Reden

Hessisches Bildungsurlaubsgesetz

Rede von Hermann Schaus am 29. August 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

für jemand wie mich, der bereits in den 70er Jahren gewerkschaftliche Jugendbildungsarbeit mit organisiert und durchgeführt hat, ist diese Gesetzesnovelle eine besondere Herzensangelegenheit.

Mit der Vorlage des Gesetzentwurfes nimmt die Hessische Landesregierung wichtige Impulse aus dem Evaluationsprozess der vergangenen Jahre auf und verbessert die gesetzlichen Voraussetzungen, um die Zugänge zur Weiterbildung erleichtern. Dies begrüßen wir ausdrücklich!

Die Entwicklung des Hessischen Bildungsurlaubsgesetz, dass zunächst ausschließlich den Bereich der politischen Bildung, umfasste, dann später auf die berufliche Bildung erweitert wurde, soll nun in einem dritten Schritt auch die Fortbildung zur Wahrnehmung eines Ehrenamtes bei Auszubildenden mit umfassen.

Diese Ausweitung im Gesetz begrüßen wir ausdrücklich. Sie ist eine sinnvolle Erweiterung, sofern die Kernbereiche politische Bildung und berufliche Weiterbildung nicht zurückgedrängt werden.

Ich zitiere aus dem jüngst vorgelegten Erfahrungsbericht der Landesregierung zur Durchführung des Hess. Bildungsurlaubsgesetzes 2011 – 2014, Herrn Sozialminister Grüttner, der auf Seite 45 unter „Resümee“ folgendes schreibt:

„Durch die explizierte Verknüpfung der beruflichen und gesellschaftspolitischen Bildung im Bildungsurlaub bietet der Bildungsurlaub neben der Vermittlung von Fachwissen und sozialen Schlüsselkompetenzen eine gezielte gesellschafpolitische REFLEXION und somit die Kompetenz, die eigene Situation in dem sich verändernden gesellschaftspolitischen Kontext einzuordnen und zu reflektieren.“

Wenn es also bisher bei der Vermittlung von beruflichem Fachwissen auch wichtig war auf die Situation der betroffenen Arbeitnehmer zu blicken und dazu auch einen Diskussionsraum im Bildungsurlaub anzubieten, dann muss dieser Anspruch zukünftig auch, z. B. für Bildungsurlaube für ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe Tätige, in der Form gelten, dass dort neben der fachspezifischen Fortbildung auch Diskussionsraum über die Ursachen von Flucht und Vertreibung mit eingeplant werden.

Ich halte es deshalb für angezeigt, für Schulungen zur Wahrnehmung eines Ehrenamts einen erweiterten Politikbegriff, unter Berücksichtigung des Lebens- und Arbeitsalltags der Menschen, in diese Bildungsurlaube explizit mit aufzunehmen.

Wir unterstützen deshalb den dazu gemachten Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Leben „die gesamtgesellschaftliche und politische Bedeutung der im Zentrum stehenden Aktivitäten und Aktionen des betreffenden Ehrenamts“ zu stellen.

Dies ergibt sich für mich zwangsläufig aus der Historie des hessischen Bildungsurlaubsgesetzes.

Mit dem neuen § 9 soll Kleinbetrieben mit bis zu 20 Beschäftigten auf Antrag bis zu 50% der Lohnkosten erstattet werden. Dies soll sowohl für Veranstaltungen der politischen Bildung als auch der beruflichen Weiterbildung gelten.

Wir sehen in dieser Regelung eine Chance, Beschäftigten aus Kleinbetrieben, die das Bildungsurlaubsgesetz bisher kaum in Anspruch nehmen, die Teilnahme an politischer Bildung zu erleichtern.

Allerdings birgt die Erstattung des Arbeitsentgeltes durchaus die Gefahr einer verdeckten Subventionierung immer dann, wenn es sich um Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung handelt, die im Interesse des Arbeitgebers liegen.

Betriebe können in diesem Fall das Bildungsurlaubsgesetz für erwünschte berufliche Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Beschäftigen – die sie andernfalls selbst finanzieren müssten – nutzen und sich darüber hinaus Teile des Arbeitsentgeltes erstatten lassen.

Wir schlagen daher vor, die anteilige Erstattung des Arbeitsentgeltes lediglich auf Maßnahmen der politischen Bildung zu beschränken.

Wir regen zudem an, dass bildungsinteressierte Menschen, deren finanzielle Lage aufgrund ihrer sozialen Lebens- und Arbeitssituation eine Teilnahme an Bildungsurlauben üblicherweise nicht ermöglicht, ebenfalls einen Zuschuss zu den anfallenden Seminarkosten erhalten können.

In § 12 Abs.1 soll die Möglichkeit eröffnet werden, Bildungsveranstaltungen auf 3 Tage zu verkürzen.
Wir begrüßen diese Ausnahmeregelung. Diese zeitliche Öffnung erleichtert es vor allem Frauen mit Kindern, die oft nicht eine ganze Woche lang abkömmlich sind, an einer Bildungsveranstaltung teil zu nehmen.

Allerdings darf dies nicht zu einer langfristigen Verkürzung der gesamten Anspruchszeit führen.

Unklar bleibt zudem, wie mit dem Restanspruch von 2 Tagen verfahren werden soll. Diese könnten zwar ins Folgejahr übertragen werden. Aber selbst wenn man dann an zwei 3-tägigen BU-Veranstaltungen teilnimmt, bliebe ein Resttag übrig.

Wir unterstützen auch die in § 12 Abs.2 vorgesehene Erprobung innovativer Lehr- und Lernformen. Diese Regelung eröffnet die Möglichkeit, neue methodisch-didaktische Modelle zu erproben, die insbesondere Beschäftigten mit geringer Bildungserfahrung den Zugang zu Weiterbildung erleichtern können.

Zu begrüßen ist abschließend auch die vorgesehene Verlängerung der Anerkennungen auf zwei Jahre. Hier wird sowohl der Arbeitsaufwand bei den Trägern als auch im Ministerium reduziert.

Warum dieses Gesetz nun erneut auf fünf Jahre befristet werden soll ist mir allerdings nicht nachvollziehbar. Wir plädieren hier für ein unbefristetes Gesetz!

All diese Punkte sollten m. E. in einer mündlichen Anhörung im Ausschuss mit den Bildungsträgern eingehend erörtert werden. Die dort gewonnenen Erkenntnisse könnten das neue Gesetz noch praxistauglicher machen.