140x190 willi van ooyenWilli van Ooyen

schied im Frühjahr 2017 aus dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
 
   
 

 
  


Reden

Kommunaler Finanzausgleich 2016: Anschlag auf die politische Kultur

unredigiertes Redemanuskript
- es gilt das gesprochene Wort -

Meine Damen und Herren, Herr Präsident!

Der Ausgangspunkt der heutigen Debatte ist die verfassungswidrige Kürzung des KFA um 350 Millionen Euro jährlich seit dem Jahr 2011. Damals hatte sich eine schwarz-gelbe Landesregierung daran gemacht den Landeshaushalt auf Kosten der Kommunen zu sanieren und ihnen einfach 350 Millionen Euro aus dem KFA gestrichen.

Im Ergebnis hat nicht nur die Landesregierung vor dem Staatsgerichtshof verloren, im Ergebnis haben vor allem die Kommunen verloren und die Menschen die vor Ort auf eine handlungsfähige kommunale Selbstverwaltung angewiesen sind.

Denn mittlerweile gilt, dass Hessen als eines der reichsten Bundesländer die ärmsten Kommunen hat. Konkret hatten Hessische Kommunen im Jahr 2013 die zweithöchsten Defizite je Einwohner im Vergleich der Flächenländer (mit 183 € je Einwohner; nur im Saarland war das Defizit höher mit 321 € je Einwohner). Da hilft auch Ihr Vergleich, Herr Minister,  von 2008 und die anschließende Entwicklung bis heute nicht darüber hinweg.

Insgesamt hatten die Hessischen Kommunen 2013 ein negatives Finanzierungssaldo von 792 Millionen Euro. Der regelmäßige Hinweis dies liege vor allem an den zu niedrigen Grundsteuerhebesätzen ist falsch – beim Aufkommen der Grundsteuer B liegt Hessen ziemlich genau im Durchschnitt aller Flächenländer – im Vergleich mit den Flächenländern West sogar leicht darüber.
Allein die Hebesätze sehen in Hessen etwas niedriger aus als in anderen Bundesländern, beim Aufkommen gibt die Statistik diesen Unterschied aber nicht her – wohlgemerkt werden aber gerade in Hessen die Kommunen seit dem Schutzschirm und den letzten Erlassen des Innenministers zum weiteren und flächendeckenden Anheben der Grundsteuer gedrängt.

In dieser, von der Landesregierung herbeigeführten Situation, in der den Kommunen von der Landesregierung die Mittel gestrichen wurden, hat die Stadt Alsfeld erfolgreich gegen den KFA geklagt.

Mit dem Urteil verwarf der Staatsgerichtshof dann aber nicht nur die Kürzung der Zuweisungen des Landes an die Kommunen, sondern gleich die gesamte Systematik des KFA. Von nun an sollten die Steuereinnahmen des Landes nicht mehr nach einer bestimmten Quote (24 % der Steuermasse), sondern nach einer Bedarfsermittlung festgelegt werden.

Wir alle sind uns darüber bewusst, dass es sich dabei, zweifelsohne um einen Systembruch bei der Verteilung der Mittel zwischen Land und Kommunen handelt. Und überraschend kam dieser Schritt auch, ist doch der Ausgangspunkt für den KFA im Grundgesetz der Artikel 106, wo im Absatz 7 steht:
„Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu.

Im Übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt“

Von diesem Hundertsatz können wir nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs getrost Abschied nehmen und mit uns auch die Kommunen.

Der zentrale Satz des Urteils des Staatsgerichtshofes lautet:
„Die Fortschreibung eines historisch gewachsenen, im Laufe der Zeit akzeptierten, aber auf keiner Analyse des kommunalen Finanzbedarfs beruhenden Zustandes ersetzt nicht die verfassungsrechtlich gebotene Ermittlung des aus den aufgabenbedingten kommunalen Ausgaben in Gegenüberstellung zur kommunalen Finanzkraft resultierenden kommunalen Finanzbedarfs und dessen Anpassung an sich verändernde Verhältnisse.“

Die Landesregierung hat nun also den Auftrag ein grundlegend neues KFA System auf den Weg zu bringen. Und ich bin gespannt, wie das bis zum Ende dieses Jahres noch beschlossen werden soll. So wie die Debatte in den letzten Monaten verlaufen ist, ist aber eines schon klar: der neue Stil dieser Landesregierung hat dazu geführt, dass mit allen beteiligten Kommunen viel geredet wird, aber am Ende das Land keinen Cent mehr Geld gibt.


Abgesehen von der Tatsache, dass wir als Parlament den letzten Entwurf für den KFA, nach dem nun die Stadt Frankfurt sich etwas mehr Luft verschaffen konnte, gar nicht kennen - eins steht schon jetzt fest: die Kommunen werden nicht besser gestellt. Und das Land wird weiter versuchen die Schuldenbremse auf die Kommunen abzuwälzen.

Fangen wir doch einmal an bei der Bedarfsermittlung. Wie gesagt – den genauen Gesetzentwurf kennen wir noch nicht - aber die Systematik hat uns der Finanzminister bereits eingehend erläutert. Mit dieser Bedarfsermittlung hatten die Kommunen eigentlich die Hoffnung verbunden, dass das Land ihnen mehr Geld zukommen lässt.

Denn es ist überhaupt nicht schlüssig, warum die große Zahl der Hessischen Kommunen seit Jahren erhebliche Defizite einfährt und dabei gleichzeitig kräftig an den Steuersätzen vor allem bei der Grundsteuer gedreht wird.

Die Landesregierung geht nun aber in ihrer Bedarfsermittlung so vor, dass sie einfach annimmt, dass die Kommunen die für eine Aufgabe mehr als der Durchschnitt ausgeben, bereits unwirtschaftlich sind. Mit anderen Worten geht die Landesregierung davon aus, dass die durchschnittliche Hessische Kommune Steuergeld verschwendet.

Ich muss gestehen, dass dieses Vorgehen äußerst clever ist. Denn die Landesregierung hat so einen offensichtlich böswilligen Weg gefunden, die Kommunen auch weiter so schlecht zu finanzieren, dass in vielen Kommunen praktisch kein Spielraum für freiwillige Leistungen besteht.

Aber Sie können mit Ihrer Zahlenakrobatik nicht übertünchen, dass die Menschen andere Vorstellungen über sozial gerechte Verhältnisse haben, als Sie ihnen zugestehen wollen. Das wird sich auch in der Auseinandersetzung bei den anstehenden Kommunalwahlen zeigen.

Sie haben einen Weg gefunden bei dem die Kommunen auch in den kommenden Jahren sich darauf verlassen können, dass die Landesregierung sie vor allem als lästigen Kostenfaktor betrachtet und sie haben einen Weg eingeschlagen, bei dem der Bedarf der Kommunen soweit klein gerechnet wird, dass am Ende die kommunale Selbstverwaltung nur noch darin besteht, selbst entscheiden zu dürfen, in welcher Reihenfolge die Leistungen der Kommune zuerst gestrichen werden.

Es mag sie überraschen, aber auch ich lese das Urteil dieses Staatsgerichtshofes so, dass der Landesregierung dieser Spielraum zusteht. Ich würde es zwar begrüßen, wenn der Staatsgerichtshof bei einer erneuten Klage hessischer Kommunen, diese weiter stärkt – allein mir fehlt der Glaube.

Und das Problem dieses KFA ist auch nicht, ob er verfassungsgemäß ist. Das Problem ist, dass diese Landesregierung offensichtlich nicht gewillt ist, die Kommunen besser zu stellen. Dort liegt das Problem! Denn darin liegt die politische Entscheidung dieser Landesregierung.

Sie können sich entscheiden einen KFA zu gestalten in dem das Land sich weiter auf Kosten der Kommunen saniert, oder sie könnten den Kommunen endlich deutlich mehr Geld zukommen lassen.

Diese Landesregierung kann sich bei der Neuregelung des KFA nicht hinter der Rechtslage verstecken – wenn die Kommunen in Hessen auch in den kommenden Jahren nicht genügend Geld für die Erfüllung ihrer Aufgaben haben, dann ist das eine politische Entscheidung, die CDU und Grüne zu verantworten haben.

Sie sind es, die dafür verantwortlich zeichnen, wenn die Grundsteuer für Rentner, Alleinerziehende, Studierende und einfache Arbeitnehmer immer weiter steigt, weil den Kommunen das Wasser bis zum Hals steht. Und sie sind auch dafür verantwortlich, wenn bei öffentlichen Einrichtungen in den nächsten Jahren immer weiter gekürzt wird.

Daran ändert auch nicht der neue Stil, den diese Landesregierung den Kommunen gegenüber an den Tag legt. Es ist ja schön, dass CDU und Grüne mittlerweile mit den Kommunen sprechen, bevor sie weitreichende Änderungen beim KFA vornehmen – allerdings ändert das offensichtlich nichts substantiell an den Ergebnissen. Es ist ja schön, dass die Stadt Frankfurt sich ein wenig Luft verschaffen kann und es ist auch für einige abundante Kommunen schön, wenn sie etwas mehr Geld behalten dürfen.

Allerdings hat die Landesregierung damit vor allem den Kampf um die zu knappen Mittel organisiert, den die Kommunen jetzt untereinander austragen dürfen. Denn was die einen mehr an Geld haben, wird schließlich bei den anderen fehlen.
Unsere Zustimmung wird eine KFA Reform die den Kommunen insgesamt nicht deutlich mehr Mittel zur Verfügung stellt nicht bekommen.
Selbst wenn Teile des neuen KFA aus unserer Sicht ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sind – etwa bei der Anhebung der Nivellierungshebesätze – eine KFA Reform, die darauf abzielt, die unzureichenden Mittel nur neu zu verteilen, wird die Probleme nicht lösen.  Und deshalb sehen wir auch noch viel Beratungsbedarf.

Wir fordern sie auf endlich dafür zu sorgen, dass die Kommunen die Mittel bekommen, die sie benötigen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Es kann nicht angehen, dass diese Landesregierung die Kommunen immer weiter in die Verelendungsfalle treibt und ihnen vorschreibt, welche Ausgaben sie zu kürzen haben und wie sie Gebühren und Grundsteuern zu erhöhen haben. Diese unsoziale Politik lehnen wir ab!
Was die Landesregierung hier tut ist das Abwälzen der Schuldenbremse auf die Kommunen. Wir haben immer erklärt, dass mit der Einführung der Schuldenbremse genau das geschehen würde.
In fast oberlehrerhaftem Ton hat uns dann der jetzige Grüne Wirtschaftsminister gern erklärt, dass die Schuldenbremse dazu nicht da sei, sondern dazu führen würde, dass endlich Steuern auf hohe Vermögen und Einkommen erhöht würden.
Aber ich frage sie: Wo ist denn der Antrag der schwarz-grünen Landesregierung im Bundesrat zur Wiedereinführung der Vermögensteuer oder für eine Vermögensabgabe? Dabei ist es nicht nur Verfassungsauftrag die Kommunen angemessen auszustatten. Es ist auch Verfassungsauftrag der Einnahmeverantwortung nachzukommen.  Im Übrigen steht dafür nicht die Grunderwerbsteuer in der Hessischen Verfassung. Was aber in der Verfassung steht ist der Artikel 47 Absatz 1, dort heißt es:
„Das Vermögen und das Einkommen werden progressiv nach sozialen Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der familiären Lasten besteuert.“

Ich stelle fest, dass Vermögen gegenwärtig nicht progressiv besteuert werden und dass die Landesregierung auch nichts dafür tut, das sich dies ändert. Die Folgen dessen dürfen jetzt die Kommunen ausbaden, in denen vielerorts nur noch darüber entschieden wird, in welcher Reihenfolge Leistungen gestrichen und Gebühren erhöht werden.

Der scheinbare Ausweg in der Privatisierung öffentlichen Vermögens und neuer PPProjekte ist hoffentlich auch für die schwarzgrüne Regierung sinnlos. Nicht nur das Beispiel Offenbach-Land, sondern auch die Erkenntnisse der Rechnungshöfe sollten lehrreich sein. Ansonsten müssten wir warten, bis uns Griechenland vorführt, wie eine sozial gerechtere Politik für die Menschen im Lande gestaltet werden kann. Der Privatisierungswahn muss endlich ein Ende finden.

Ich fordere dass die Landesregierung endlich den Verfassungsauftrag ernst nimmt, die Einnahmen des Landes durch eine Besteuerung großer Vermögen verbessert und die Kommunen so an den Einnahmen beteiligt, dass diese endlich ihre Aufgaben erfüllen können, wie es die Hessische Verfassung fordert! Es muss endlich Schluss sein mit dieser kommunalfeindlichen Politik einer schwarz-grünen Schuldenbremsenkoalition.