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Rede zur Aufhebung des Erhebungszwangs von Straßenbeiträgen | Für mehr kommunale Selbstverwaltung | Zum Gesetz DIE LINKE. Aufhebung von Straßenbeiträgen in den hessischen Kommunen (19/5961)

Rede von Hermann Schaus am 30. Januar 2018
Weiterer Redebeitrag von Hermann Schaus zu den Straßenbeiträgen


– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

nachdem zahlreiche Initiativen in Städte, die gegen Ihren Willen von der Kommunalaufsicht gezwungen wurden, Straßenbeiträge von Ihren Bürgen zu erheben, aktiv geworden sind, kommt endlich Bewegung in dieses Thema. Selbst Ministerpräsident Volker Bouffier und die CDU können nun dieses Problem nicht länger ignorieren.

DIE LINKE hat deshalb einen eigenen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, in diesem wir die gänzliche Streichung von Straßenbeiträgen im Kommunalabgabegesetz (KAG) fordern. Damit gehen wir auch weit über die im FDP-Gesetzentwurf geforderte kleine Veränderung der Soll- in eine Kann-Bestimmung hinaus.

Ich begrüßen die auf der Tribüne sitzenden Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Bürgerinitiativen, sowie die Vertreter der landesweiten Arbeitsgemeinschaft “Straßenbeitragsfreies Hessen“ ganz herzlich.

Die Einführung der wiederkehrenden Straßenbeiträge im Jahr 2013 und die darauf resultierenden kommunalen Satzungen in zahlreichen Städten und Gemeinden Hessens haben vielerorts zu erheblichen Beiträgen von betroffenen Einwohnerinnen und Einwohnern geführt.

Durch die Einführung des §11a in das Kommunalabgabengesetz (KAG) wurde zudem die bis dahin eher wenig gebräuchliche Erhebung von Straßenbeiträgen für die Kommunen erleichtert.

Der seinerzeitige Glaube, durch geringere wiederkehrende Beiträge eine größere Akzeptanz bei den Betroffenen zu erhalten, erwies sich jedoch als Trugschluss. Vielerorts entstehen Bürgerinitiativen, die sich zurecht gegen die in ihren Kommunen entstehenden Straßenbeitragssatzungen zur Wehr setzen.

Auch bei den kommunalen Entscheidungsträgern hat sich inzwischen Ernüchterung breitgemacht, da sie unter dem Druck ausgeglichener Haushalte oder bei sogenannten „Entschuldungsprogrammen“, wie dem sogenannten kommunalen „Schutzschirm“, von der Kommunalaufsicht, zum Erlass solcher Satzungen gezwungen werden.

Es sei ein Unding, dass Bürgerinnen und Bürger, die bereits bei der Erstellung der Straßen vor Ihrem Haus erhebliche Erschließungskosten gezahlt haben, nun zusätzlich auch noch für die grundlegende Sanierung dieser schon bezahlten Straße erneut herangezogen werden.

Der Gipfel der Unverschämtheit liegt allerdings in einem Erlass der Landesregierung vom 3. März 2014 wonach die Haushalte von defizitären Städten und Gemeinden, die keine Straßenbeiträge erheben, grundsätzlich nicht genehmigungsfähig seien.

Mit diesem Verhalten greift die Landesregierung direkt und massiv in die kommunale Selbstverwaltung ein. Hier wird nun klar, dass die im Dezember 2012 mehrheitlich beschlossene Einführung von wiederkehrenden Straßenbeiträgen nichts Anderes war, als die Schaffung einer zusätzlichen regelmäßigen Einnahmequelle für die Kommunen zu schaffen.

Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass mittlerweile mehrere Städte gegen ihren Willen gezwungen werden Straßenbeitragssatzungen zu erheben.

Ein besonderes Lob gilt daher, Städten wie Schlitz und Rüsselsheim, die sich nach wie vor beharrlich verweigern ihren Bürgerinnen und Bürgern diese zusätzlichen Lasten aufzubürden, während andere Städte, wie Mörfelden-Walldorf, dem Druck der Kommunalaufsicht zähneknirschend nachgeben.

Mit der Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge in Hessen zum 01. Januar 2013 wurde die bis dahin bestehende Regelung des §11 KAG um ein Wahlrecht in §11a erweitert, dass es den Städten und Gemeinden ermöglichte, die Kosten auch über regelmäßig wiederkehrende Beiträge abzurechnen.

Heute, fünf Jahre später, können wir feststellen, dass die Einführung des Wahlrechts nicht zu einer Verbesserung der Situation geführt hat, sondern im Gegenteil für mehr soziale Ungerechtigkeit sorgt.

Wir haben Ihnen daher heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Straßenbeiträge komplett aus dem Kommunalabgabengesetz streicht und zudem in §93 HGO einen Passus einfügt, der Straßenbeiträge grundsätzlich für unzulässig erklärt.

Mit unserer Forderung nach gänzlicher Abschaffung der Straßenbeiträge stehen wir auch nicht alleine.

Zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich landauf landab, sei es zum Beispiel in Niederaula, Linden, Hanau, Schlitz, Mörfelden-Walldorf, Wetzlar-Münchholzhausen, Rüsselsheim oder auch Maintal gegründet haben, fordern schon seit längerem die Abschaffung, so wie in anderen Bundesländern geschehen.

In Bayern sollen die Straßenbeiträge fallen und in Berlin und Hamburg wurden die Straßenbeiträge wieder abgeschafft. In Baden-Württemberg gibt es dafür sogar kein Gesetz.

Aus Berlin liegt mir ein Flyer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus vor, auf dem unter anderem zu lesen steht, dass Straßenbeiträge „reine Abzocke“ seien und der Staat selbst für seine eigene Infrastruktur sorgen müsse.

Wörtlich heißt es darin:

„Auf Druck der Berliner CDU-Fraktion wird das Straßenausbaubeitragsgesetz wieder abgeschafft.“
Und weiter:

„Mit der Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes gibt es nun wieder klare Verhältnisse: Der Staat sorgt eigenständig für seine Infrastruktur. Das Gesetz stellt einen untauglichen Versuch dar, die Unterhaltung und Pflege der örtlichen Straßen zu weiten Teilen auf die Gruppe der Eigenheim- und Grundstücksbesitzer abzuwälzen. Damit ist nun Schluss.“

Darüber hinaus befindet sich auf der Rückseite auch ein Musterbrief, mit dem die Rückzahlung schon gezahlter Straßenbeiträge beantragt werden kann. so viel Bürgerservice, so viel fortschrittliches Denken. Daran könnte sich die CDU-Fraktion in Hessen mal ein Beispiel nehmen!

Die wiederkehrenden Straßenbeiträge wurden 2013 unter anderem mit der Begründung eingeführt, dass man den hessischen Kommunen eine bürgerfreundlichere Option an die Hand geben wollte, als dies mit der alten und alleinigen Möglichkeit einmaliger Straßenbeiträge, bis dahin vorgesehen war.

Die meisten Kommunen verzichteten zuvor auf die Erhebung, und begannen erst dann mit entsprechenden Straßenbeitragssatzungen vor Ort Straßenbeiträge einzuziehen.

Das es hierbei einzig und allein darum ging, den Kommunen durch die neue Soll-Vorschrift mehr Druck auf Städte und Gemeinden ausüben zu können ihr Haushaltsdefizit auszugleichen und das dies dann auch noch über die Kommunalaufsicht erzwungen werden soll, hat damals niemand gesagt!

Auch wenn wir es grundsätzlich begrüßen, dass auch die FDP von ihrer damaligen Position abrückt - denn auch Sie hatten ja der Gesetzesverschärfung zugestimmt, deren Rücknahme sie heute fordern – so bleibt Ihre Kehrtwendung dennoch halbherzig.
Denn sie wollen es ja weiterhin den Kommunen ermöglichen durch eigenen Entscheidung Straßenbeiträge zu erheben. Nur der Druck der Kommunalaufsicht soll reduziert werden.

Das ist uns aber viel zu wenig! Denn der Rentnerin, die eine kleine Rente hat und für ihr Häuschen dann auf einmal 5.000, 10.000 oder noch mehr auf den Tisch der Kommune blättern soll ist es gleich, ob im Gesetz eine soll oder kann-Regelung steht. Sie wird Schwierigkeiten haben, das Geld so oder so zusammen zu bekommen.

Die von Ihnen in Ihrem Entwurf vorgenommene Änderung zu einer Kann-Regelung und der Feststellung in §93 HGO, dass es keinen Rechtszwang für Straßenbeiträge geben darf, hilft doch nur den Kommunen, die auch ohne Straßenbeiträge einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können oder nicht unter dem kommunalen Schutzschirm stehen.

Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass die Kommunalaufsicht verschuldeten Kommunen oder Kommunen mit negativen Haushaltsergebnis ernsthaft die Abschaffung Ihrer Straßenbeitragssatzungen und damit der Verringerung der eigenen Einnahmen zulassen werden.
Nein, Ihr Gesetzentwurf ist deshalb halbherzig und wird kaum zu einer Änderung der Situation führen.

Mit unserem Gesetzentwurf würden hingegen die Straßenbeiträge völlig gestrichen. Wir halten es für sozial ungerecht, wenn Anwohnerinnen und Anwohner die bereits bei der Erschließung ihrer Grundstücke nun auch noch zusätzlich für die Sanierung öffentlicher Straßen und Plätze herangezogen werden.

Uns sind Fälle bekannt, in denen Straßenbeiträge von deutlich über 60.000 Euro auf einzelne Anwohnerinnen und Anwohner zukamen. Dies hat aus unser Sicht mit Beitragsgerechtigkeit nichts mehr zu tun.

Diesen existenzgefährdenden Belastungen für einzelne Anwohnerinnen und Anwohnern stehen gemessen am Gesamtinvestitionsbedarf bei öffentlichen Straßen und Plätzen eher zu vernachlässigende Einnahmen aus den Straßenbeitragssatzungen gegenüber.

In Bayern wird dieser Einnahmebetrag auf etwa 60 Mio. beziffert, für Hessen wird er wesentlich darunterliegen.


Ich sage nicht, dass es sich hierbei um „Peanuts“ handelt, doch steht diese Summe in keiner Relation zu den Milliardenbeträgen die für die Sanierungen insgesamt notwendig sind.

Wir sind der Auffassung, dass dieser Betrag den Kommunen über den Kommunalen Finanzausgleich aus allgemeinen Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden muss.

Die Instandhaltung aller öffentlicher Straßen ist eine öffentliche Aufgabe, für die den Kommunen ausreichend Mittel von Bund und Land zur Verfügung gestellt werden müssen. Das weitere Einbeziehen von Anwohnerinnen und Anwohnern durch Straßenbeiträge ist falsch und führt zu Ungerechtigkeiten.

Wiederkehrende Straßenbeiträge sind auch deshalb keine Alternative, weil sie in größeren Kommunen, wo es immer eine Straße gibt, die grundsaniert werden muss, automatisch zu einem jährlich widerkehrenden Beitrag für alle führen wird. Deshalb wollen wir sie gänzlich abschaffen.

Wir sind sehr gespannt, wie sich die Experten in der Anhörung im Innenausschuss zu den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen äußern werden.

Zum Schluss!

Da weder Ministerpräsident Bouffier noch die CDU bisher ein Konzept vorgelegt haben, empfehle ich einfach unserem Gesetzentwurf zuzustimmen - diesmal aus inhaltlicher Überzeugung und nicht nur aus Versehen.“