140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Erhöhung der Pauschalen und Abschaffung der Elternbeiträge in der frühkindlichen Bildung

Rede von Marjana Schott am 25. Januar 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben Ihnen unseren Gesetzentwurf zur Abschaffung der Elternbeiträge und Erhöhung der Pauschalen deshalb noch einmal vorgelegt, weil wir in der sehr interessanten Anhörung, bei der es eine große Resonanz zur Erhöhung der Qualität und die finanzielle Entlastung der Eltern gab, dazu gelernt haben. So etwas soll es gerüchteweise hier im Landtag geben - und danach haben wir einige, wenige Modifikationen vorgenommen. Wir bleiben dabei: Die Pauschalen des Landes müssen erhöht werden. Die Elternbeiträge sollen abgeschafft werden – im neuen Entwurf wortwörtlich. Die Pauschalen werden vereinfacht. Was sich geändert hat: Die Qualität soll im Gesetz deutlicher abgefordert werden. Die Pauschalen erfahren eine Differenzierung danach, ob das Kind unter oder über 25 Stunden in die Kita gehen soll. Die Anpassung an tarifliche Erhöhungen wird aufgenommen. Statt der aktuell 28 unterschiedlichen Pauschalen sollen es nur noch vier geben. In diese sind die bisherigen Pauschalen einberechnet und orientieren sich an der jeweils höheren Pauschale. Dies ist eine radikale Vereinfachung.

Ich muss allerdings zugeben, dass ich von Anfang die Befürchtung hatte, dass aus einem schlechten Gesetz – und das ist das Kifög – auch mit mutigen Verbesserungen kein gutes Gesetz werden kann. Dieser Befürchtung hat die Lektüre des Evaluationsberichts ordentlich Nahrung gegeben. Ich kann die Einschätzung des Sozialministers nicht nachvollziehen, dass sich die meisten Annahmen – und damit meint er die kritischen – zur Einführung des Gesetzes durch wissenschaftliche Evaluation nicht bestätigt haben und es sich um ein gutes und solides Gesetz handelt. Wenn keine Kita wegen des Gesetzes geschlossen wurde – zumindest einige Träger haben aufgegeben – und alle Gesetz „überlebt“ haben, ist dies noch kein Zeichen für ein gutes Gesetz. Sowohl zu Beginn als auch zum Abschluss der Evaluation wird das HessKifög durch die befragten Akteur/innen mehrheitlich abgelehnt. Dies differenziert sich zwar und wurde im zweiten Befragungsjahr etwas besser. Allerdings kommt keine der befragten Gruppen über 50 Prozent Zustimmung, fast alle auf über 50 Prozent Ablehnung. Trotzdem müssen alle, die mit dem Gesetz zu tun haben, sich damit arrangieren und damit arbeiten. Wahrscheinlich wäre der Widerspruch noch viel größer, wenn nicht viele Kommunen die Mindeststandards des Kifögs nicht als Begrenzung nehmen und einen viel höheren Personalschlüssel ansetzen würden. Das sind Kommunen, die verstanden haben, wie wichtig eine gute und gut ausgestattete frühkindliche Bildung und wie entscheidend dies für die Entwicklung der Kinder ist.

Genau für die Kommunen, die mehr Spielraum brauchen und auch nutzen für eine bessere Qualität, für mehr Personal und für eine gute Ausstattung muss die Landesförderung, wie wir es mit diesem Gesetz vorschlagen, erhöht werden. Sie muss in den nächsten Jahren weiter steigen bis zur weitgehenden Übernahme durch das Land.

Der Mangel an Erziehungsfachkräften wird nicht bewältigt, solange die Arbeitsbedingungen so schwierig sind. Die Belastungen in den Kitas sind hoch, mehr Personal ist auf jeden Fall der richtige Schritt, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten. Es ist aber auch der richtige Schritt, um gut für die Kinder zu sorgen, die genügend Zuwendung erhalten und – wie es im Bildungs- und Erziehungsplan heißt – um jedes Kind in seinen individuellen Lernvoraussetzungen, seiner Persönlichkeit und seinem Entwicklungsstand anzunehmen, angemessen zu begleiten und zu unterstützen. Eine Kita, in der genügend Personal sich um die Kinder kümmert, ist für alle Beteiligten, auch die Eltern, weniger anstrengend. Erzieherinnen und Erzieher können länger berufstätig sein, es werden mehr junge Leute für die Beruf zu begeistern sein und wenn die Arbeitgeber auch noch davon überzeugt werden, die Bezahlung zu verbessern, dann kann irgendwann nichts mehr im Wege stehen, der frühkindlichen Bildung den Stellenwert zuzumessen, wie es die meisten anderen, gerade die nordeuropäischen Länder bereits tun.
Dafür ist aber noch ein Paradigmenwechsel erforderlich. Ein erster Schritt wäre beispielsweise die Voraussetzungen zu schaffen, dass Kitaleitungen von ihrer Arbeit in den Gruppen freigestellt werden. In 42 Prozent der kleinen Kitas, in 21 Prozent der mittleren und 10 Prozent der großen Kitas gibt es in Hessen keine pädagogisch Tätigen, die für Leitungsfunktionen freigestellt sind. Diese wären heute noch viel nötiger als vor Kifög-Zeiten, da mit diesem Gesetz eine solch bürokratische Vorgabe geschaffen wurde, dass diese Kritik sogar der Sozialminister behauptet ernst zu nehmen.

Ich werde mir heute auch noch einmal die Mühe geben, Ihre Behauptung zu widerlegen, dass die Befreiung von den Elternbeiträgen nur die Reichen bevorzugt. Zwei Personen mit einem Kind, die ein Einkommen ab 1400 Euro haben plus die angemessenen Kosten der Unterkunft, die haben ganz schön große Probleme durch den Monat zu kommen. Eine Befreiung von den Elternbeiträgen bekommen sie allerhöchstens anteilig. Es geht uns gerade um diese Gruppen von Menschen, deren Einkommen knapp über dem Grundsicherungsanspruch liegt. Sie werden weder von Beiträgen befreit, müssen die vollen GEZ-Gebühren tragen, erhalten meistens keine Erleichterung bei Krankheitskosten oder in anderen Lebenslagen. Es handelt sich bei um die armen Kinder in armen Familien. Kinderarmut interessiert die Politik meist aber nur in Sonntagsreden. Wenn es darum geht, tatsächliche Maßnahmen zu ergreifen, dass alle Kinder, unabhängig von den häuslichen finanziellen Verhältnissen, an den pädagogischen Maßnahmen teilnehmen können, dann verlässt Sie Ihr Sonntagsgesicht. Genau dies ist das richtige Konzept: common goods, das heißt, öffentliche Güter im Interesse des Gemeinwohls für alle zugänglich zu machen, diskriminierungsfrei, barrierefrei und für alle erreichbar. Eigentlich auch ein grünes Konzept….
Auch wenn die heutigen Eltern nicht mehr alle jung sind, meistens sind sie doch Berufsanfänger_innen, sind noch im Studium und verdienen nicht üppig. Für Menschen mit geringen und normalen Einkommen sind die Beiträge, die neben vielen anderen Erhöhungen auf die Familie zukommen, wie Grundsteuer, wie Anliegerkosten, wie Kosten für Strom, Wasser und Heizung sowie Miete, etc., die nicht einkommensabhängig sind, eine echte Belastung. Natürlich profitieren auch Reiche von dem Gesetz. Aber da kann ich Sie nur auffordern, tatsächlich mit Politik zu steuern und Menschen in unteren Einkommensphären zu entlasten und dafür diejenigen mit den hohen Einkommen stärker zu belasten.

Damit hätte der Staat auch genügend Einnahmen um die Beitragsfreiheit zu finanzieren. Hier kann tatsächlich im Interesse eines gerechten Ausgleichs gesteuert werden, dem stehen aber die Forderungen aus der Wirtschaft nach Steuerentlastung für Unternehmen und Gutverdienende entgegen, denen die Bundesregierung viel lieber nachgibt.

Ich hatte Sie bereits bei dem ersten Gesetzentwurf darauf hingewiesen. Wer Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau möchte, muss diesem Antrag zustimmen. Stellen Sie sich mal vor, was alles wegfällt, wenn Sie unser Modell akzeptieren. Das Land braucht weniger Personal, um die Zuschläge zu kontrollieren und zu verausgaben und die Pauschalen zu berechnen. Es kann auch besser kalkulieren. Die Landkreise und kreisfreien Städte brauchen keine Abteilung mehr, bei der die Ermäßigung oder der Erlass der Beiträge beantragt wird. Sie müssen diese Gelder auch nicht den Trägern zur Verfügung stellen. Beispielsweise spart ein Kreis mit 250.000 Einwohner_innen alleine damit etwa 2 Millionen Euro ein. Der Kitaträger braucht sich nicht mehr mit den Eltern über die Beiträge auseinanderzusetzen, er muss sie nicht mehr einfordern, anmahnen, vollstrecken oder auch niederschlagen. Denn meist sind sie ja nicht einbringbar. Die Kitas können sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren und müssen nicht ständig rechnen, ob noch genügend Kinder für das vorhandene Personal da sind und ob man pädagogische Kräfte, die Vollzeit arbeiten wollen, tatsächlich so einstellen kann und wie man die Teilzeitkräfte einsetzt oder ob jemand Stunden reduzieren muss, etc.

Das alles würden wir uns sparen, wenn das Land seine Aufgabe ernst nehmen würde, gute Bedingungen für die Kindertagesbetreuung zu schaffen. Selbstverständlich kann sich die Landesregierung an den Bund wenden, um Unterstützung in dieser Frage zu bekommen. Auch auf Bundesebene gibt es die Diskussion um gute und verbindliche Standards, die finanziert werden müssen.

Dieser Gesetzentwurf ist ein Schritt in die vollständige Kostenübernahme der Kindertagesbetreuung durch das Land. Diese sollte schrittweise erfolgen, auch wenn die finanzielle Anstrengung auch von uns nicht unterschätzt wird. Ich gebe zu, das sieht so aus, weil wir versehentlich die Kosten für die Einführung in diesem Jahr als Kosten für den Gesetzentwurf veranschlagt haben. Für ein Jahr wäre es der doppelte Betrag, der zusätzlich zu den bereits im Haushalt eingestellten Beträgen für die Kitabetreuung vom Land zur Verfügung gestellt werden muss. Schließlich tragen auch andere Bundesländer die Kosten, die ansonsten bei den Eltern landen würden. Um üblichen Zwischenrufen zu begegnen, der Länderfinanzausgleich richtet sich nicht nach den Aufwendungen, sondern den Einnahmen des Landes.

Die Haushaltsüberschüsse zeigen, dass dieses Gesetz finanzierbar ist, und hier ist der Einsatz des Länderfinanzausgleichs richtig, wenn der Bund diese Belastung übernimmt, steht nichts entgegen, dass Hessen zumindest ab diesem Zeitpunkt weitgehend die Kosten der frühkindlichen Bildung übernimmt.