140x190 willi van ooyenWilli van Ooyen

schied im Frühjahr 2017 aus dem Landtag aus.
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Reden

Neues Landesprogramm „Kompetenzen entwickeln – Perspektiven ermöglichen“ erhöht Chancen für Langzeitarbeitslose in Hessen

Rede von Willi van Ooyen zur Aktuellen Stunde der CDU, Thema Neues Landesprogramm „Kompetenzen entwickeln – Perspektiven ermöglichen“ erhöht Chancen für Langzeitarbeitslose in Hessen
– Drucks. 19/2234 –


Am 23.07.15 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie - und da spreche ich konkret die CDU an - machen heute tatsächlich eine aktuelle Stunde, um sich dafür zu loben, dass die Landesregierung ein Programm herausbringt, mit dem 10 Millionen Euro, die im Übrigen bereits im Haushalt stehen, für fünf Jahre und 300 Teilnehmende ausgegeben werden soll. Loben Sie sich auch dafür, dass die Anträge an das Programm bereits am 30.9.15 eingereicht worden sein sollen?

Sie wissen schon, dass die Urlaubszeit auch bei Trägern und Jobcentern für weniger Personal sorgt.  An die Langzeitleistungsbeziehenden – welch schönes Wort – werden aber noch eine Menge weitere Anforderungen gestellt. Sie sollen zwei Jahre SGB II Leistungen beziehen und aufgrund ihrer individuellen Probleme, wie Sucht, psychosoziale Schwierigkeiten, gesundheitliche Beeinträchtigungen, fehlender Berufsabschluss oder nicht mehr verwertbare Berufsqualifikationen sollen sie als nicht vermittelbar gelten.

30 Prozent der Teilnehmenden einer Maßnahme  sollen Familienverantwortung tragen, 30 Prozent auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig werden. Gerade aufgrund meiner beruflichen Erfahrung in einer Beschäftigungsgesellschaft der 90er Jahre weiß ich, das sind Anforderungen, die kaum zu bewältigen sind.

Eine weitere Zielgruppe sollen Menschen mit Suchterkrankungen sein. Wir hatten die Landesregierung scharf dafür kritisiert, dass sie die Unterstützung für die niedrigschwelligen Projekte für suchtkranke Menschen, die einen Einstieg in den Arbeitsmarkt mittels einer Tätigkeit mit kleiner Aufwandsentschädigung suchen, mit dem Haushalt 2015 ersatzlos gestrichen wurden. Dies als Alternative zu verkaufen, ist unseriös. Wie sollen die Suchthilfeprojekte diese Kriterien erfüllen?

Sie wollen tatsächlich die Leistungen der Landesregierung herausstellen, dass sie ein Programm für 300 von den 132.000 arbeitssuchenden Langzeitleistungsbezieher und Bezieherinnen in Hessen erstellt? Das heißt jeder 440. Bzw. 0,22 Prozent dieser Personengruppe in Hessen hat die Möglichkeit in den nächsten fünf Jahren Unterstützung zu erfahren.

Dies ist eine wenig ambitionierte Maßnahme. Besonders beschämend ist dies verglichen mit den Erfahrungen der neunziger Jahre, als alleine in der Werkstatt Frankfurt, in denen ich in den 90er Jahren als Geschäftsführer tätig war, waren 1.200 Langzeitarbeitslose (übrigens tarifvertraglich entlohnt) beschäftigt. Und von diesen Einrichtungen gab es eine ganze Anzahl in Hessen.

Nicht, dass dies der Himmel auf Erden war und bereits unseren Anforderungen an eine Integration in den Arbeitsmarkt entsprochen hat. Es wurde aber wenigstens darauf reagiert, dass ein gutes Drittel der Arbeitslosen große Probleme hat einen Arbeitsplatz zu finden. Diese vielen Arbeitsplätze gibt nicht mehr, sie sind durch Hartz-Gesetzgebung und die Ein-Euro-Jobs wegrationalisiert worden.

Weiterhin sind die Anforderungen an die Beschäftigten stark gestiegen.

Von diesen wird heute in einem sehr hohen Maße Anpassung erwartet. Die Arbeitsbedingungen sind nicht geeignet, um Menschen, die bereits zuvor schlechte Erfahrungen mit Mobbing oder anderen Auslesemethoden gemacht haben, wieder das nötige Selbstvertrauen zu geben.

Nicht umsonst steigen die Zahlen der Beschäftigten mit psychischen, insbesondere depressiven Erkrankungen.

Der Zusammenhang von Krankheit und Arbeitsbedingungen, Stress, Diskriminierung und Druck auf dem Arbeitsplatz sind vielfach von Arbeitsmedizinern festgestellt worden.  

Aber auch die Programme auf Bundesebene sind wenig geeignet, tatsächlich Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Unsere Erfahrung ist, dass Sie ganz bewusst einen Teil der Bevölkerung aus dem Arbeitsprozess ausgrenzen wollen.

Die Existenz dieser Gruppe macht es leichter, Druck auf die arbeitende Bevölkerung auszuüben, so dass diese sogar bereit sind, sich den schlechten und krankmachenden Arbeitsbedingungen weiter auszusetzen, ohne den Mut zu haben, sich dagegen zu wehren.

Um Langzeitarbeitslosigkeit tatsächlich zu bekämpfen, brauchen wir einen Ausbau und keine Schrumpfung des öffentlichen Dienstes. Wir müssen sinnvolle, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen, von denen die Menschen leben können. Und wir brauchen einen öffentlichen Beschäftigungssektor.

Schauen wir mal nach Thüringen. Dort werden zusätzlich zwei Millionen Euro pro Jahr für das neue Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit eingesetzt. Allerdings hat das Land vier Millionen Einwohnerinnen und Einwohner weniger als Hessen. Entsprechend gibt es auch weniger Langzeitarbeitslose. Es werden mit diesem Programm ungefähr 500 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse schwerpunktmäßig im gemeinwohlorientierten kommunalen
Bereich sowie weitere ca. 500 Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Langzeitarbeitslose mit dem Ziel der sozialen Teilhabe, eingerichtet.

Dies ist möglich, weil auch die Agentur für Arbeit ihre Mittel zielgerichtet nutzt nicht für die Drangsalierung von Langzeitarbeitslosen, sondern für die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Es gibt auch ein Modellprojekt zur Aktivierung finanzieller Mittel für Beschäftigungsförderung durch Einsparung passiver Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Da muss man nicht nur mit dem Finger auf Berlin und auf die Bundesarbeitsministerin zeigen, sondern könnte auch in Hessen mal selbst die Dinge in die Hand nehmen.

Wichtig ist, dass alle Maßnahmen, mit denen Langzeitarbeitslose unterstützt werden sollen, freiwillig und ohne Zwang passieren, um die Menschen, die oft genug Druck erfahren haben nicht wieder unter denselben zu setzen.