Reden

Rede zum Gesetzentwurf zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen

Hermann Schaus, Rede zum Gesetzentwurf zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen, DS 19/629.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident,

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mit der Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe hat die Landesregierung endlich eine wichtige Forderung von uns aufgegriffen. Aber worum geht es dabei?

Alle Personen oder Familien, die bei Einzug in eine Sozialwohnung eine festgelegte Einkommensgrenze nicht überschritten haben können ohne zeitliche Begrenzung in dieser mit öffentlichen Mitteln subventionierten Wohnung bleiben, selbst dann, wenn sie viele Jahre später über ein weitaus höheres Einkommen verfügen und dann keinen Anspruch auf den Bezug einer Sozialwohnung mehr hätten. 

Diese Gerechtigkeitslücke gilt es zu Gunsten der derzeit 45.000 registrierten wartenden Berechtigten so schnell als möglich zu schließen. Deshalb dürfen die zusätzlichen Einnahmen aus einer Fehlbelegungsabgabe auch nur für den Bau neuer Sozialwohnungen verwendet werden.

Vor wenigen Wochen fand in diesem Hause die öffentliche Anhörung zu den vorliegenden Gesetzentwürfen von uns und der Landesregierung statt.  

In der Tat, die Meinungen zu den Gesetzentwürfen zur Wiedereinführung waren geteilt. Da gibt es die Verbände, die für sich keinen unmittelbaren finanziellen Vorteil sehen oder diejenigen die lieber den gesamten Wohnungsmarkt weiter den Kräften der kapitalistischen Marktwirtschaft überlassen wollen.

Und es gibt diejenigen, die die Fehlbelegungsabgabe verständlicherweise als zusätzliche Mieterhöhung verstehen und dabei übersehen, dass es eine Gerechtigkeitslücke gibt.

Eine maßvolle Fehlbelegungsabgabe, die in der Lage ist diese unumstritten bestehende Gerechtigkeitslücke bei der Belegung von Sozialwohnungen zu schließen ist sinnvoll und richtig.

Das dabei in den Kommunen gleichzeitig auch finanzielle Mittel für den dringend benötigten Neubau von Sozialwohnungen erhalten ist zusätzlich ein wichtiger Effekt, aber nicht unser zentrales Anliegen.

Ich möchte aber auch daran erinnern, dass mit dem ersatzlosen Auslaufen des alten Gesetzes zum 30.06.2011 den Kommunen Einnahmen von jährlich 18 Millionen Euro verloren gingen. Aufsummiert sind das bis Mitte 2015 also 72 Millionen Euro.

In der Anhörung vom 17.10. dieses Jahres wurde von einigen Experten angemerkt, dass die Fehlbelegungsabgabe auch Mieterinnen und Mieter trifft, die knapp über der Einkommensgrenze zur Berechtigung auf eine Sozialwohnungen liegen.

Diesen Einwand darf man nicht einfach so vom Tisch wischen. Daher ist es wichtig, dass man die Einkommensgrenze so hoch ansetzt, dass niemand von einer Abgabe getroffen wird, der gerade so die Einkommensgrenze überschreitet.

Wir haben genau aus diesem Grund bereits in unserem Gesetzentwurf die Pflicht zur Zahlung einer Fehlbelegungsabgabe erst ab einer Überschreitung von 50% festgelegt. Im Regierungsentwurf hingegen beträgt die Grenze nur 20%.Dies halten wir für deutlich zu niedrig angesetzt.

Mit dieser geringen Grenze treffen sie viele Geringverdiener und erfüllen damit genau die Befürchtungen der Anzuhörenden und vieler derzeitigen Mieterinnen und Mieter.

Die Höhe der Einkommensgrenze ist für uns eine zentrale  Frage. Sie muss nachvollziehbar, begründbar und sozial ausgewogen ausgestaltet werden. Der Regierungsentwurf erfüllt diese Kriterien leider nicht.

Frau Ministerin Hinz! Sie kommen mit Ihrem Gesetzentwurf leider erst 1 ½ Jahre nach Ihren ersten Ankündigung.

Lassen Sie mich deshalb noch eine Anmerkung zu den Zeitläufen der vorliegenden Gesetzentwürfe machen.

Wir haben unseren Gesetzentwurf zur Plenarsitzung am 16. Juli 2014(!) eingebracht. Der Gesetzentwurf der Landesregierung stammt vom 07.07. diesen Jahres. Nun vermute ich, dass sie uns  Schnellschüsse vorwerfen und ihre langsame Arbeit als  sorgfältiges Vorgehen beschreiben.

In der Expertenanhörung wurde Ihr Gesetz jedoch von kaum Jemanden so richtig gelobt. Im Gegenteil: Es gab reihenweise berechtigte Kritik im Detail  an Ihrem Gesetzentwurf – also nicht bloß an der Fehlbelegungsabgabe als solche. So bedacht und sorgfältig kann Ihre Vorlage also wahrlich nicht entwickelt worden sein.

Die Fehlbelegungsabgabe könnte längst wieder eingeführt sein. Stattdessen verlegen Sie mit Ihrem kürzlich eingereichten Änderungsantrag den Beginn der Abgabepflicht sogar noch weiter nach hinten, nämlich auf den 31.12.2016.

Natürlich war die Verlegung der Einführung ein ausdrücklicher Wunsch der Kommunen, da der in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehene Start am 01.07.2016 zeitlich für die Kommunen nicht realisierbar ist.

Aber so ist das eben: Nur wenn man früher anfängt, kann man auch früher fertig sein.

Wer einen weiteren Beleg benötigt hatte, mit welcher Randständigkeit das Thema Wohnungspolitik im zuständigen Ministerium behandelt wird, der bekommt mit diesem  Gesetzentwurf der Landesregierung den Beleg. 

Die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der seit Jahrzehnten massive Rückgang der Zahl von Sozialwohnungen endlich durch eine langfristige massive Aufstockung der Fördermittel des Bundes und durch ein eigenes Landesprogramm für den Bau von jährlich 10.000 Wohnungen erfolgen muss.

Angesichts von 45.000 wartenden Familien und angesichts der noch größeren Zahl von Flüchtlingsfamilien müssen wir die öffentlichen, kommunalen Wohnungsbaugesellschaften endlich stärken und ebenso wie die bestehenden Genossenschaften stärker unterstützen.

Und zum Schluss!

Wir haben es gerade bei der landeseigenen Nassauischen Heimstätte in der Hand, dass sie sich auf ihren Gründungsauftrag vor über 90 Jahre besinnt, sich  ausschließlich für die Bereitstellung von preiswerten MIETwohnungen zu kümmern.