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Fünf Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU müssen die Aufklärungsbemühungen intensiviert werden


Anlässlich des 5. Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU erklärt Hermann Schaus, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE. und Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss:

„Auch fünf Jahre nach Bekanntwerden des NSU sind viele Fragen offen. Nach wie vor ist das Unterstützernetzwerk des NSU in weiten Teilen unbekannt. Aspekte wie die mögliche Verstrickung des NSU in die organisierte Kriminalität zeigen, dass die Aufklärung des NSU-Komplexes noch lange nicht abgeschlossen ist.“

Schaus betont, dass die Aufklärungsbemühungen von Untersuchungsausschüssen, dem Prozess in München, investigativen Journalisten und zivilgesellschaftlichen Initiativen dennoch nicht erfolglos seien. So habe der hessische Untersuchungsausschuss beispielsweise durch Lektüre hunderter Akten und Vernehmung von Zeugen aus dem rechten Bereich herausfinden können, dass es entgegen der damals offiziellen Lesart auch in Hessen rechtsradikale Akteure und Strukturen gegeben habe, die in internationalen rechtsradikalen Netzwerken aktiv waren und der Strategie der ‚leaderless resistance‘ des rechten Terrors anhingen. Sicherlich sei in diesem Bereich noch viel mehr herauszufinden. Die Tatsache aber, dass dem Ausschuss erst innerhalb der letzten Tage mehr als 300 Akten durch hessische Behörden zugesandt wurden, obwohl sie bereits vor über zwei Jahren angefordert wurden, sei ein hessisches Beispiel dafür, wie die Aufklärungsbemühungen durch staatliche Stellen behindert würden – das bekannt gewordene vorsätzliche Schreddern von Akten im Bundesamt sei das bundesweit bedeutsamste Beispiel.

„Die Gefährlichkeit, die von der rechten Szene ausgeht, sollte gerade in der jetzigen Situation besonders ernst genommen und nicht unterschätzt werden. ‚Combat 18‘, der militante Arm der verbotenen Organisation ‚Blood and Honour‘ formiere sich in Deutschland gerade neu, wie beispielsweise bei der Nazidemo ‚Tag der deutschen Zukunft‘ in Dortmund zu beobachten gewesen ist. Auch die ‚Identitäre Bewegung‘ stellt sich derzeit international neu auf und sucht insbesondere den Schulterschluss zu reaktionären bürgerlich-konservativen Kreisen, um mehr Einfluss zu gewinnen. Die Anzahl rechter Gewalttaten steigt weiter. Diese aktuellen Entwicklungen im Blick zu haben und Strategien dagegen zu entwickeln ist eine Voraussetzung dafür, um rechten Terror zu bekämpfen.“

Der hessische Untersuchungsausschuss interessiere sich aber nicht nur für die rechte Szene und mögliche lokale Hintermänner des NSU, sondern insbesondere auch für Fehlverhalten staatlicher Stellen im Zusammenhang mit der Ermordung von Halit Yozgat im April 2006 und deren Aufklärung. Der Ausschuss habe bereits erfolgreiche Aufklärungsarbeit geleistet: Heute sei klar, dass die Mordserie entgegen der Behauptung von Andreas Temme im Untersuchungsausschuss des Bundestages kurz vor dem Mord in Kassel im Landesamt für Verfassungsschutz thematisiert worden und er zu 99,9 Prozent zum genauen Zeitpunkt des Mordes in dem Internetcafé gewesen sei – also zumindest den Mord mitbekommen haben müsse. Außerdem habe das LfV Temme trotz der laufenden Mordermittlungen gegen ihn wieder in den Dienst nehmen wollen und das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren habe allein dazu gedient, ihm während des Verfahrens volle Bezüge zukommen lassen zu können. Dass dieses Vorgehen explizit vom damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier gebilligt worden sei, sei nur einer von zahlreichen Aspekten, die in der Vernehmung von Bouffier im nächsten Jahr eine Rolle spielen werden, so Schaus.

Pressestelle DIE LINKE. Fraktion im Hessischen Landtag
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