Reden

Rede zur aktuellen Stunde CDU, Gewalt gegen Einsatzkräfte ist ein Tabu

Rede von Hermann Schaus am 1. März 2018

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

in der letzten Woche fand mittwochs einem interessanten Symposium des dbb Hessen zum Thema statt.

Am Samstag sind dann mehrere hundert Beschäftigte von Feuerwehr und Rettungsdiensten für mehr Respekt bei einer Demonstration von ver.di Hessen in Frankfurt auf die Straße gegangen.

An beiden Veranstaltungen habe ich teilgenommen, auch um unsere Solidarität zu bekunden.

Und ich sage ganz klar: Angriffe gegen Rettungskräfte gehen gar nicht und sind auf das Entschiedenste zu verurteilen!

Die Gewerkschaften haben es damit geschafft auf die Probleme bei ihrer Arbeit, auf Beschimpfungen, An- und Übergriffe erneut öffentlich zu machen.

Schon seit langem frage ich mich, ob dieses Ausmaß an Gewalt tatsächlich neu ist und worin die Ursachen liegen.

Dazu habe ich einen interessanten Artikel, im Spiegel vom 20.04.2012, über eine Studie der Soziologin Julia Schmidt von der Ruhr-Universität Bochum gefunden, aus der ich auszugsweise zitieren möchte:

Überschrift: Gewalt gegen Rettungskräfte Angepöbelt, angespuckt, attackiert

Sie sind gekommen, um zu helfen. Und brauchen mitunter selbst Hilfe. Wie häufig Rettungskräfte Tritte oder Schläge kassieren, zeigt eine Studie: Jeder Vierte wurde schon Opfer von Gewalt. Die Täter sind meist betrunkene Männer - beileibe nicht nur in sozialen Brennpunkten.

Könnte der Gesetzgeber die Rettungskräfte besser schützen? 2011 wurden die Paragraphen 113 und 114 im Strafgesetzbuch verschärft; dabei geht es um "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen". Auch Rettungskräfte sind nun in den Schutzbereich einbezogen.

Ihre Sicherheit hat das der Bochumer Untersuchung zufolge aber nicht verbessert.

Zitat Ende

Ganz neu: Am 7.Januar 2018 wurde in der Fachzeitschrift DIE Mediation eine neue Studie zur Gewalt gegen Rettungskräfte vorgestellt aus der ich ebenfalls zitieren möchte.

Überschrift: Tendenz zur Verrohung und Verlust an Empathie

Prof. Dr. Thomas Feltes, Kriminologe an der Ruhruniversität in Bochum, hat zum zweiten Mal Attacken auf Sanitäter, Polizisten oder Feuerwehrleute erforscht und sie jetzt miteinander verglichen.

2017 befragte er in Nordrhein-Westfalen in ausgewählten Städten mehr als 4.500 Brandschützer, Sanitäter und Notärzte nach erlittener Gewalt.

Seine erste Feststellung: die Zahl der Angriffe hat sich nicht vermehrt, allerdings fallen sie gewalttätiger aus als in 2011.

Prof. Feltes sieht die Ursachen in einen allgemeinen Verlust an Respekt und Empathie gegenüber Mitmenschen und in einer Tendenz zur Verrohung in der Gesellschaft. Dies werde von einer zunehmend aggressiven Debatte in der Öffentlichkeit gefördert.

Was fordern Einsatzkräfte, um in Zukunft besser geschützt zu sein?

Höhere Strafen nutzten hier wenig, weil die Täter in solchen Situationen irrational handelten, Gewaltsituationen entwickelten eine eigene Dynamik. Kein Täter denke in solchen Situationen an Gesetze oder Strafen.

Die Befragten selbst forderten eine verbesserte Aus- und Fortbildung wie praxisorientierte Rollenspiele, körperschonende Abwehrtechnik, Deeskalationstrainings und verbale Selbstverteidigung. Hier tut sich ein interessantes Einsatzfeld für Mediatoren auf.

Psychologische Einflussnahme schätzten Rettungskräfte weit effektiver ein. Sie sei zudem mit ihrem Berufsverständnis eher vereinbar als die Androhung von Strafen, die Anwendung von Gewalt, Nutzung von Pfefferspray o.ä.

Zitat Ende:

Das sagen also die Betroffenen und die Fachleute!

Diese wissenschaftlichen Untersuchungen sollten sich diejenigen, die immer wieder den Strafverschärfungen das Wort reden und diese fälschlicherweise auch noch als „Schutzparagraphen“ bezeichnen, endlich mal genauer ansehen!