Reden

Privat vor Staat ist gescheitert

Hermann Schaus, Rede zur 2. Lesung des Gesetzes zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung

- unkorrigiertes Redemanuskript, es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir beraten heute, nach der Expertenanhörung vom 18. Juni, den Gesetzentwurf von CDU und Bündnis 90/Grüne in unveränderter Fassung. Zwar wurde seitens der Regierungsfraktionen im Ausschuss ein Änderungsbedarf dazu angekündigt, aber dennoch der Entwurf wie vorgelegt  eingebracht. Dieses merkwürdige Verhalten der Koalitionsfraktionen kann nur als Arroganz der Macht bezeichnet werden. Es dient nicht der Sache, wenn nun der Landtag im Schnellgang  das nachvollziehen soll, was sich CDU und Grüne im stillen Kämmerlein ausgedacht haben. Selbst wenn es sich angeblich nur um redaktionelle Klarstellungen handelt.

Dieses Verfahren betrachten wir als unangemessen. Zumindest sollte doch zuvor ihr Änderungsantrag im Innenausschuss beraten werden können und deshalb beantrage ich namens unserer Fraktion auch eine dritte Lesung durchzuführen.  Das ein Änderungsantrag zu ihrem Gesetzentwurf notwendig sein würde zeichnete sich bereits in der Expertenanhörung ab.  Der vorliegenden Gesetzentwurf  wurde von den Experten wenig gelobt und auch nicht als „großer Wurf“ bezeichnet. Im Gegenteil: Ihr starres Festhalten an der Subsidiaritätsklausel wurde weitgehend kritisiert. Ihr Credo  „Privat vor Staat“ ist gescheitert. Das gesellschaftliche Klima hat sich hierzu auf dem Hintergrund vieler negativer Erfahrungen mit Privatisierungen zwischenzeitlich erheblich gewandelt.

Etliche Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen haben dies schon länger erkannt und eine weite Öffnung für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in ihren Gesetzen längst vorgenommen. Nur Schwarzgrün in Hessen hält, gemeinsam mit der FDP, weiter krampfhaft an der Gängelung der Kommunen fest.

Die bei CDU, Grünen und FDP vorhandene Angst, Kommunen würden sich reihenweise in wirtschaftliche Abenteuer stürzen und dann vielleicht sogar Waschanlagen oder Nagelstudios betreiben ist gänzlich unbegründet Eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist mit der gesetzlichen Begrenzung auf den öffentlichen Zweck, der Angemessenheit der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und dem voraussichtlichen Bedarf, bereits stark genug eingegrenzt.

Diese Regelungen reichen völlig aus, um die wirtschaftliche Betätigung auf den gesamten Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge auszuweiten, so wie wir es in unserem Änderungsantrag gefordert haben. Darüber hinaus fordern wir, neben der generellen Abschaffung die Subsidiaritätsklausel auch, eine Rekommunalisierungsklausel in das Gesetz aufzunehmen. Wir wollen so erreichen,, dass die Kommunen auch prüfen, welche von ihren - in den letzten Jahrzehnten privatisierten - Aufgaben sie zurückholen können.

Wir haben das Vertrauen in die hessischen Kommunen, dass sie in der Lage sind, verantwortungsvolle kommunale Wirtschaftspolitik zu betreiben und ihren Einwohnern umfassende Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen.
Ihr zaghafter Schritt einer Öffnung nur bei der Energie- und Breitbandversorgung vorzunehmen reicht uns deshalb bei Weitem nicht aus.
Also, trauen sie sich doch mal was: Streichen Sie die Subsidiaritätsklausel und geben Sie dadurch den Kommunen endlich wieder ihre Handlungsmöglichkeiten zurück!