenn Windräder beispielsweise nicht zwischen Brutplätzen und Futtergründen stehen oder zu bestimmten Tageszeiten in der Brutsaison abgeschaltet werden, lassen sich viele Zusammenstöße verhindern. Klar muss allen sein, dass Fensterverglasungen und Autos, Flugzeuge und Züge für Vögel ein viel größeres Risiko darstellen.

Sicher werden ca. 4600 Windkraftanlagen, die wir für die angestrebte Leistung von 28 Terrawattstunden benötigen, das gewohnte Landschaftsbild verändern. Das kann niemand in Abrede stellen. Sicher müssen wir darauf achten, für Tourismus oder Denkmalschutz sensible Bereiche zu schonen. Sicher ist aber auch, dass wir Windkraftanlagen – wenn wir in der Zukunft bessere Alternativen entwickeln - problemlos in wenigen Wochen wieder abbauen können. Ihr ökologischer Fußabdruck ist klein, im Gegensatz zu Zehntausenden von Jahren strahlender Atommüll und Umweltzerstörung durch CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke.

Wir werben deshalb sehr dafür, diese klimaschonende und vergleichsweise preisgünstige Technik der Stromerzeugung auch in Hessen zum Durchbruch zu verhelfen. Beim Ausbau von Erneuerbaren Energien steht Hessen immer noch ganz hinten. Wir werben auch dafür, die Kommunen und die Menschen vor Ort zwingend an den Gewinnen der Windkraftanlagen zu beteiligen. Da spielt auch die Politik von Hessen-Forst eine große Rolle, aber sicher anders als die FDP dies vorschlägt. Wenn mit den Einnahmen Schwimmbäder oder Bibliotheken erhalten werden können, erhöht das sicher die Akzeptanz, lassen sich nachteilige Veränderungen besser ertragen und leistet das einen Beitrag für die angespannten Kommunalfinanzen. Zudem geht es um die Schließung von Wertschöpfungsketten. Auch ökonomisch ist es überaus sinnvoll, dass Umsätze aus der Windenergie im Land verbleiben und nicht mittels Kapitalinvestoren neues Risikokapital generieren.

Die Windkraft gehört in Bürgerhand!