Reden

Rede zu Ländlicher Raum braucht keine warmen Worte des MP, sondern eine gute Verkehrsanbindung – sozial-ökologische Verkehrswende in Stadt und Land!

Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 23. August 2018

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Kluft zwischen Stadt und Land

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

wer über eine sozialökologische Verkehrswende spricht, darf über die Kluft zwischen Stadt und Land nicht schweigen.

Zwischen dem Ballungsraum Rhein-Main und den ländlichen Regionen Hessens wächst die Kluft. In den großen Städten steigen die Einwohnerzahlen rapide und die Mieten explodieren, während im ländlichen Raum die Bevölkerung zurückgeht und Leerstand weiter zunimmt. Busse und Bahnen platzen in den großen Städten aus allen Nähten, während auf dem Land an viele Orten kein Bus mehr fährt.

Ländlicher Raum wird abgehängt

Für viele Menschen sind das niedrigere Lohnniveau und fehlende Arbeitsplätze die wichtigsten Gründe, ländliche Räume zu verlassen. So verdienten Hessen 2017 nach Angaben der Agentur für Arbeit im strukturschwachen Werra-Meißner-Kreis im Mittel nur 2.821 Euro brutto, während es Frankfurt (4.182 Euro) erheblich mehr waren.

Durch den Wegzug entsteht ein Teufelskreislauf. Weniger Menschen bedeuten auch einen Rückgang an Infrastrukturangeboten, an Kaufkraft und regionalem Entwicklungspotential. Die ohnehin im ländlichen Raum im Vergleich zu den Städten weiteren Wege zu Ärzten, zu Schulen, zu Behörden und zu Einrichtungen des täglichen Bedarfs werden noch weiter. Auf einen Anschluss an die digitale Infrastruktur muss man warten, warten, warten.

Landesregierung hat nur warme Worte parat

Und obwohl mehr als 80 Prozent der Fläche Hessens in ländlichen Regionen liegt und mehr als die Hälfte der Bevölkerung im ländlichen Raum leben, hat die schwarzgrüne Landesregierung die Probleme auf dem Land erst kurz vor den Wahlen entdeckt.

Anfang des Jahres startete Schwarzgrün eine groß angelegte PR-Offensive, um von ihrer Untätigkeit abzulenken. Was war bisher geschehen?

Unter CDU-geführten Landesregierungen wurden die Kommunen in Hessen zu einer brutalen Kürzungspolitik gezwungen und die kommunale Selbstverwaltung drastisch eingeschränkt. Die Politik von wenig Zuckerbrot und viel Peitsche traf insbesondere auch die Kommunen im ländlichen Raum, wo der Öffentliche Nahverkehr ausgedünnt, Schwimmbäder, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen geschlossen worden. Aus Notwehr kamen mancher Kommune auf dem Land aus Mangel an Geld sogar so fragwürdige Ideen wie die Einführung einer Pferdesteuer. Fakt ist: Die Sparwut der Landesregierung hat dem ländlichen Raum enorm geschadet.

Auch die Verlegung von ein paar Arbeitsplätzen in der Finanzverwaltung oder die Gründung einer Akademie hilft wenig, wenn zuvor zahlreiche Gerichte in der Fläche der Sparwut zum Opfer gefallen und beispielsweise Forstämter zusammengelegt worden sind. Im Gerichtswesen wurden 1.250 Stellen abgebaut und 26 Standorte geschlossen.

CDU-geführte Landesregierungen haben mit dieser Politik des Arbeitsplatzabbaus dem ländlichen Raum enorm geschadet.

Sozialökologische Verkehrswende in Stadt und Land

Diese Tatenlosigkeit in Sachen ländlicher Raum hat gewaltige Verkehrsprobleme geschaffen. Doch die Landesregierung verfährt frei nach dem Motto, ländlicher Raum ist in Hessen dort, wo Bürgerbusse eingesetzt werden, weil der öffentliche Nahverkehr kaputtgespart wurde. Bürgerbusse können einen attraktiven Nahverkehr, der eine echte Alternative zum Auto darstellt, nicht ersetzen.

Im Übrigen: Das größte Verkehrsinfrastrukturprojekt CDU-geführter Landesregierungen im ländlichen Raum in Hessen dürfte, wenn man die Kosten als Maßstab nimmt, die Verkehrsberuhigte Zone des Flughafen Kassel-Calden sein. Der bringt zwar kaum Menschen von A nach B, dafür aber die Gemeinde Calden an den Rand des Ruins.

Was die Menschen im ländlichen Raum wirklich brauchen sind nicht kurze Wege zu Billigfliegern, sondern schnelle Datenleitungen, vernünftig in Schuss gehaltene Straßen und vor allem einen Öffentlichen Personennahverkehr der eine bezahlbare, bequeme und klimafreundliche Alternative zum Auto ist. Dazu gehört der Erhalt und Ausbau des Busverkehrs, attraktiv getaktet und mit gut bezahlten Busfahrern sowie die echte Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken, statt sie nur anzukündigen. Die Förderung von Rad- und Fußwegen.

Auf dem Land könnte mehr gehen

Kurzum: Der ländliche Raum braucht keine PR-Offensive und keine waren Worte. Notwendig sind Investitionen in eine sozialökologische Verkehrswende in Form des Erhalts und Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, in die öffentliche Infrastruktur, in die Gesundheitsversorgung, in den Breitbandausbau, in die Schaffung von wohnortnahen Arbeitsplätzen, die Förderung der Landwirtschaft nach ökologischen und sozialen Kriterien, eine Stärkung der Investitionstätigkeit der Kommunen und einen Ausbau sozialer und kultureller Leistungen, die das Leben auf dem Land wieder attraktiver machen.

Es gilt das Auseinanderdriften von Stadt und Land zu verhindern und gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Hessen zu schaffen.

Meine Damen und Herren, auf dem Land könnte für die Mehrheit der Menschen mehr gehen, wenn endlich in ganz Hessen investiert würde. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.