140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede Marjana Schott zum Setzpunkt von BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN „Weltfrauentag und 100 Jahre Frauenwahlrecht – Gleichberechtigung bleibt wichtige Aufgabe"

Rede Marjana Schott am 1. März 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie in Ihrem Antrag sagen: Gleichberechtigung bleibt eine wichtige Aufgabe. Da haben Sie vollkommen recht, sehr geehrte Damen und Herren von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Das bleibt eine wichtige Aufgabe für die neue Landesregierung. Die schwarzgrüne Regierung hat hier keine Arbeit weg getragen. Es bleibt mehr als genug für eine neue Landesregierung zu tun.

Mutige Frauen erkämpften das Wahlrecht

Wenn wir uns die mutigen Frauen vom Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts anschauen, ist Selbstlob bei uns allen fehl am Platz. Sie waren mutig und entschlossen, die Frauen, die für uns das Frauenwahlrecht erkämpft haben. Es waren nicht nur ein paar Intellektuelle, wohlhabende und bürgerliche Frauen. Die Bewegung bekam erst Macht, als die Arbeiterinnen, die Wäscherinnen, die Weberinnen und viele unbekannte Frauen, oft Analphabetinnen und sexuell von ihren Vorgesetzen in der Fabrik missbraucht, dazu kamen. Sie haben uns unter Ächtung durch ihre eigenen Männer, unter Preisgabe ihrer Ehen und nicht selten unter Verzicht auf ihre Kinder, den Weg geebnet. Wenn ich die Schriften von Frauen wie Clara Zetkin oder Rosa Luxemburg lese, welche kluge Gedanken, welche Überzeugungskraft, welches Engagement diese verkörpern und das alles ohne das elementare Recht zu wählen und gewählt zu werden. Hätten wir heute den Mut der Suffragetten?

Reaktionäre Bestrebungen

Der Kampf ist aber nicht vorbei. Nicht in allen Ländern der Welt ist das Wahlrecht von Frauen durchgesetzt. Aber auch bei uns gibt es durchaus politische Elemente, die nicht nur die Frauen zurück an den Herd und in die Kinderstube schicken, sondern ihnen auch das Wahlrecht aberkennen wollen. Es sind nicht nur Trumpanhänger, die den Artikel zum Frauenwahlrecht aus der amerikanischen Verfassung tilgen wollen. Wie begründete kurzem ein Oberbürgermeisterkandidat für Darmstadt seine Position das Frauenwahlrecht wieder abzuschaffen? „Ein Politiker ersetzt den Keulenträger einer steinzeitlichen Marschkolonne sowie deren Nachhut, der die Brut und die süßen Frauen vor dem Säbelzahntiger, den Wölfen, den Feinden vom benachbarten Stamm und den wilden Auerochsen zu beschützen hat.“ Unser Glück ist ja, dass die rechtspopulistischen und faschistischen Kräfte solch mittelalterliche Vorstellungen haben. Sonst würden sie noch mehr Stimmen von Frauen gewinnen.

Wir sehen täglich, wie groß der Einfluss von reaktionären Kräften auf die Situation von Frauen ist. Sogenannte selbsternannte Lebenschützer wollen Frauen das hart erkämpfte Recht des Schwangerschaftsabbruchs streitig machen. Leider gibt es nicht genug Mut in der Hessischen Landes- wie der Bundesregierung, den Paragrafen 219a abzuschaffen. Dieser wird aktuell verstärkt von diesen rechten Kräften genutzt, um gegen die wenigen Ärztinnen vorzugehen, die bereit sind Abtreibungen vorzunehmen und die sich auch in der Pflicht sehen, die Frauen im Vorhinein gut zu informieren. Als ich den diesbezüglichen Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN las, ist mir das unwillkürlich aufkommende Lachen im Hals stecken geblieben. Wir sind unterschiedlicher Meinung, also machen wir nichts. Nichts zu machen, heißt, die Situation für Frauen und Frauenärztinnen immer schwieriger zu machen.

Gleichstellung von Frauen

Clara Zetkin hat bereits 1889, also vor fast 130 Jahren, davor gewarnt: „Die Länder, in denen das angeblich allgemeine, freie und direkte Wahlrecht existiert, zeigen uns, wie gering der wirkliche Wert desselben ist. Das Stimmrecht ohne ökonomische Freiheit ist nicht mehr und nicht weniger als ein Wechsel, der keinen Kurs hat“.

Wie es mit der ökonomischen Freiheit für Frauen aussieht, habe ich gestern ausgeführt und verdeutlicht, wie die heutige sehr oft prekäre, aber auch die normal Arbeitssituation zu künftiger Altersarmut führt. Aber auch darüber hinaus glänzt diese Landesregierung bei der Nichtbeachtung von Frauenfragen. Ich habe vor einigen Jahren schon einmal über die Frauenstrukturen im Sozialministerium polemisiert, es hat sich aber seitdem nichts verändert. Der Minister ist nicht weiblicher geworden, die Staatssekretäre auch nicht, selbst beim Wechsel zu Kai Klose gab es keinen Wechsel bezüglich des Geschlechts. Es gibt 18 männliche Minister und Staatssekretäre, auf der Frauenseite sind es nur 4 (18 Prozent). Die Stabsstelle Frauenpolitik fristet ein klägliches Dasein, wenn man dem Internet glauben kann. Sie soll das frauenpolitische Spektrum bündeln, Anlaufstelle und Serviceeinrichtung für die Frauen in Hessen sein. Sie darf auch einen Preis vergeben. Sorry, eine echte Frauenpolitik sieht anders aus.

Frauenpolitische Themen im Landtag

Ich erinnere nur an die unsäglichen Diskussionen, die wir hier im Landtag zu frauenpolitischen Fragen hatten. Ob es die Pille danach war, der die Grünen nicht zustimmen durften. Ob es die Nichtzuständigerklärung des Ministers für die Geburtshilfe, die Hebammen und die Schließung von Geburtshilfeabteilungen ist. Ob es die Diskussion um das Hessische Gleichberechtigungsgesetz war. Fast wären die Frauenbeauftragten ohne rechtliche Grundlage gewesen. Allerdings hat der verspätet eingereichte Gesetzentwurf der Landesregierung die Ablehnung der meisten Beauftragten und weiteren Anzuhörenden erfahren. Ich erinnere daran, dass immer wir die Arbeitssituation von Frauen beispielsweise in den Erziehungs- und Pflegeberufen thematisiert haben. Ich erinnere an die schwierigen Diskussionen zum sexuellen Selbstbestimmungsrecht, wobei es hier ausnahmsweise mal zu einer Haltung bei der Landesregierung kam, die Nein heißt Nein Kampagne zu unterstützen. Das hört sich eher nach Mühsal und nicht danach, wie es in Ihrem Antrag steht, dass „die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht in allen Bereichen erreicht ist und es weitere Schritte bedarf.“ So harmlos hat es nicht einmal Rita Süßmuth formuliert, als sie sagte:

„Nehmen wir den Streit um gleiches Entgelt für gleiche Qualifikation. Bei der Debatte kommt immer gleich der Einwand: Die Frauen wählen halt immer Frauenberufe, die schlechter bezahlt werden. Da kann ich nur antworten: Dann wird es allerhöchste Zeit, dass diese Frauenberufe mit ihrem zum Teil erheblichen Fachkräftemangel endlich besser bezahlt werden. Wenn der Artikel 3 des Grundgesetzes tatsächlich gelebt würde, dürfte es um solche Fragen keinen Streit geben. Wir Frauen finden uns immer noch mit zu kleinen Schritten ab.“

Leider finden sich auch die Frauen der Grünen mit Tippelschritten ab.

Das will DIE LINKE:

Ich will Ihnen mal einiges aufzeigen, was von uns aus zu dem Internationalen Frauentag auf den Tisch des Hauses kommen sollte.

Wir müssen zu einer tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen in der Politik kommen, deshalb muss es bis zur Landesregierung überall eine Mindestquotierung von 50 Prozent geben. Frauenbeauftragte brauchen mehr Rechte, das Gesetz soll auch auf andere Gesellschaften und bei öffentlichen Aufträgen angewandt werden. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit muss durchgesetzt werden. Um die unterschiedlichen Lebensbereiche vereinbaren zu können, brauchen wir eine familiengerechte verkürzte Arbeitszeit. Die Rückkehr zur Vollzeit wäre auch eine sinnvolle Initiative der Landesregierung im Bundesrat. Die Berufe aus dem Care-Bereich, wie Erziehung, Gesundheit, soziale Arbeit müssen besser bezahlt werden. Dazu kann die Landesregierung unmittelbar etwas tun. Der Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf muss besser gefördert und mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich geschaffen werden.

Die Mittel für die Schwangerschaftskonfliktberatung müssen erhöht werden, Hebammen mit einem steuerfinanzierten Haftungsfonds entlastet, Frauengesundheit muss eine gewichtige Rolle spielen.

Gewalt und Sexismus muss in Schulen, der Jugendarbeit, bei Beratung und auf allen anderen Ebenen begegnet werden. Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen, damit keine Frau einen Tag länger in einer gewalttätigen Beziehung oder im Frauenhaus leben muss. In Frauenhäusern muss der Schlüssel zur Betreuung von Frauen gesenkt werden. Geflüchtete Frauen brauchen mehr Unterstützung. Die Pflichten aus der kürzlich unterzeichneten Istanbulkonvention muss die hessische Landesregierung erfüllen.

Handlungsbedarf gibt es genügend – für eine neue Landesregierung, die sich tatsächlich der Gleichstellung von Frauen und Männern verpflichtet.