Reden

Uploadfilter sind ein Risiko für die Meinungs- und Informationsfreiheit

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

verehrte Gäste,

Niemand bestreitet, dass es eine gerechte und faire Vergütung der Leistungen der Künstlerinnen und Künstler, der Autorinnen und Autoren geben muss. Es ging bei diesem Protest nicht darum, den Diebstahl geistigen Eigentums zu fördern. Aber es geht darum, die Freiheit des Internets zu verteidigen.

Wenn zukünftig der gesamte Content, der auf Plattformen hochgeladen wird vor der Veröffentlichung überprüft werden soll, besteht die Gefahr, dass ein noch nie dagewesener Zensurapparat entsteht. Denn:
Die Uploadfilter können nicht erkennen, was Satire ist,
die Uploadfilter können nicht erkennen, wann es sich um eine Parodie handelt,
und Uploadfilter kennen keine Memes

So kann die Uploadsperre auch schon dann ausgelöst werden, wenn auf einem Video, z.B. von einem Empfang der Landesregierung, nur ein Musikstück im Hintergrund zu hören ist. Die Technik ist nicht in der Lage auseinander zu halten, was der eigentliche Inhalt und was nur Beiwerk ist. Gegen ein solches undifferenziertes Blockieren von Inhalten im Netz haben sich zurecht 10.000 Menschen in Deutschland zur Wehr gesetzt

Es war erschreckend, wie auf diesen Protest reagiert wurde. Die Europäische Kommission, also die Regierung der EU, bezeichnet diejenigen, die ein demokratisches Grundrecht in Anspruch nehmen als „MOB“. Das sagt viel aus, über das demokratische Selbstverständnis der Kommission. Was ist das für eine Verächtlichmachung junger Menschen, die im Netz groß geworden sind und sich nicht mehr wünschen, als einen zeitgemäßen Umgang mit der Remixkultur? Wir brauchen keine EU der Konzerne und der Zensur – unser Europa muss offen sein – Für Daten und für Menschen!

Und um es deutlich zu sagen, es geht bei der EU-Urheberrechtsreform nicht um den Schutz des geistigen Eigentums, es geht um den Schutz von Konzerninteressen. Mit den Uploadfiltern entstehen ganz neue Geschäftsmodelle, denn Betreiber kleinerer Portale werden sich die eigene Programmierung gar nicht leisten können und so auf die Nutzung der großen Anbieter zurückgreifen müssen. Und das werden sich diese teuer bezahlen lassen.

Wir geben die Verantwortung und Entscheidungsgewalt über das, was zukünftig im Internet aufrufbar ist, in die Hände weniger großer Konzerne, die nicht dem Postulat der Meinungsfreiheit, sondern den Interessen des Marktes, besser gesagt dem Profit verpflichtet sind.

Und neben dem Art. 13 gibt es da noch den Art. 11 zum Leistungsschutzrecht:
Dieser Art. 11 regelt, dass selbst kleinste Textausschnitte zukünftig nicht mehr verlinkt werden dürfen, bzw. hierfür eine angemessene Gebühr zu bezahlen ist, eine Art Link-Steuer.

Während bisher nur schützenswert war, was auch eine gewisse eigene kreative Schöpfung war, sollen zukünftig auch für einen Link auf die Dreiwortsätze der Bildzeitung Lizenzgebühren bezahlt werden.

Das ist in weiten Teilen die vollständige Kommerzialisierung des Netzes.

Und dieses Geld geht nicht an die Autor*innen die es eigentlich verdient hätten und die angeblich geschützt werden sollen, sondern 50% werden in die Taschen der großen Medienverlage fließen.

Genau diese Benachteiligung der Autoren hatte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zur VG Wort 2013 als rechtswidrig bewertet. Mit dem neuen Leistungsschutzrecht auf EU-Ebene soll jetzt, getrieben der Medienoligarchen Bertelsmann, Bauer und Springer, genau diese Übervorteilung wieder eingeführt werden.

Artikel 11 erweckt mit der Vergütungspflicht selbst auf kurze Anreißertexte einen politischen Zombie zum Leben, das Leistungsschutzrecht. Die Verlagslobby will sich damit einen Anteil an den Werbeeinnahmen sichern, die Google mit Werbung neben Links verdient. Die Maßnahme nutzt vor allem großen Verlagshäusern: Einer Berechnung zufolge würde bei Einführung des EU-Leistungsschutzrechts 64 Prozent der Einnahmen in Deutschland allein an den Axel-Springer-Verlag gehen.

Das neue europäische Urheber- und Leistungsschutzrecht kann also als das bezeichnet werden, was es ist: Googles Werk und Springers Beitrag.

Aber noch besteht die Chance, dass die gefährliche Fehlentwicklung nicht in Deutschland Rechtskraft erlangt. Die Einigung muss noch vom Bundestag und den Staaten der Europäischen Union bestätigt werden.

Es ist schon paradox, dass wir, DIE LINKE, die Bundesregierung auffordern müssen, den Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU zu einzuhalten. Darin einigten sich die Koalitionspartner darauf, keine Uploadfilter zulassen zu wollen. Was jetzt in Brüssel als Abstimmungsverhalten festzustellen war, zeigt wieder einmal, was von solchen Vereinbarungen zu halten ist. Den Hoffnungen der jungen Generation in Europa haben sie keinen guten Dienst geleistet.