Reden

Überfall der türkischen Armee auf die Kurdinnen und Kurden in Syrien ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg | Solidarität mit den Menschen in Afrin – #SaveAfrin

Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 1. Februar 2018

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident, meine Damen und Herren,
seit dem Überfall der türkischen Armee auf die von Kurden selbstverwalteten Gebiete in Nordsyrien, sind laut Medienberichten mindestens 55 Zivilisten getötet worden. Bilder von trauernden und getöteten Menschen gehen um die Welt.

Meine Damen und Herren, dieser Krieg bringt für die Zivilbevölkerung Tod, Zerstörung, Fluchtbewegungen und damit eine humanitäre Katastrophe hervor.

Der Überfall der türkischen Armee auf die Kurdinnen und Kurden in Syrien ist nicht weniger als ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg und ein großes Verbrechen.

In den vergangenen Tagen haben an vielen Orten Menschen in Hessen gegen diesen Krieg protestiert. Setzen wir hier und heute auch als Hessischer Landtag ein Zeichen gegen diesen Krieg!
Der türkische Präsident Erdogan, der das Land in eine autoritäre Diktatur verwandelt, behauptet in Nordsyrien Terroristen zu bekämpfen. Aber wer hat dem IS, wer hat dem Terror in Nordsyrien die Stirn geboten? Das war doch die kurdische YPG, gegen die Autokrat Erdogan seinen Feldzug führt.
Und wie glaubwürdig ist ein Präsident, der vorgibt gegen den Terror zu kämpfen, während er für die Verhaftung von tausenden Demokraten, Journalisten und kritischen Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft, für unzählige Mitglieder unserer Schwesterpartei HDP verantwortlich ist? Wie glaubwürdig ist ein Präsident, der auch im Südosten der Türkei einen blutigen Krieg gegen die Kurden führt?

Nein, der türkische Staatschef Erdogan ist kein Vorkämpfer gegen den Terror, sondern er ist ein Förderer des islamistischen Terrors und er terrorisiert Teile der Bevölkerung im eigenen Land. Ein solcher Autokrat darf nicht Partner der deutschen Politik sein.

Seit Beginn des Überfalls auf Nordsyriens sind in der Türkei über 300 weitere Menschen festgenommen worden. Da dürfen wir nicht weiter zu gucken.

Erdoğan führt einen Angriffskrieg gegen Afrin und deshalb kündigt er in seinen Kriegsreden offen an, alle Kurdinnen und Kurden aus Afrin vertreiben zu wollen.

In der Region Afrin leben etwa eine Million Menschen. Die kurdische Enklave Afrin wurde bislang noch nicht vom Krieg heimgesucht und beherbergt hunderttausende Flüchtlinge innerhalb Syriens.
Dieser völkerrechtswidrige Krieg des NATO-Verbündeten Türkei gemeinsam mit als islamistischen Terrormilizen ist eine Schande. Es ist eine Schande, dass die Großmächte und die regionalen Einflussstaaten die Menschen in Afrin fallengelassen haben und es ist eine Schande, dass die Bundesregierung weiter einen türkischen Autokraten hofiert, der in seiner Sprache und seinen Handlungen jedes Maß verloren hat.

Erdogan betreibt seit Abschluss des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals eine Politik der offenen Erpressung gegenüber der EU und der deutschen Bundesregierung. Diese machtpolitische Kumpanei, zuletzt von Bildern eines teetrinkenden deutschen Außenministers mit seinem türkischen Kollegen in Goslar untermauert, diese Kumpanei, die vor allem auf dem Rücken von Flüchtlingen aus syrischen Kriegsgebieten ausgetragen wird, muss ein Ende haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel muss eines klar sein: Wenn Erdoğan die kurdische Enklave Afrin in Syrien zerstören sollte, droht ein weiterer Krieg in Syrien mit zahlreichen Menschenrechtsverbrechen.

In Afrin kommen deutsche Leopard-2-Panzer zum Einsatz. Teile dieser Panzer wurden und werden in Hessen hergestellt. In Kassel stellt der Rüstungskonzern Krauss-Maffei-Wegmann die Geschütztürme für die Leopard-2-Panzer her.

Ich sage ganz klar: Wer Waffen in alle Welt exportiert, darf sich auch nicht wundern, wenn diese Waffen in blutigen Kriegen zum Einsatz kommen, unschuldigen Menschen das Leben kosten und unzählige Menschen in die Flucht zwingt. Krieg, meine Damen und Herren, ist die Fluchtursache Nummer Eins in der Welt und diese Fluchtursache muss beendet werden.

Und ausgerechnet unter einer großen Koalition wurden im letzten Jahr so viele Waffen wie nie zuvor in Krisengebiete exportiert! Bei einer Gesamtsumme von Einzelgenehmigungen im Wert von 6,24 Milliarden Euro im Jahr 2017 sind es mehr als 60 Prozent aller Rüstungsexporte, die auch in Krisengebiete gingen. Das ist der höchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik!
Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben. Wir fordern den sofortigen Stopp aller deutschen Rüstungsexporte in die Türkei.

Wir müssen das tödliche Geschäft mit der Rüstung beenden. Wir brauchen einen Ausstieg aus der Rüstungsproduktion und der Verschleuderung gesellschaftlicher Ressourcen und einen Einstieg in Rüstungskonversion und friedliche Produktion. Hier ist auch die Hessische Landesregierung gefordert.
Wir erwarten, dass die Bundesregierung klar und unmissverständlich diesen Krieg verurteilt und jegliche Beihilfe auch über NATO-Strukturen einstellt.

Wir fordern den sofortigen Rückzug der türkischen Armee und aller ihrer islamistischen Söldnermilizen.
Und wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich im Sinne des Art. 69 Hessische Verfassung (Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet.) für Frieden und Abrüstung einsetzt und auch gegenüber der hessischen Partnerregion Bursa die Ablehnung dieses völkerrechtswidrigen Angriffskriegs zum Ausdruck bringt. Auch in Bursa werden seit Monaten Demokraten und Journalisten verhaftet.

Syrien braucht Frieden und Demokratie. Die Menschen in den kurdisch selbstverwalteten Gebieten in Syrien brauchen heute unsere Anerkennung und Solidarität. Dazu sollte der Hessische Landtag hier und heute ein Zeichen setzen.