Reden

Rede zum Verbot der Vereinigung „Die wahre Religion“ und der damit verbundenen LIES-Stiftung

Rede von Hermann Schaus zum Antrag von CDU/Grünen am 14. Dezember im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident / Frau Präsidentin,
meine sehr verehrte Damen und Herren,

als ich den vorliegenden schwarzgrünen Antrag erstmals las, dachte ich mir: Was wollen die Antragsteller damit erreichen? Welchen Anteil hat Hessen an diesem bundesweiten Verbot? Aber wir lesen ja, dass die Landesregierung maßgeblich dabei geholfen hat, das Verbot zu erreichen und dann wird das schon stimmen.

Aber offensichtlich geht es den Antragstellern mit ihre Aufwertung zum Setzpunkt wieder einmal darum ihrer Low & Order- Politik breit darzustellen, also um die Bedienung eines bestimmten Klientels  der deutschen Bevölkerung.

Da bleibt leider wenig Platz für eine differenzierte Betrachtungsweise und schon gar nicht für kritische Fragen. Und so war auch die Debatte die wir bisher gehört haben seitens der Koalition angelegt.


Lassen Sie mich, um Missverständnisse zu vermeiden, dennoch einiges klarstellen:

Ich frage mich: War es richtig, das rechtlich schärfste Schwert, nämlich bundesweite Durchsuchungen, Verhaftungen und ein Verbot gegen den Verein „Die wahre Religion“ und der „LIES“-Stiftung einzusetzen?

Bei allen  schwierigen Abwägungen und nach allem was wir wissen und wissen können sage ich JA, es war richtig.

Weder Vereinsrecht noch Religionsfreiheit dürfen als Deckmantel für die Rekrutierung und Finanzierung dessen dienen, was unter dem sogenannten Islamischen Staat geschieht.

Sollte sich also bestätigen, dass der Verein „die wahre Religion“ und die „LIES-Stiftung“ um Geld und Kämpfer für den IS geworben oder dessen Ideologie verbreitet haben, dann ist das Verbot gerechtfertigt. So erwarte ich es aber auch bei jeder anderen zu Krieg und Terror anstiftenden und beitragenden Vereinigung!

Ich frage mich ferner: Hat man das rechtlich schärfste Schwert viel zu spät gezogen und Hasspredigern und Terrorhelfern viel zu lange zugeschaut?

Ich denke nein! Nach allem was wir wissen und wissen können, geht man mit Verboten, Durchsuchungen und Verhaftungen seit Jahren massiv gegen die islamistische Szene vor.

Die intensiven Vorbereitung der jetzigen Verbote und Durchsuchungen bedeuten ja auch, dass hier monatelang Personen und Strukturen in aller Tiefe beobachtet wurden. Und dies wiederum bedeutet immerhin, dass in die Grundrechte der Betroffenen sehr weitgehend eingegriffen wurde.



Genau deshalb warne ich aber vor einem falschen und gefährlichen Überbietungswettbewerb, bei dem so getan wird, als sei der Staat blind, inaktiv und wehrlos gegen Islamisten.

Im Gegenteil: Die bestehenden Sicherheitsgesetze sind ausreichend um mit derart massiven Kontrollen, Befugnissen und Mitteln vorgehen zu können.
 
Tun wir also nicht so als müssten die Gesetze noch weiter verschärft werden. Denn das schafft auch neue Probleme.

•    Der Staat kann ein Zeichen setzen und sagen: Bis hierhin und nicht weiter.

•    Der Staat kann deutlich machen, dass er nicht zuschaut und nicht hilflos ist.

•    Der Staat kann Stärke zeigen und versuchen Djihaddisten zu identifizieren und zu isolieren und damit IS-Strukturen bei uns frühzeitig zu schwächen.

Aber: Wir werden mit immer härteren Gesetzen und Gangarten den Konflikt nicht lösen und erreichen vor allem damit diejenigen nicht, die wir so dringend brauchen, nämlich die über 99 Prozent friedlich mit uns lebender Muslime, die mit IS und Terror nicht das Geringste zu tun haben.

•    Sie gilt es zu gewinnen und nicht unter Generalverdacht zu stellen.

•    Sie gilt es nicht auszugrenzen und in die Arme anderer zu treiben.

Genau das kann aber passieren, wenn sich die durchsetzen, die den Islam pauschal angreifen und zum allgemeinen Feindbild erklären. Es wäre der innenpolitische Worst Case, wenn sich immer mehr die Scharfmacher und Hassprediger egal welcher Seite durchsetzen.

Und deshalb ist es auch in so einer Debatte wichtig den Scharfmachern von rechts entgegen zu treten, die genau solche Debatten für sich nutzen wollen. Dazu zähle ich auch den CDU Bundestagsabgeordneten Wilsch und seine gedankenspiele zur Zusammenarbeit mit der AFD.

Meine Damen und Herren, so schwierig es sein mag: Wir brauchen gerade in solchen Debatten Augenmaß, Ruhe und Gelassenheit, angesichts der aufgeheizten Situation.

Ich möchte deshalb auch jetzt die Bedeutung von Vereinsrecht und  vor allem von Religionsfreiheit, die ja zu den höchsten Verfassungsrechten überhaupt gehört, hervorheben. Hüten wir uns davor die Religionsfreiheit zu relativieren, egal bei welcher Religion!  

Niemandem ist es verboten zu glauben, seinen Glauben zu leben und sich in Vereinen zu versammeln. Der Staat hat niemandem in den Kopf zu schauen, geschweige denn Überzeugungen zu bestrafen.

Diese Freiheits- und Bürgerrechte müssen auch dann gelten, wenn es schwer wird, wenn Menschen völlig  andere, für mich vielleicht sogar irrwitzige Vorstellungen, haben.

Doch ich sage auch: Diese Freiheit endet dort, wo sie mit anderen Verfassungsgrundsätzen in Konflikt steht. Der IS und Menschen die für ihn werben und kämpfen, haben nicht einfach nur eine andere Meinung oder Religion.

Sie versuchen nicht Kritik am Westen oder anderen Staaten vorzutragen. Sondern sie begehen schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Sie töten unterschiedslos jeden, der ihren unmittelbaren Zielen im Wege steht – übrigens zu 90 Prozent Muslime. Die Hauptopfer sind die Menschen in Syrien, im Irak, in Pakistan oder Afghanistan.

Die Hauptopfer des Terrors in Europa sind ganz normale, vollkommen unschuldige Menschen. Und das zu unterstützen ist eine schwere Straftat und hat nichts mit dem Islam als Religion zu tun.

Obwohl es neben der gemeinsamen Einschätzung zu den Grenzen der Religionsfreiheit und des Vereinsrechtes auch noch andere zustimmungsfähige Punkte im Schwarzgrünen Antrag gibt, wird sich DIE LINKE enthalten. Und zwar aus folgenden Gründen:

Sie weisen auf die Bedeutung der Prävention hin. Und richtig: Repressiv wird sich das alles nicht lösen lassen, wie ich schon ausgeführt habe. Aber was macht die Landesregierung denn präventiv?  

Wir erleben ständig, dass sie sich auf ein und dasselbe Programm berufen und sich als Vorreiter feiern. Andere Länder waren da früher und das sogenannte „Violence Prevention Network (VPN)“ ist mit seinen Aufgaben völlig überfordert.

Ja, die sind gut, die sind wichtig. Sie sollen aber mit ihren wenigen Mitarbeitern eine Einzelfallbetreuung und strukturelle Prävention bei möglichen hunderten in Frage kommenden IS-Sympathisanten durchführen.

Ich frage mich:

•    Wie erreichen wir denn alle jungen Muslime in Deutschland?
•    Wie schaffen wir es denn die einzubinden?
•    Wie können wir endlich dafür sorgen, dass auch sie gleiche Ausbildungschancen, gleiche Berufsaussichten und gleiche Chancen auf eine Wohnung haben?

Natürlich sind das auch schwierige Debatten. Aber die müssen wir führen. Alle!

Um nachhaltig  gegen Krieg und Terror vorzugehen, müssen wir uns deshalb auch mit weitergehenden Fragen beschäftigen:

•    Warum haben wir denn diesen Terror?
•    Woher kommen denn die Flüchtlinge?
•    Warum der Krieg im gesamten Orient?
•    Was hat der Westen, unter Führung der USA, da mit angerichtet?
•    Warum liefern wir immer mehr Waffen für diesen Wahnsinn?
•    Und was ist das für ein nicht enden wollendes Programm für Hass, Terror und Flüchtlinge?

Ich gebe zu, dass ich in dieser Debatte mehr Fragen als Antworten habe. Ich fürchte mich aber besonders vor jenen, die hierzu keine Fragen aber schnelle Antworten parat haben.

Ich hoffe es setzt sich auch bei uns die Erkenntnis durch, dass innenpolitische Ordnung ohne sozialen Frieden und Frieden nach außen dauerhaft nicht zu haben sein wird.