Reden

Rede zur Zweiten Lesung des „Hessenkassengesetzes“

Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 24. April 2018

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident/Frau Präsidentin,

Meine Damen und Herren,

vor wenigen Wochen fand im Haushaltsausschuss die Anhörung zum sogenannten Gesetz zur „Hessenkasse“ statt.

Wie von uns bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes vermutet, wurde Ihr Gesetzesentwurf an einigen Stellen heftig kritisiert.

Einige grundsätzliche Aspekte Ihres Gesetzesentwurfs lösten bei den Kommunalen Spitzenverbänden nicht gerade Begeisterung aus. Sie wollten sich für ein Gesetz feiern lassen, mit dem Sie die Ablösung der kommunalen Kassenkredite überwiegend mit Mitteln der Kommunen finanzieren wollten. Das fand ich schon ziemlich dreist.

In der Anhörung durften Sie sich dann reichlich Kritik dafür anhören, dass Sie die Gewerbesteuerumlage, die für einen anderen Zweck einst erhoben worden ist, für die Hessenkasse zweckentfremden wollten. Auch die verschärften Befugnisse der Aufsichtsbehörden gegenüber den Kommunen stoß auf wenig Gegenliebe. Ebenso wie die absurde „Bestrafung“ von Kommunen, die nicht in der Lage sind den von Ihnen geforderten Eigenanteil zur Finanzierung in Form von 25 Euro pro Einwohner, zu erwirtschaften.

Immerhin, so viel muss man Ihnen eingestehen: Sie haben in Ihrem Änderungsantrag zumindest ein paar der vor allem von kommunaler Seite aus kritisierten Punkte aus Ihren Ursprungsentwurf herausgestrichen (Verzicht auf Erhebung der Gewerbesteuerumlage, Flexibilisierung der kommunalen Finanzierung, Abmilderung des Durchgriffs der Aufsichtsbehörden).

Diese Korrekturen ändern jedoch nichts daran, dass das Hessenkassengesetz trotzdem ein weiteres Instrument zur Gängelung und Drangsalierung der Kommunen ist und bleibt.

Und dass sich die Landesregierung damit rühmt, bereits vor der Beratung im Landtag die Gespräche mit den kommunalen Vertretern geführt zu haben – das zeigt im Übrigen welche Bedeutung Sie dem Parlament beimessen –. Ich möchte Ihnen mal darlegen, welche Stimmen mich von Kommunalpolitikern erreichen. Viele Aktive in den Kommunen fürchten, dass in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen nicht so sprudeln, sie die Mittel für die Hessenkasse nicht erwirtschaften können.

Vor allem in Zeiten in denen die Steuereinnahmen nicht so sprudeln wie heute – und solche Zeiten können und werden kommen - , wird dieses Gesetz viele hessische Kommunen erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Um den Eigenanteil der Kommunen zu refinanzieren, droht dann eine weitere Runde des Kürzens und Streichens sozialer Leistungen und/oder der Griff in die Taschen der Bürger über Steuer- und Gebührenerhöhungen. Das ist was viele Kommunalpolitiker fürchten.

Aber was Sie machen, ist nach ihrer Logik nur konsequent. Sie setzen Ihre Gängelung und Drangsalierung der Kommunen fort, wie sie sie mit dem Schutzschirm begonnen haben.

Dann gibt es noch eine weitere Differenz! Sie vertreten die Auffassung, dass die Kommunen die Verantwortung für die Verschuldung ihrer Haushalte tragen. Dass sie selbst Schuld daran seien, dass die Kassenkredite enorm gewachsen in den letzten Jahren. Fast so als hätten Kommunalpolitiker in hessischen Rathäusern völlig verantwortungslos das Geld tonnenweise aus dem Fenster geworfen und in Saus und Braus gelebt. Das glaube ich nicht.

Nein, es waren die zahlreichen Aufgabenübertragungen ohne ausreichenden Finanzierungsausgleich durch die CDU geführten Landesregierungen in den vergangenen Jahren, die den Kommunen eine desolate Haushaltssituation beschert haben.

Es kommt ja nicht von ungefähr, dass sich erst in der vergangenen Woche 23 Bürgermeister aus dem Lahn-Dill-Kreis in einem offenen Brief an die Landesregierung gewandt und Ihren aus meiner Sicht völlig berechtigten Unmut über die Landespolitik Luft gemacht haben.

Wir schließen uns dieser Kritik an und bleiben daher bei unserer grundsätzlichen Ablehnung dieses Gesetzes, auch in seiner nun etwas entschärften Fassung.

Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Zahlen:

Für das Jahr 1998 weist das Statistische Bundesamt einen Bestand an Kassenverstärkungskrediten für hessische Kommunen von etwas über 800 Millionen Euro aus. Im Jahr 2017, also fast zwanzig Jahre später, sind es 5 Milliarden Euro. In Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf aus dem Januar schreiben Sie einleitend von einem Kassenkredit-Bestand in Höhe von 6,25 Milliarden Euro. In den jetzt 19 Jahren CDU geführter Landespolitik hat sich der Bestand an Kassenkrediten um mehr als 4 Milliarden Euro erhöht.

Selbst wenn man einmal die Finanz- und Wirtschaftskrise, die natürlich auch die Kommunen hart getroffen hat außer Acht lässt, ist festzustellen, dass dieser Kassenkreditbestand in den Jahren 1999 bis 2008 sich von 800 Millionen auf 3,2 Milliarden Euro ziemlich genau vervierfacht hat.

Sie können es also drehen und wenden wie Sie wollen: Die Landesregierung trägt eine gewaltige Mitschuld. Sie haben die Aufgaben der Kommunen ständig ausgeweitet ohne ausreichende Finanzierung!

Und was ist nun Ihre Lösung? Sie schnüren ein Paket, dass nach wie vor zu einem sehr großen Teil durch die Kommunen selbst getragen werden muss. Die originären Landesmittel muss man mit der Lupe suchen.

Neben der sogenannten „5. Bundesmilliarden“ – Mittel zur Entlastung der Kommunen aufgrund vom Bund zugewiesener sozialer Aufgaben. Mittel, die Sie den Kommunen verweigern. Zudem müssen die hessischen Kommunen nachdem sie der Hessenkasse beigetreten sind jedes Jahr 25 Euro pro Einwohner über einen nicht vorhersehbaren Zeitraum von bis zu 30 Jahren in das Sondervermögen einzahlen.

Völlig absurderweise halten Sie zudem an der Strafzahlung in Höhe von 50 Euro Einwohner fest, wenn eine Kommune diese 25 Euro pro Einwohner nicht zahlen kann. In der Anhörung hat Ihnen dazu ein Anzuhörender gesagt, dass eine Kommune die nicht in der Lage ist die 25 Euro pro Einwohner zu zahlen, kaum in der Lage sein wird die doppelte Summe auf den Tisch zu legen. Ich finde: Recht hat er!

Die ganze Sache mit der Hessenkasse ist in etwa so, als würde man in einer Wohngemeinschaft einen hungrigen kleineren/jüngeren Mitbewohner zum Essen einladen, aber dann dafür sorgen, dass er zwei Drittel der Rechnung aus seiner Tasche/seinem Teil der WG-Kasse selber bezahlen muss. Und die Einladung ablehnen darf er auch nicht, weil er sonst gar nichts zu essen bekommt. Und zur Wahrheit gehört auch: Dass man vorher den WG-Kühlschrank leer gefuttert hat. Diese Landesregierung ist kein guter Mitbewohner für die hessischen Kommunen, sondern eher ein WG-Ärgernis.

Meine Damen und Herren,

die Hessenkasse ist in der Summe nicht die notwendige Lösung, um die Finanzprobleme der hessischen Kommunen. Im Gegenteil sie wird aufgrund ihrer Finanzierungsstruktur eher zu einem Problem in der Zukunft werden. In Konjunkturschwachen Zeiten werden viele Kommunen Schwierigkeiten bekommen, die jährlichen Zahlungen an das Sondervermögen zu leisten.

Ich halte die von Ihnen eingeräumten Spielräume für nicht ausreichend, diesen Schwierigkeiten zu begegnen. In diesen Phasen werden sich die Kommunen dazu entscheiden müssen, an anderer Stelle Einsparungen vorzunehmen und das kommunale Leistungsangebot einzuschränken. Notfalls eben mit absurden Strafforderungen oder mit Druck durch die Kommunalaufsicht.

Die FAZ hat die Finanzpolitik der Landesregierung mal ganz treffend als „Zuckerbrot und Peitsche“ beschrieben. Ich möchte erneut hinzufügen, wenig Zucker und viel Peitsche!