Reden

Rede zur Änderung des Gesetzes Brand & Katastrophenschutz (Freiwillige Feuerwehr arbeitsrechtlich schützen)

Rede von Hermann Schaus am 21. Juni 2016 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident / Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,

In Deutschland wird der ganz überwiegende Teil des Brand- und Katastrophenschutz von ehrenamtlichen Kräften getragen. Doch es gibt die Sorge, ob der Nachwuchs für diese immense Aufgabe und Verantwortung weiterhin gewonnen werden kann.

Und es gab Situationen, beispielsweise beim Elbhochwasser und in der akuten Flüchtlingshilfe, wo Lücken im Katastrophenschutz allzu deutlich wurden.

Durch veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen schwindet zudem die Bereitschaft oder die Möglichkeit, sich ehrenamtlich im Katastrophenschutz einzubringen. Das ist ein Problem.

Der Landesfeuerwehrverband Hessen zählt  ca. 75.000 ehrenamtliche Feuerwehrangehörige in 2.600 Freiwilligen Feuerwehren.

Dazu muss man wissen: Etwa 90 Prozent der Organisationen im Katastrophenschutz arbeiten mit ehrenamtlichen Helfern.

In anderen europäischen Ländern ist das anders, dort gibt es viel mehr Hauptamtliche,

Das System  Freiwilliger Feuerwehren wie des Katastrophenschutzes hat sich bei uns lange und weitgehend bewährt.

Doch der dritte Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern von 2006 hat bereits auf massive Lücken sehr deutlich hingewiesen.

Die Frage nach einem möglicherweise nicht mehr funktionierenden System bei einem möglichen Tag X (einer großen Naturkatastrophe z.B.) wurde  gestellt. Und da sind wir beim Kern des Problems, über dass wir hier schon einige Male gesprochen haben:

Schüler und Studenten sollen besser und schneller in der Schule und Universität Leistung bringen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen stets flexibel am Arbeitsmarkt  sein.

Aber wer nur noch Leistung im Wettbewerb bringt, dem fehlt schlicht die Zeit zum Ehrenamt, dem fehlt die Möglichkeit zum uneigennützigen Dienst an der Gesellschaft.

Nur wenige Arbeitgeber brechen in Jubel aus, wenn man im Bewerbungsgespräch stolz auf das Ehrenamt  bei der Feuerwehr hinweist.

Die Freiwillige Feuerwehr bedeutet bei den aktuellen Wetterkapriolen z.B.,
  • dass man vom Arbeitsplatz plötzlich weggerufen werden kann.
  • Dass man(n) und Frau tage- und nächtelang im Einsatz ist.
  • Dass man auch ohne  akuten Einsatz an Übungen und Weiterbildungen teilnehmen muss.
  • Dass man dort Dinge lernt, die zwar für die Gesellschaft, aber nicht zwingend im Job von Nutzen sind.
Und hier setzt der Gesetzentwurf der SPD – wie ich zunächst finde – richtigerweise an.

Das Ziel ist laut Gesetzentwurf, Menschen bei der freiwilligen Feuerwehr arbeitsrechtlich besser zu schützen, oder sogar gegenüber anderen Arbeitsnehmern etwas besser zu stellen ist richtig.

Ob der vorliegende Gesetzentwurf allerdings dieses Ziel wirklich erreicht, da bin ich mir nicht ganz sicher.

Zum einen gebe ich zu bedenken: Aus Sicht mancher Arbeitgeber könnte es zum Einstellungshemmnis und somit zum Bumerang für Feuerwehrleute werden. Das will sicher niemand von uns!

Aber das Kalkül von vielen Unternehmen ist ja leider nicht unbedingt, arbeitsrechtlich gut geschützte Ehrenamtliche einzustellen und sozusagen diese Tätigkeiten der Freiwilligen Feuerwehren indirekt mit zu finanzieren.

Wir müssen mit Experten klären, wohin dies in der Praxis führt.

Wenn es aber in der Praxis funktionieren würde und meine Befürchtung unbegründet ist, dann sollte man das nicht nur für die Feuerwehrleute machen, sondern auch für alle Ehrenamtlichen im gesamten Katastrophenschutz.

Und neben dem vorliegenden Entwurf sollte uns und den Katastrophenschutz in einer Anhörung dringend beschäftigen, ob und wie wir den Katastrophenschutz im Ernstfall sicherer bekommen. Denn es besteht hier weiterer Handlungsbedarf!

Die Jugendfeuerwehren versorgen den aktiven Einsatzdienst leider immer weniger mit ausreichend Nachwuchs. Letztes Jahr stand beispielsweise auch die Freiwillige Feuerwehr Frielendorf-Schönborn im Schwalm-Eder-Kreis kurz vor dem Aus.

Die Einsatzbelastung und der Wegzug vieler junger Leute in die Stadt belasteten die Feuerwache sehr und damit steht sie nicht alleine da.

Nicht nur in Hessen, sondern im ganzen Bundesgebiet müssen Freiwillige Feuerwehren ihre Wachen aufgrund von Nachwuchsmangel schließen und hinterlassen dabei riesige Sicherheitslücken.

Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist aber nicht immer klar, was die 75.000 ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner tagtäglich leisten:
  • Sie stellen den Brandschutzsicher,
  • setzen sich Gefahrgut aus,
  • leisten technische Hilfestellungen,
  • arbeiten Tag und Nacht bei Katastrophenlagen,
  • retten Mensch und Tier aus gefährlichen Situationen,
  • überbrücken als „First Responder“ die Wartezeit bis der Krankenwagen eintrifft,
  • räumen unsere Straßen frei und vieles mehr.
Und das tun sie schnell, flächendeckend und mit einer unglaublichen Professionalität.

Ein wichtiger Schritt zur Nachwuchsförderung war die Änderung des Gesetzes über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz im Jahr 2007. Dadurch wurde die Einführung der Kinderfeuerwehren möglich, die mittlerweile schon 9.800 Mitglieder in Hessen zählen.

Nun müssen wir weiter gehen und tun, was nötig ist um diese Strukturen zu schützen und zu unterstützen damit das Ehrenamt der Freiwilligen Feuerwehr wieder attraktiver wird und bleibt.

Denn nur so können die Feuerwehrangehörigen die 3,5 Millionen Einsätze, die jährlich bundesweit anfallen, stemmen.

Wir hoffen alle, dass weitergehende Katastrophen nur als Übung stattfinden. Alleine die jüngsten Wetterereignisse, aber auch darüber hinaus gehend mögliche Ereignisse sollten uns aber nicht nur hoffen lassen, sondern sicher machen, im Ernstfall gut gerüstet zu sein.

Deshalb freue ich mich auf die Anhörung.