140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede Marjana Schott zur zweiten Lesung des Gesetzesentwurfs der SPD für ein Gesetz zur Chancengleichheit und zur Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung

Rede Marjana Schott am 24. April 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn es genügen würde, im Landtag über Kitas zu reden, müssten in dieser Woche ganz viele junge und ältere Menschen sich entscheiden, Erzieherin oder Erzieher zu werden, hätten die Kitas viele neue Bewerbungen, gäbe es einen Qualitätssprung. Leider funktioniert das nicht. Unser aller Reden wird nur dazu führen, dass ein schlechter Gesetzentwurf von schwarzgrün am Ende verabschiedet wird. So weit, so schlecht.

Aber zuerst beraten wir über einen Entwurf, der zumindest in die richtige Richtung geht, das hat die SPD in der Anhörung und letzte Woche wieder bei der Pressekonferenz der Liga der freien Wohlfahrtspflege bestätigt bekommen.

Die Probleme liegen auf dem Tisch. Mehr als ein Fünftel der in den Bereichen Kinderbetreuung und Kindererziehung Beschäftigten geben an, an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten. Kein Wunder, dass sich einige wieder aus dem Beruf verabschieden. Übereinstimmend sagen sie, dass sie ihren Beruf gerne weiter ausüben wollen, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen und die Arbeit nicht krank machen würden. Kein Wunder, dass gerade die Kolleginnen, die schon längere Zeit im Beruf sind, ihre Arbeitszeit verkürzen. Innerhalb von 15 Jahren hat sich die Teilzeitquote um 45 Prozent erhöht.

Wir brauchen mehr Personal in den Kitas, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wir brauchen einen besseren Personalschlüssel, um es den Kolleginnen und Kollegen zu erleichtern, in ihrem Beruf zu bleiben und wieder Stunden aufzustocken, wenn es aus privaten Gründen möglich ist. Der bessere Personalschlüssel setzt sich aus einem Anteil für die mittelbare pädagogische Arbeit und die Leitungsarbeit zusammen sowie den Ersatz für Ausfallzeiten. Wir brauchen aber auch die Freistellung von den Elternbeiträgen, um Eltern mit niedrigen und mittleren Einkommen zu entlasten und keinen Kitabesuch am Geld scheitern zu lassen. Eine Gesetzesnovelle sollte weiterhin der Übersichtlichkeit und dem Abbau des Bürokratiemonsters dienen, mit dem zurzeit alle Beteiligten gequält werden.

Wie steht es dabei bei dem Gesetzentwurf der SPD?

Unbedingt notwendig sind die Personalmindestvorgaben für die mittelbare pädagogische, die Leitungsarbeit und die Ausfallzeiten. Damit wird den Trägern ein Personalschlüssel vorgegeben, den sie nicht unterschreiten dürfen. Der von der SPD vorgeschlagene Personalschlüssel entspricht aber nicht ganz unseren Anforderungen sowie denen von Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften. Auch Bertelsmann hat gerade bei den Unterdreijährigen mit dem 1:3 Personalschlüssel eine deutliche Marke gesetzt, die Ihr Entwurf nicht erreicht.

Für die Freistellung für eine Leitungstätigkeit sehe ich einen Mindestbedarf für jede Einrichtung. Wie will man in einer eingruppigen Einrichtung mit fünf Stunden Freistellung die Leitungsarbeit erledigen? Die grundsätzlichen Aufgaben sind in allen Einrichtungen gleich, mehr Gruppen brauchen zusätzliche Stunden. Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände kommen hier zu ähnlichen Ergebnissen, dass für eine dreigruppige Einrichtung mehr als eine Leitungskraft freigestellt werden sollte.

Ich kann zwar gut verstehen, dass es das Bedürfnis gibt, die Gruppen mit 25 Kindern aufzufüllen, solange es einen Mangel an Betreuungsplätzen gibt. Stellen sie sich aber dies gerade im Winter vor – wenn es nicht gerade ein Naturkindergarten ist. In kleineren Räumen kommt es zu einer enormen Lärmbelastung für Kinder wie Fachkräfte. Ver.di spricht bei seinen bundesweiten Standards bei Kindern bis drei Jahren von einer maximalen Gruppengröße von 8 Kindern und bei über Dreijährigen von 15 Kindern. Dies entspricht in etwa den Forderungen von Fthenakis, die dieser auf Basis des Kinderbetreuungsnetzwerks EU von 1996 entwickelt hat und die von der Parität und anderen unterstützt werden.

Es ist zu befürworten, dass Kinder mit Beeinträchtigungen im Gesetz stärker berücksichtigt werden, so dass die Gruppengröße reduziert wird. Mit einer entsprechenden Finanzierung und Qualitätsentwicklung könnten wir so tatsächlich irgendwann soweit kommen, dass sich alle Einrichtungen der inklusiven Arbeit stellen können.

Die Landeselternvertretung, die auch von der FDP gefordert, begrüßen wir selbstverständlich.

Dasselbe gilt für die Gebührenfreiheit, die für alle Kinder gelten soll. Kommen wir zur Finanzierung der Kindertagesbetreuung. Hier hat die SPD den durchaus sympathischen und nachvollziehbaren Weg der Finanzierung anteiliger Personalkosten durch das Land gewählt. Damit ist auch die Kompensation der Elternbeiträge Geschichte und der Ärger zwischen Frankfurt und Offenbach zum § 28. Die Personalkosten sind der Hauptteil der Kosten für die Kindertagesbetreuung und das Entscheidende für eine gute Qualität. Wenn personelle Mindeststandards im Gesetz festgeschrieben sind, die das bisherige Kifög weit übertreffen, habe ich auch nichts dagegen, dass das Land die Personalkosten zahlt. Dann gibt es klare Vorgaben. Ich kann auch die zeitliche Staffelung verstehen, um den Landeshaushalt nicht zu überfordern. Ich verstehe nur nicht, warum man bei 82,5 % oder für die Tagespflege 66,6 % der Personalkosten stehen bleibt. Konsequent wäre es, einhundert Prozent der Personalkosten durch das Land zu tragen. Für die Kommunen bleiben durchaus Kosten übrig. Unabdingbar ist aber – das fehlt im Gesetzentwurf -, dass den Kommunen diese Zuwendungen beim Kommunalen Finanzausgleich nicht wieder vollständig abgezogen werden, so dass es zu einem Nullsummenspiel käme. Dann würden sie nur die höhere Qualität tragen müssen, bekämen aber keine oder nur eine anteilige Kompensation. Im Gegenteil, die kommunalen Haushalte können über die Finanzierung der Kindertagesbetreuung entscheidend entlastet und auf feste Füße gestellt werden.

Unsere Vorstellungen haben wir ja bereits vor mehr als zwei Jahren eingebracht. Der Besuch von Kitas muss gebührenfrei und damit für alle Kinder zugänglich sein. Deshalb wollen wir die Kita-Gebühren vollständig abschaffen, auch für die unter Dreijährigen und für die volle Betreuungsdauer statt nur stundenweise. Das Land muss nicht nur den Kommunen die wegfallenden Einnahmen vollständig erstatten, sondern sollen auch weitgehend die Kosten der frühkindlichen Bildung übernehmen.

Um eine ganzheitliche und individuelle Förderung aller Kinder zu erreichen, ist mehr qualifiziertes Personal in den Kitas nötig. DIE LINKE fordert einen bundesweit einheitlichen Betreuungsschlüssel von mindestens einer anwesenden Erzieherin oder einem Erzieher zu maximal drei Kindern im Alter bis drei Jahren und mindestens einer Erzieherin oder einem Erzieher zu maximal acht Kindern ab drei Jahren. Freistellung für Leitungskräfte und die mittelbare pädagogische Arbeit sind darüber hinaus genauso notwendig wie für Ausfallzeiten bei Fortbildung, Krankheit und Urlaub.

Wir wollen, dass Erzieherinnen und Erzieher endlich eine angemessene gesellschaftliche Wertschätzung erfahren - auch durch deutlich höhere Gehälter, wie es zehntausende Beschäftigte im Rahmen des Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst gefordert haben. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Kitas muss verbessert und Belastungen so weit wie möglich reduziert werden. 

Dann sind wir in der Situation eine wirklich qualifizierte Kindertagesbetreuung zu haben, die den Ansprüchen des Bildungs- und Entwicklungsplans genügen. Eine hohe Qualität in den Kitas führt dazu, dass Kinder später besser ihren beruflichen Weg machen und dass sie sozialer agieren. Diese Zusammenhänge zeigen Untersuchungen auf. Das ist aber allen Eltern und Fachkräften offensichtlich. Wenn die Erzieherin eine positive, wertschätzende Beziehung zum Kind aufbaut, Unternehmungen, Aktivitäten und Lernen anbietet, dann fühlen sich Kinder wohl, sind aufnahmebereiter und lernbegieriger. Das soll es uns wert sein.

Wir brauchen mehr Fachkräfte. Eine Entlastung der Kitaleitungen und Mitarbeiter*innen ist die einzige Chance, mehr Personal zu gewinnen. Sie müssen sicher sein, dass die Arbeit nicht krank macht. Belastungen müssen im Interesse des Arbeits- und Gesundheitsschutz reduziert werden. 

Es wäre wahrlich ein historischer Schritt in Hessen, wenn wir weniger Bürokratie, mehr Qualität, mehr Personal in den Kitas, das zufrieden eine gute Arbeit machen kann, und mehr Geld bei den Kommunen hätten. Leider kann sich die Landesregierung dazu nicht durchringen.