Jobmotor Rhein-Main? Mehr Lärm ist der Region sicher - mehr Jobs nicht

17.07.2012

Der Rhein-Main Flughafen befindet sich in bester Citylage. Er liegt mitten im Rhein-Main-Gebiet zwischen dessen vier größten Städten Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und Darmstadt. Und er verlärmt die ganze Region. Diesen Krach, so bekommen es die Menschen von den Ausbaubefürwortern in Politik und Wirtschaft immer zu hören, müssen sie hinnehmen. Denn ‚ihr' Flughafen sei ja s chließlich der „Jobmotor" der Region. Von ihm hänge die Entwicklung zig tausender Arbeitsplätze und damit unser aller Wohlstand ab. Das öffentliche Interesse daran stünde über zusätzlichen Belastungen für die Bewohner. Grund genug, diesen Jobmotor auf den Leistungsprüfstand der amtlichen Statistik zu stellen: Was bringt dieser Jobmotor für die Entwicklung von Arbeitsplätzen in der Region tatsächlich?

Wie ein Schwamm, der die Jobs in der Region aufsaugt
Der Frankfurter Flughafen ist die größte zusammenhängende Arbeitsstätte in Hessen. Wie viele Arbeitsplätze auf dem gewaltigen Areal tatsächlich angesiedelt sind, ist allerdings schwer zu beurteilen. Die offiziellen Schätzungen gehen von 70.000 bis 75.000 Arbeitsplätzen aus. Bei der Fraport AG, dem Flughafenbetreiber selbst, arbeiteten 2011 nach eigenen Angaben 19.900 Menschen. Bei der Lufthansa waren es 37.000. Das waren 1.000 bzw. 2.000 mehr als noch 2010. „Stefan Schulte, Vorstandvorsitzender von Fraport, wies darauf hin, dass die neuen Arbeitsplätze auch, aber nicht ausschließlich auf die neue Landebahn zurückzuführen seien." (FAZ, 23.03.2012) Glaubt man den offiziell verlautbarten Zahlen, dann sind in den vergangenen rund zehn Jahren durchschnittlich 1.000 Arbeitsplätze pro Jahr am Flughafen zusätzlich entstanden. Das geschah recht kontinuierlich. In diese Zeit fiel allerdings auch die Eröffnung bzw. der Umzug der Cargo City Süd. Im Zuge dessen wurden rund 4.700 Arbeitsplätze der Lufthansa-Frachtabteilung auf das Flughafengelände verlagert. So können sie nun zum Flughafen gerechnet werden. Weitere Verlagerungen fanden bei Speditionen in der Region statt, die lediglich von den umliegenden Kommunen in die Cargo City Süd umsiedelten. Nur rund 800 neue Stellen wurden hier tatsächlich eingerichtet.

Über die Qualität der Arbeit am Flughafen gibt es ebenfalls kaum verlässliche Angaben. Das liegt zum einen daran, dass am und um den Flughafen herum mehrere hundert Einzelunternehmen tätig sind. Zweitens liegt es daran, dass deren Mitarbeiterzahlen Betriebsgeheimnis sind, die sie nicht veröffentlichen müssen. Und drittens liegt es daran, dass die Fraport und ihr nahestehende Einrichtungen zwar gelegentlich Zahlen veröffentlichen. Diese Zahlen geben jedoch nicht die tatsächliche Situation wider. Die Erfassung der am Flughafen ansässigen Firmen, auf die sich Fraport gerne bezieht, ist grob fehlerhaft, weil nicht alle Arbeitnehmer der hier aufgezählten Firmen unmittelbar am Flughafen arbeiten. Der Frankfurter Flughafen zählt zum Arbeitsamtsbezirk Frankfurt. Eine eigenständige offizielle Arbeitsmarktstatistik kann deshalb nicht erstellt werden. Dies ist politisch auch nicht gewollt, denn dann könnte den Befürwortern des Flughafenausbaus ihr Hauptargument abhandenkommen. Alle öffentlichen Zahlen stammen also von Fraport. Selbst die Landesregierung bezieht sich bei parlamentarischen Anfragen stets auf die „Angaben von Fraport."

Die Fraport-Zahlen täuschen über die Tatsache hinweg, dass mit der weiteren Konzentration von Geschäften, Firmen und Hotels lediglich eine Verlagerung von Arbeitsplätzen aus der Region an den Flughafen stattfindet. Mit anderen Worten: Einzelhandelsgeschäfte, aber auch Logistik- und andere Unternehmen, die sich in der Vergangenheit am Flughafen angesiedelt haben, haben bei dieser Gelegenheit oft andere Standorte geschlossen und summa summarum nicht unbedingt neue Arbeitsplätze geschaffen.

Kein Einfluss des Flughafens auf die Arbeitsmarkt-Statistik in der Region nachweisbar
Die Redaktion von des ARD-Magazins Report Mainz ging der viel gepriesenen Neuschaffung von Arbeitsplätzen in der Sendung vom 14. Februar 2012 nach und kam zu folgendem Ergebnis:

„Bei mehr als 5.300 von rund 7.000 Jobs, die laut dem Flughafenbetreiber Fraport bei Firmen rund um den Flughafen entstanden oder bereits fest eingeplant sind, handelt es sich um reine Verlagerungen innerhalb der Region... Fraport prognostiziert seit Jahren 100.000 neue Arbeitsplätze durch den Flughafenausbau. Davon sollen mehr als die Hälfte nicht direkt am Flughafen entstehen, sondern im Umfeld des Flughafens - zum Beispiel bei Firmen, die sich dort ansiedeln.

Das Magazin hatte den Flughafenbetreiber Fraport nach Firmen gefragt, die mit ihrer Ansiedlung am Flughafen Arbeitsplätze geschaffen oder geplant hätten. Fraport nannte daraufhin 6.540 Arbeitsplätze, die bei Firmen entstanden seien. Weitere 500 seien definitiv geplant. Fraport nannte dem Magazin zudem exemplarisch 17 Firmen, die solche Arbeitsplätze geschaffen hätten. Auf Nachfrage von REPORT MAINZ erklärten die Firmen allerdings, viele der Arbeitsplätze seien nur von bestehenden Firmenstandorten im Rhein-Main Gebiet in neue Gewerbegebiete am Flughafen verlagert worden. Aus den Antworten der Firmen ergibt sich, dass mehr als 5.300 Arbeitsplätze bereits vorhanden waren."

Dieses Ergebnis, erklärt Report Mainz weiter, überrasche nicht, da es sich mit den Prognosen unter anderem des Ökonomen Dr. Friedrich Thießen, Professor an der Universität Chemnitz, decke, der das so genannte Mediationsverfahren der Landesregierung zum Flughafenausbau begleitete und kritisch ausgewertet hat.

Thießen hat dazu die Studien ausgewertet, die im Rahmen des Mediationsverfahrens in Auftrag gegeben wurden, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des geplanten Baus der Landebahn Nordwest vorauszuberechnen. Die erste dieser Wirtschaftlichkeitsstudien, W1 genannt, wurde vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen erstellt und kam 1999 zu dem Ergebnis:

„Ein Einfluss einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt ist statistisch nicht nachweisbar."

Der Hauptgrund dafür sei:
„Flughäfen schaffen netto keine Arbeitsplätze; sie verdrängen nur andere Arbeitsplätze vorwiegend aus dem produzierenden Gewerbe."

Professor Thießen hat in zahlreichen Vorträgen und Untersuchungen die gravierenden vor allem methodologischen Mängel der Studien dargelegt, die von den Hauptakteuren des Mediationsverfahrens - Landesregierung, Fraport und Lufthansa - in Auftrag gegeben wurden, um die Erkenntnisse der Studie W3 zu widerlegen. Die vernichtende Kritik, die er und andere Zweitgutachter an diesen, wie er sie nennt, Gefälligkeitsgutachten geübt haben, ist unter anderem beim Rhein-Main-Institut archiviert und vollständig öffentlich zugänglich. Zusammenfassend schreibt Thießen:

„Letztlich kann diese Out-of-sample-Überprüfung auch als Beweis gewertet werden, wie stark die Methodik von G 19 bzw. W4 [den beiden letzten erstellten Studien] ergebnisorientiert manipuliert worden war. Es gibt den Begriff des Gefälligkeitsgutachtens. Dieser Begriff scheint auf kaum ein Gutachten so zu passen wie auf das Gutachten W4 im Mediationsverfahren bzw. G 19.2 im Ausbauverfahren. Es ist erschreckend, dass sich Politik und Gerichte nicht stärker gegen eine derartige Gutachtertätigkeit und auch gegen eine Gutachterbeauftragung, die zu solchen Gutachten führt, wehren."

Eine Verbindung zwischen der Existenz oder dem Ausbau eines Flughafens und der wirtschaftlichen Entwicklung der umliegenden Region ist weder logisch noch statistisch anhand der Erfahrungen mit anderen Flughäfen oder auch mit wirtschaftlich starken Regionen wie zum Beispiel Wolfsburg, Hamburg oder Düsseldorf nachzuweisen. Beides kann zusammen auftreten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass wirtschaftlich starke Regionen dies auch schon vor dem Bau eines (großen oder internationalen) Flughafens waren, während andere Regionen auch wuchsen, ohne über einen Flughafen zu verfügen.

Dies fand auch der Frankfurter Regionalplaner Bernd Hausmann heraus, der die Arbeitsplatzentwicklung der letzten Jahre in der gesamten Rhein-Main-Region - also über den Flughafen hinaus - betrachtete und zu folgenden Ergebnissen kam:

„Betrachten wir zunächst die Entwicklung im neuen Jahrtausend, zwischen den beiden Boomjahren 2001 und 2011, und schauen wir uns die Entwicklung der versicherungspflichtig Beschäftigten an, also der (mehr oder minder) ‚good jobs'. Ihre Zahl ist in den letzten zehn Jahren in Frankfurt a.M. gerade mal um 1,0% gestiegen. In der gesamten Region, also Frankfurt a.M. und den angrenzenden Kreisen (Groß-Gerau, Hochtaunus, Main-Kinzig, Main-Taunus, Offenbach Stadt und Land sowie Wetterau), hatten wir quasi Null-Wachstum (+0,1%), in ganz Südhessen war es auch nicht viel mehr (+0,2%), wohingegen das Beschäftigtenwachstum in Mittelhessen (+3,4%) und in Nordhessen (+4,9%) noch über dem Durchschnitt Westdeutschlands (+3,2%) lag. Im gesamten Hessenland lag die Beschäftigtenzunahme aufgrund der Wachstumsschwäche Südhessens nur bei 1,4%, noch nicht mal halb so hoch wie im westdeutschen Durchschnitt.

Je weiter man sich vom Frankfurter Flughafen entfernt, desto stärker war somit das Beschäftigtenwachstum. Ein schöner ‚Jobmotor', könnte man daraus schließen: Wir im Rhein-Main-Gebiet haben den Krach, und in Nord- und Mittelhessen sowie im Rest der Republik entstehen die Jobs?

Ganz falsch, werden die Befürworter sagen. Unser Flughafen hatte ja kaum noch freie Kapazitäten, deshalb mussten wir ihn ja auch ausbauen. Und nunmehr, nachdem sich seine Kapazität um die Hälfte erhöht hat, da steigt zwar auch die Lärmbelastung, zugegeben, aber zukünftig kann unser ‚Jobmotor' wieder mit voller Kraft arbeiten.

Doch die gleiche Situation hatten wir schon mal: Auch mit dem Bau der Startbahn 18 West ist die Kapazität von FRA um die Hälfte gestiegen. Und was hatte dies für Auswirkungen auf die Entwicklung der Zahl der Arbeitsplätze in unserer Region?

Zwischen 1985 (also gleich nach der Inbetriebnahme der Startbahn 18 West) und 1997 (als Lufthansa-Vorstand Weber erstmals auf drohende Kapazitätsengpässe auf FRA hingewiesen hatte und einen weiteren Ausbau forderte) ist die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten in Frankfurt a.M. um 3,1% gestiegen (s. Abb.2). In der gesamten Region betrug die Beschäftigtenzunahme 8,7%, in Südhessen 7,9%, in Mittelhessen jedoch 11,0% und in Nordhessen 13,9%, im Bund (West) 8,5%. Wie sich die Bilder gleichen: Das Beschäftigtenwachstum in Nord- und Mittelhessen sowie in ganz Westdeutschland war also auch damals, trotz der Inbetriebnahme der neuen dritten Bahn auf FRA, höher als in Südhessen.

Die Entwicklung der versicherungspflichtig Beschäftigten in Südhessen verläuft seit 1978, seit es diese Statistik gibt, fast identisch mit der im Bund (West), nur die Standortgemeinde von FRA, die Stadt Frankfurt a.M., zu der auch alle Flughafen-Beschäftigten zählen, hinkt deutlich hinterher (s. Abb.3). Von einem positiven Beschäftigungseffekt des Flughafens ist in der amtlichen Statistik nichts zu erkennen. Auch eine neue Bahn für den angebliche ‚Jobmotor' der Region brachte die Zahl der Jobs in seinem Umfeld nicht in einen steilen Steigflug.

Die Erfahrung mit der Startbahn 18 West lehrt uns für die neue Landebahn Nordwest: Mehr Lärm ist der Region sicher. Mehr Jobs nicht."

Flüge auf die Schiene
Das zentrale Argument der Ausbaubefürworter lautet, dass der Flugverkehr perspektivisch an Bedeutung gewinnen werde und die Kapazitäten des Flughafens ohne die neue Landebahn nicht ausreichen würden, um dem erwarteten Ansturm gerecht zu werden. Manche Prognosen gehen von einer Verdopplung des Flugverkehrsvolumens in den kommenden Jahren aus. Sollte der Frankfurter Flughafen seine Kapazitäten nicht ausbauen, würden Airlines verstärkt auf andere Flughäfen ausweichen, und zwar nicht proportional, sondern exponentiell. Mit anderen Worten: Eine Begrenzung der Kapazitäten auf dem gegenwärtigen Stand würde dazu führen, dass nicht nur die Flüge umgeleitet würden, die keinen Platz mehr in Frankfurt haben. Frankfurt würde qualitativ als „Hub", also in seiner Funktion als zentraler Umsteige- und Umverladungsflughafen, verlieren. Und dies würde dazu führen, dass Airlines ihre kompletten internationalen Flugrouten umlegen würden. Gegenwärtig nutzt rund die Hälfte der Fluggäste, die in Frankfurt abgefertigt werden, den Flughafen nur zum Umsteigen. Frankfurt ist der „Hub" der Star Alliance, eines Zusammenschlusses mehrerer Airlines unter maßgeblicher Beteiligung der Lufthansa.

Das andere hiermit verbundene Argument ist, dass Fluggäste und Airlines auf andere Flughäfen umsteigen würden, wenn Frankfurt tatsächlich voll ausgelastet wäre und bestimmte Flüge nicht mehr abfertigen könnte. Dies würde Frankfurt langfristig schwächen, weil seine Konkurrenten aufsteigen würden.

Dem hält DIE LINKE die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der verkehrspolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Leidig MdB, entgegen (Drucksache 17/9274). Dort heißt es: Im Jahr 2011 lagen 30 Prozent aller Flüge, die von Frankfurt abgingen, im Entfernungsbereich unter 500 km. 17 Prozent lagen im Bereich unter 400 km und knapp 9% sogar im Bereich von weniger als 300 km. Alle diese Flüge könnten problemlos auf die Bahn verlagert werden. Mit dem bestehenden Bahnfahrplan könnten sofort 16 Prozent aller Flüge durch Bahnfahrten mit weniger als vier Stunden Reisezeit ab Frankfurt/Main Hauptbahnhof ersetzt werden. Die Verlagerung dieser Flüge - das waren 2011 rund 72.800 - könnte von Fraport, den betroffenen Fluggesellschaften und der Deutschen Bahn ohne große Investitionen schnell realisiert werden. Mittelfristig, bei Ausbau der bereits beschlossenen Pläne der Bahn, könnte sogar auf 134.000 Flüge verzichtet werden. Dieser Verzicht würde die Hub-Funktion des Flughafens nicht gefährden.

Dieser Umstieg würde die Region allerdings langfristig nur entlasten, wenn gleichzeitig die maximale Zahl der jährlichen Flugbewegungen im Planfeststellungsbeschluss auf 380.000 begrenzt wird. Eine Reduzierung des Flugverkehrs ist allein aus Gesundheitsgründen dringend geboten. Von den Verantwortlichen wird ignoriert, dass selbst die für einen guten Gesundheitsschutz deutlich zu hohen gesetzlichen Grenzwerte, gerade was den Fluglärm und die Belastung mit Abgasen aus der Kerosinverbrennung betrifft, um den Frankfurter Flughafen herum zum Teil deutlich überschritten werden. Neben Berlin leidet die Rhein-Main-Region unter der höchsten Kohlenstoffdioxidbelastung der Luft in Deutschland.

Dem Wachstum sind Grenzen gesetzt
Wirtschaftspolitisch ist die rücksichtslose Konkurrenz der deutschen (und anderen) Flughäfen untereinander kein sinnvolles Prinzip, denn sie motiviert zur Lohndrückerei und führt langfristig zum Marktausscheiden der unterlegenen Konkurrenten. Angesichts der zahlreichen Arbeitsmigrant_innen, die der Frankfurter Flughafen nicht zuletzt aus den neuen Bundesländern anzieht, ist es besonders unsinnig zu argumentieren, dass die Arbeitsplätze, die hier durch den ausufernden Flugverkehr gesichert werden, nicht abwandern oder anderswo neu entstehen dürften. Als Alternativen zu FRA stehen vor allem Frankfurt Hahn und Leipzig zur Diskussion.

Die wirtschaftliche Strategie, die hinter dieser Argumentation steht, läuft schlicht und ergreifend darauf hinaus, dass Frankfurt seine marktbeherrschende Stellung gegenüber den anderen internationalen Flughäfen sichern und ausbauen soll. Das mag aus der Perspektive eines profitorientierten Einzelunternehmens sinnvoll sein – volkswirtschaftlich, gesundheitspolitisch in vielerlei anderer Hinsicht ist es das aber nicht.

Ähnliches lässt sich zur Frage der Hub-Stellung von Frankfurt sagen. Denn ebenso wie die Airlines sich zu Allianzen zusammenschließen, stünde dies natürlich auch Flughäfen offen. Da mindestens der Hälfte aller Frankfurter Fluggäste ohnehin egal ist, dass sie sich gerade im Frankfurter Umland befinden, wenn sie von einem Flugzeug ins nächste eilen, spricht nichts dagegen, andere Flughäfen an dieser Funktion zu beteiligen. Dies könnte wirtschaftlich zu einer ausgeglicheneren Entwicklung zwischen den Regionen führen und würde das Rhein-Main-Gebiet erheblich entlasten. Eine Kooperation mit Leipzig zum Beispiel ließe sich politisch leicht in die Wege leiten, da die Fraport sich weiterhin mehrheitlich im Besitz des Landes Hessen (rund 30%) und der Stadt Frankfurt (knapp über 20%) befindet, während die Gesellschafter der Mitteldeutschen Airport Holding AG, der Leipziger Flughafenbetreiberin, ausschließlich Gebietskörperschaften sind, und zwar der Freistaat Sachsen mit 76,64 %, das Land Sachsen-Anhalt mit 18,54 % sowie die Städte Dresden, Leipzig und Halle.

Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens, dass die damalige Hessische Landesregierung bei der Teilprivatisierung des Flughafens im Zuge der Gründung der Fraport AG darauf Wert legte, dass Land und Stadt Frankfurt im Mehrheitsbesitz des Unternehmens blieben, gerade um einen weiteren Ausbau des Flughafens durchsetzen zu können. Offensichtlich ging man davon aus, dass private Investoren eher nicht investieren würden, sondern sich an ihrem Eigentum nur kurzfristig bereichern. Später wurde in die Satzung der Fraport extra das Ziel des Flughafenausbaus aufgenommen. So heißt es nun: „Gegenstand des Unternehmens ist insbesondere der Betrieb, die Unterhaltung, die Entwicklung und der Ausbau des Flughafens Frankfurt Main."

Technisch würde eine bi- oder multilaterale Kooperation das Problem der Drehscheibenfunktion womöglich nicht lösen. Dies liegt unter anderem daran, dass der Großteil des im Flugverkehr transportierten Frachtguts in Personenflügen mittransportiert wird, sich also nicht ohne weiteres vom Personenverkehr trennen lässt, und außerdem seine Verteilung Logistikzentren voraussetzt, die sich ohne weiteres dezentralisieren lassen. Die Drehscheibenfunktion wächst exponentiell mit der Zahl der verbundenen Flugzeuge und –routen.

Langfristig wird daher eine Deckelung der Flugbewegungen in Frankfurt dazu führen, dass Frankfurt seine Drehscheibenfunktion teilweise einbüßen wird. Dies wird gegebenenfalls zu wirtschaftlichen Verlusten und Arbeitsplatzabbau führen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass der Flugverkehr seine explosionsartige Entwicklung aller Wahrscheinlichkeit nach langfristig so oder so nicht wird fortsetzen können. Ökologisch wäre dies eine mittlere Katastrophe, ist doch der Flugverkehr die energieaufwendigste und klimaschädlichste Verkehrsart. Vor allem aber wird Peak Oil beizeiten dazu führen, dass sich die Flugpreise trotz Ausweitung der Dumpingentlohnung der Beschäftigten und trotz Steuerbefreiung des Kerosins merklich erhöhen werden.

Fazit
Das Wachstum des Frankfurter Flughafens hat in der Vergangenheit keineswegs die versprochenen Arbeitsplatzzugewinne gebracht. Die Fantasiezahl von 100.000 neuen Arbeitsplätzen, die als Folge des Baus der neuen Landebahn vorausgesagt wurde, wird sich aller Wahrscheinlichkeit nie verwirklichen. Dies überrascht angesichts der wissenschaftlichen Untersuchungen zur Korrelation von Flughafen(aus)bauten und regionaler Wirtschaftsentwicklung auch nicht. Die Zunahme des Flugverkehrs geht außerdem logisch mit einer Verschlechterung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der im Flugverkehr Beschäftigten einher, denn die stetige Verbilligung des Flugverkehrs ist nur durch die verstärkte Schaffung von Billigjobs zu schaffen. Dies betrifft in Deutschland vor allem das einfache Bodenpersonal, die Fluggastbetreuung, die Logistiker und die Sicherheitsdienste. In den USA zum Beispiel hat der Trend aber längst auch die Piloten erreicht.

Verkehrspolitisch sollte dringend in den Ausbau und die Verbesserung des Schienenverkehrs investiert werden. Für den Großteil der per Luft transportieren Passagiere und Güter ist die Bahn als Alternative zum Flugzeug gut zumutbar. Investitionen in den Schienenverkehr haben eine deutlich stärkere Wirkung auf die Schaffung von Arbeitsplätzen als der Luftverkehr.

Eine Begrenzung des bislang prinzipiell unbegrenzten Wachstums des Frankfurter Flughafens wird negative Arbeitsplatzauswirkungen haben, denn es wird langfristig wahrscheinlich zu Verlagerungen von Fahrgästen und Frachtgut zu anderen europäischen oder außereuropäischen Flughäfen kommen.

Die negativen Folgen des Flugverkehrs und die damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken werden bei weiterem Ausbau und weiterer Steigerung des Flugverkehrs langfristig die Attraktivität der Region als Wohn-, Arbeits- und Lebensraum beeinträchtigen und damit die Attraktivität auch für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen eher verringern.

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