Reden

Rede zur Regierungserklärung zum Thema „Erfolgreiche Polizeiarbeit: Die Hessen leben sicher!“

Rede von Hermann Schaus am 21. Februar 2017

Weiterer Redebeitrag von Hermann Schaus (Kurzintervention)

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident / Frau Präsidentin,
sehr verehrte Damen und Herren,

die Polizei macht unter erschwerten Bedingungen einen guten Job. Viel zu lange Arbeitszeiten, drei Millionen Überstunden, (doppelt so viel wie im Durchschnitt bei den anderen Landespolizeien) Verluste in der Besoldung zumindest der letzten beiden Jahre und viel zu wenig Personal.

Wenn die Polizei unter diesen Rahmenbedingungen erfolgreich ist, und 80 Prozent der Menschen in Hessen sich sicher fühlen, dann ist das einzig und allein deren Verdienst und nicht der der Landesregierung!

Die schlechten Bedingungen wurden von den CDU-Ministern schließlich mit herbeigeführt. Es waren doch deren politische Entscheidungen bei Personal und Besoldung in den zurückliegenden Jahren immer wieder einzusparen und die Arbeitszeit auf 42 Stunden pro Woche hochzusetzen.

Und deshalb halte ich für mehr als schlechten Stil, dass die CDU die Polizeiarbeit immer und immer wieder für ihre Selbstbeweihräucherung missbraucht.

Zwei Beispiele aus jüngster Zeit.
Der Minister trat vor etwa zwei Wochen groß vor die Presse und sprach sehr medienwirksam von einem schweren Schlag gegen ein salafistisches Netzwerk in Hessen. 1100 Beamtinnen und Beamten seien im Einsatz gewesen. 16 Terrorverdächtiger wurden festgenommen.

Tatsächlich fand man aber bei 56 Hausdurchsuchungen weder Waffen noch Sprengstoffe, auch Verbindungen zum IS sind bisher nicht bekannt. Es gibt wohl keine Finanzierung geschweige denn einen Namen oder eine Beschreibung dieses sogenannten Netzwerks.

Insgesamt gab es bei dieser Großaktion 16 Festnahmen von denen 15 sofort wieder auf freien Fuß gesetzt werden mussten. und es ist unklar, ob der 16. nicht ebenfalls bald wieder auf freien Fuß kommen muss, weil bei uns bis jetzt nichts Gravierendes gegen ihn vorliegt und ebenso zweifelhaft ist ob er an Anschlägen in Tunesien beteiligt war, wie medienwirksam behauptet wurde.

Nun sind wir uns sicher einig, dass man Djihaddisten und militante Islamisten im Auge haben muss. Und wo sich Gefahren ergeben, da muss man auch mit aller Entschlossenheit vorgehen.

Aber es muss auch erlaubt sein, zwei Wochen nach dem angeblich großen Schlag auch mal zu fragen, ob der wochenlange Einsatz von über 100 Polizistinnen und Polizisten und eine Razzia unter Beteiligung von über 1000 Polizistinnen und Polizisten wirklich so ein erfolgreicher Schlag war, wenn man de facto danach mit nahezu leeren Händen dasteht.
Diese Fragen diskutieren Polizeibeamtinnen und Beamte im Übrigen sogar unter sich.

Da die Polizei ohnehin völlig überlastet ist frage ich Sie, Herr Minister, ob dieser furiose Schlag nicht eigentlich ein Schlag ins Wasser war? Und ob es Ihnen nicht vielmehr um ein politisches Signal im Wahljahr ging, für das die Polizei da losgeschickt wurde.

Wenn das aber alles nicht zutrifft – Herr Minister – dann bitte ich Sie heute Stellung zu nehmen und uns und der Öffentlichkeit auch zu sagen, welches Netzwerk und welcher Terrorverdacht denn da im Großeinsatz tatsächlich bekämpft wurde.

Das zweite Ereignis ist eine Veröffentlichung der Frankfurter Rundschau von heute. Demnach schreibt das LKA derzeit alle pensionierten Polizistinnen und Polizisten in Hessen an. Man will die Pensionierten für 25 Euro in der Stunde anheuern, damit Sie eilig beim „Rückführungsmanagement“ des Landes Hessen helfen – es gäbe da keine Hinzuverdienstgrenzen zur Pension.

Auf deutsch: Weil Personalmangel bei der Polizei herrscht  werden nun dringend Pensionierte aktiviert, mit Zusatzgeld gelockt um in größerem Maß Abschiebungen durchzuführen.

Herr Minister, daraus ergeben sich eine Vielzahl von Fragen.

Und ich wäre Ihnen auch hier sehr dankbar, wenn Sie uns das heute mehr erklären würden.
•    Was ist da an Abschiebungen in großem Stil geplant?  
•    Wie soll das organisatorisch durchgeführt werden?
•    Sollen da ausschließlich verurteilte mehrfach Straftäter abgeschoben werden, wie Sie heute behauptet haben oder wie wir aus der Abschiebungsaktion  vom 8.12.2016 nach Afghanistan wissen überwiegend unbescholtene Flüchtlinge?
•    Sollen jetzt vermehrt auch jahrelang Geduldete  wieder in Kriegsgebiete zurück geschickt werden?

Meine Damen und Herren, ist damit nicht völlig klar, dass wir für die Polizeiarbeit zu wenige Kräfte haben? Oder warum brauchen Sie – ähnlich wie im Schulbereich – pensionierte Beamte, um in einem solch schwierigen Bereich handlungsfähig zu sein?

Ich frage auch: Was bedeutet  eigentlich das neu eingerichtete  „Rückführungsmanagement“ bei der Polizei? Können Sie uns das Konzept dahinter bitte erläutern?

Und ich frage weiterhin: Wollen Sie in dieser Koalition die Abschiebungen von Geduldeten in Kriegsgebiete nun auch noch forcieren?
Und ich sage in Richtung der Grünen: Die Behauptung, es würden nur Straftäter nach Afghanistan abgeschoben, ist nicht wahr und Sie wissen das auch.

Es wurden – im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die überhaupt nicht nach Afghanistan abschieben – aus Hessen, im Dezember 2016, drei junge Menschen abgeschoben, die sich nicht das Geringste haben zu Schulden kommen lassen.

Viele Fragen, wir warten auf Ihre Antworten!
Vielleicht haben Sie  Herr Minister die Freundlichkeit, das hier mal alles im Zusammenhang zu erklären.

Ich will auch bei dieser Debatte nicht versäumen darauf hinzuweisen, dass es ein schwerer Fehler der letzten 10 Jahre war, bei der Polizei so zu sparen. Immer wieder haben wir auf die zu geringen Anwärterzahlen in den letzten Jahren hingewiesen und jedes Jahr Haushaltsanträge gestellt, die von den jeweiligen Koalitionsparteien stets abgelehnt wurden.

Ich habe hier schon mehrfach gesagt: Wenn wir, wenn DIE LINKE schon sagt, es fehlt Polizei, dann stimmt doch wirklich etwas nicht in Hessen. Jetzt wo die Regierung die Not endlich erkannt hat rühmt Sie sich mit den diesjährigen hohen Anwärterzahlen. Aber das kommt alles um Jahre zu spät!

Und wenn nun allen klar ist, dass Polizeikräfte fehlen, dass Millionen Überstunden gemacht werden müssen, dann ist es umso verrückter, die vorhandenen Kräfte schlechter zu bezahlen als vergleichbare Beamtinnen und Beamte in anderen Bundesländern.

Das meine Damen und Herren ist die aktuelle Politik von Schwarz-Grün. Zu wenig Personal, immer noch die längste Wochenarbeitszeit bundesweit , dafür kaum Besoldungserhöhungen.

Und dafür soll Sie der Landtag loben, Herr Minister? Wir sagen: Nein Danke!

Lob und Anerkennung für die Polizei sieht für DIE LINKE so aus:

Erstens: Runter von der deutschlandweit längsten Arbeitszeit. Baldige Arbeitszeitreduzierung von 42 auf 40 Stunden pro Woche, mit vollem Personalausgleich.  So hatten es ja auch die Grünen im Wahlkampf versprochen. Das ist der Maßstab. Das heißt dann aber zusätzliche 330 Stellen für die Reduzierung auf 41 Wochenstunden.

Zweitens: Statt weiteren Einsparungen müssen die Tarifabschlüsse der letzten zwei Jahre nachgeholt werden. Sie können doch niemandem erklären, dass das Land Hessen 700 Millionen Überschuss macht, aber Sie bei den Beschäftigten weiter kürzen wollen.

Sie haben die Beamtinnen und Beamten von der Gehaltsentwicklung und der Entwicklung des Landeshaushalts abgekoppelt und zu Sparopfern gemacht. Damit muss Schluss sein!

Um aber nicht nur über den Minister zu schimpfen, will ich mich an dieser Stelle seiner Meinung aber auch in zwei Punkten anschließen.

Erster Punkt: Wir erleben derzeit eine entsetzliche Hetze gegen Flüchtlinge. Aber ein Flüchtling ist weder ein besserer, noch ein schlechterer Mensch. Er lebt sogar unter Umständen, die strafbare Konflikte untereinander wahrscheinlicher machen, weil Flucht zwangsläufig mit prekären Lebensumständen, mit Not und oft mit Einreise ohne Papiere zusammenhängt.

Klar ist aber auch, dass es bei Kriminalität keinen Rabatt gibt. Da Geflüchtete häufig selber Opfer von Gewalt und Straftaten werden, gilt es entschlossen vorzugehen.

Ich bin Ihnen Herr Minister dankbar, dass Sie bei der Vorstellung der Kriminalstatistik öffentlich erklärt haben, dass auch nach Überarbeitung der statistischen Methoden nicht feststellbar ist, dass Migranten krimineller seien, als andere. Diese Feststellung ist wichtig und notwendig!

Der zweite Punkt bei dem ich dem Minister Recht gebe: Hessen ist ein vergleichsweise sicheres Bundesland und Deutschland eines der sichersten Länder überhaupt. Und das ist gut so. Das ist auch etwas Wert. Und man muss es auch denen sagen, die unser Land ständig in den düstersten Farben malen.

Und weil jedes Opfer einer Straftat ein Opfer zu viel ist, müssen wir alle ein Interesse daran haben, dass dies auch weiterhin Bestand hat.

Deshalb  möchte auch ich der Polizei danken. Nicht pauschal, wie es hier immer so gemacht wird. Leider dankt hier im Landtag  jährlich niemand  z. B. den Krankenschwestern, den Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen, den Altenpflegerinnen. Und niemand betont, wie gefährlich besonders im Winter der Beruf des Straßenwärters ist.

Ich möchte der Polizei danken, weil sie tagtäglich gute Arbeit leistet die von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt bleibt und weil gegen die rechte Szene, die sich rasant entwickelt, vorgegangen wurde. In Rheinland-Pfalz wurden 155 Kilo Sprengstoff gefunden. Zwei bundesweite Razzien fanden wegen Bewaffnung und gegen die Reichsbürgerszene statt. Es werden Anklagen gegen mehrere Rechtsterroristische Vereinigungen geführt.

In der Öffentlichkeit dominiert die Wahrnehmung von Islamisten. Weil von Islamisten potentiell Gefahren gegen alle Menschen ausgehen.

Doch real hat rechte Gewalt, haben rechte Straftaten, haben Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und haben Verfahren wegen rechtem Terror in absolut dramatischer Weise zugenommen.

Jüngst wurde über einen Hassprediger aus Wiesbaden berichtet. Der Mann ruft zum Mord an Politikern, zu Gewalt gegen Migranten und zur Bewaffnung deutscher Krieger auf.

Wer zum Mord an Merkel und Martin Schulz aufruft, wer dafür auch noch massiv Zuspruch erhält und wer eine Volks-Bewaffnung gegen Migranten fordert und durchführt, der muss mit aller Härte daran gehindert werden.

Nicht nur die Lehren aus dem NSU, sondern die realen Gefahren rechter Gewalt und Hetze müssen zu Konsequenzen führen.

Wie immer in den vergangenen Debatten zur Kriminalstatistik, möchte ich auch heute darauf hinweisen, dass sie nur Tatverdächtige erfasst. Ob diese Tatverdächtigen am Ende auch die Täter sind, geschweige denn ob sie verurteilt werden und wenn ja nach wie viel Zeit und zu was – all das wissen wir nicht.

Deshalb sage ich wie jedes Mal, so auch nächstes Jahr wieder: Die von Ihnen, Herr Minister angeführte Aufklärungsquote ist irreführend. Wir wissen eigentlich nicht, wie es nach dem Verdacht weiter geht. Welche Delikte werden wie durch den Rechtsstaat verarbeitet – Keiner weiß es.

Dies kann sich aber nur ändern, in dem wir endlich eine gemeinsame Verlaufsstatistik bei Polizei und Justiz einführen.
Das sollte doch im 21. Jahrhundert  auch in Deutschland möglich sein.

Damit Polizeiarbeit noch erfolgreicher wird und die Hessinnen und Hessen noch sicherer leben können!