Reden

Rede zum Setzpunkt der SPD-Fraktion betreffend „Landesregierung muss endlich mit Hochdruck den Wohnungsbau fördern"

Rede von Hermann Schaus am 22. Juni 2016 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

die jüngst vorgelegten Zahlen des Wohnungsbedarfsberichts der Hessischen Landesregierung sind erschreckend. Überrascht haben sie mich allerdings nicht.

Nun ist es also amtlich: Bis 2040 werden in Hessen 517.000 weitere Wohnungen benötigt, eine gigantische Zahl, die alles andere in den Schatten stellt.

Eine Zahl, die übrigens schonungslos zu Tage fördert, was es in den vergangenen Jahrzehnten in Hessen an Versäumnissen in Sachen Wohnungsbau gegeben hat und immer noch gibt.

Eine Zahl, die auch zum Ausdruck bringt, dass das grenzenlose Vertrauen, dass der Wohnungsmarkt es schon richten werde, nun bitter bezahlt werden muss.

Vorwiegend, in großen Städten und dem gesamten Rhein-Main-Gebiet, bezahlt von Mietern mit geringen und mittleren Einkommen, die oft mehr als 50 Prozent ihres Familieneinkommens für Miete und Nebenkosten aufbringen müssen.

Die Versäumnisse der Politik der letzten Jahre, insbesondere was den ständigen Rückgang an preiswerten Sozialwohnungen angeht, werden jetzt noch deutlicher.

Ende 2014 waren bei den Wohnungsämtern der Städte rund 45.000 berechtigte Haushalte registriert. Viele warten viele Jahre auf eine bezahlbare Mietwohnung, weil der Bestand sich seit 25 Jahren von 206.000 Wohnungen auf rund 100.000 halbiert hat.

Das PESTEL Institut kam in einer Studie auf eine Zahl von rund 280.000 Haushalten, die Anspruch auf eine Sozialwohnung  in Hessen haben. Die Meisten lassen sich also gar nicht registrieren, geben schon vorher auf. Wir brauchen aber mehr Wohnungsbau, Frau Feldmeier!

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie im Zuge der zum Glück verhinderten Privatisierung der Nassauischen Heimstätte Staatsminister Dr. Schäfer hier davon sprach, dass „Wohnen keine Kernaufgabe der Landespolitik“ sei.

Dieser Satz steht sinnbildlich für den fahrlässigen Umgang der früheren Landesregierungen mit dem Thema Wohnen. Die jetzige Situation am Wohnungsmarkt ist das Resultat dieser verfehlten Politik. Und da helfen auch keine beschönigenden Anträge der Koalitionsfraktionen, die intensive Aktivitäten nur vorspiegeln.

Vor knapp zwei Wochen fand die Expertenanhörung zu unserem Gesetzentwurf gegen Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum im ULA statt.

In dieser Anhörung wurde von den Experten mehrfach betont, dass alles erdenkliche getan werden muss, um verstärkt bezahlbaren, menschenwürdigen Wohnraum zu schaffen.

Jede Maßnahme, die geeignet wäre dies zu erreichen, sei zu begrüßen. Insofern unterstützen wir den vorliegenden Antrag der SPD, da alle dort aufgeführten Punkte geeignet sind um mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen.

Aber: ebenso wie unser Gesetzentwurf gegen Leerstand und Zweckentfremdung oder die zum 01.07.2016 endlich in Kraft tretende Fehlbelegungsabgabe sind diese Forderungen nur einzelne Bausteine einer vernünftigen Wohnungspolitik.

Keine dieser Maßnahmen wird alleine ausreichen um das gewaltige Problem von 517.000 fehlenden Wohnungen bis 2040 zu beheben.

In den nächsten fünf Jahren müssen demnach also jährlich 37.000 Wohnungen zusätzlich entstehen. Das bedeutet eine Verdoppelung der derzeitigen Bautätigkeit.

Es ist vollkommen klar, dass dies eine Herkulesaufgabe ist, für die zusätzliche finanzielle Mittel in erheblichem Umfang in die Hand genommen werden müssen.

Hier reichen die derzeit bestehenden 12 Förderprogramme aber nicht mehr aus. Es ist ein erhebliches Investitionsprogramm über viele Jahre notwendig, dass deutlich über die Mittel hinausgehen muss, die Sie  z.B. im Kommunalen Investitionsprogramm als Darlehen zur Verfügung gestellt haben.

Frau Ministerin Hinz: Selbst eine Milliarde Euro bis Ende der Legislaturperiode sind dafür nicht ausreichend! Wobei mich eine genaue Aufstellung dieser Zahl sehr interessieren würde.

Die Kommunen müssen schnellstens finanziell wieder in die Lage versetzt werden, eigenen, öffentlich geförderten  Wohnungsbau zu betreiben. Dazu brauchen sie deutlich mehr finanzielle Mittel und auch „Know-how“. Dies muss im Blickwinkel sein, nicht das weitere hofieren privater Investitionen.

Diese Investitionen dürfen nicht an Schuldenbremse und Schutzschirm scheitern, denn sie sind von grundlegender gesellschaftlicher Bedeutung. Hier brauchen wir dringend andere gesetzliche Regelungen für die Kommunen, zumal ja beim Wohnungsbau den Investitionen entsprechende Werte stets gegenüber stehen!

Wir schlagen zudem vor, in allen betroffenen Landkreisen mit erhöhtem Wohnungsbedarf Wohnungsbaukoordinatoren einzurichten, um die Aktivitäten der einzelnen Kommunen besser bündeln und unterstützen zu können.

Gerade die Landkreise könnten nach unseren Vorstellungen, Wohnungsbaugesellschaften als gemeinsame Zweckverbände des Landkreises mit den Kommunen schaffen um die notwendigen Aktivitäten zur Schaffung preiswerter Wohnungen zu bündeln und wieder voran zu treiben.

Leider geht die Landesregierung jedoch immer noch viel zu zögerlich bei der Schaffung von Wohnraum vor. Es ist nicht ausreichend, wenn wir uns hier alle vier Wochen aufs Neue mit dem Thema Wohnungspolitik beschäftigen. Was die Aktivitäten der „Allianz für Wohnen“ angeht, kann eine Bewertung hier nicht vorgenommen werden, da die Fraktionen nicht zur Mitarbeit eingeladen wurden.

Beim Wohnraumangebot für Studierende habe ich bis heute von Ihnen noch keinen einzigen Vorschlag gehört, wie Sie die Situation für die hessischen Studierenden wirksam verbessern wollen. Hessen ist und bleibt Schlusslicht beim Angebot an studentischen Wohnraum.


Nur für 6 Prozent der 233.000 Studierenden in Hessen stehen entsprechende Wohnheimplätze zur Verfügung. Hessen ist hier Schlusslicht unter allen Bundesländern. Wann ändert sich das endlich?

Meine Damen und Herren,

Sie sehen es ist noch sehr viel Luft nach oben, was die Möglichkeiten zur Schaffung von bezahlbaren und menschwürdigen Wohnraum angeht.

Wir brauchen ein Investitionsprogramm, das neuen Wohnraum schafft und leerstehenden Büroraum, überall da wo es möglich ist, zu Wohnraum umwandelt.

Wir brauchen öffentliche Wohnungsbaugesellschaften, die sich wieder auf ihren Zweck besinnen und bezahlbaren Wohnraum schaffen, und sich nicht dafür brüsten, dass sie zukünftig 38 Prozent ihrer Neubauten als Sozialwohnungen bauen werden. Hier wären 98 Prozent angebracht!

Wir brauchen handlungsfähige Kommunen die egal ob sie unter dem Schutzschirm stehen oder nicht, ebenfalls schnell bezahlbaren Wohnraum für Viele schaffen können.

Wohnhäuser entstehen nicht von heute auf morgen. Hier braucht es eine mehrjährige Vorlaufzeit. Was in diesem Jahr geplant wird ist frühestens in zwei Jahren fertig.

Wir haben Ihnen als LINKE dazu in den vergangenen Jahren immer wieder Vorschläge, sowohl als Gesetze, als auch in den Haushaltsberatungen, vorgelegt. Wären unsere Forderungen umgesetzt worden, stünden wir heute vor einem deutlich geringeren Problem.

Weiter zu warten und nur zu diskutieren ist deshalb fahrlässig. Schaffen Sie endlich ein landeseigenes Sonderprogramm sowohl für den Bau von preiswerten Wohnungen, als auch für den Bau von Studierendenwohnungen, so wie wir es ihnen seit 2010 immer wieder vorschlagen.