140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede zum Thema „Arbeitsplätze und Umweltschutz im Kalirevier: Tragbare Lösungen statt Populismus"

Rede von Marjana Schott am 14. September 2016 im Hessischen Landtag
Dr. 19/3745

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

verehrte Gäste,

viele von uns haben in der letzten Woche tausende von verunsicherten Kalikumpeln mit ihren Familien gesehen. Diese Menschen sind sauer auf die Politik. Das ist so falsch wie es richtig ist. Falsch ist es, weil sie glauben, die Politik müsste einfach nur ein „weiter so“ genehmigen. Richtig ist es, weil die Politik das Unternehmen in den letzten Jahren nicht zu moderner Produktion gezwungen hat. Richtig wäre an dieser Stelle auch ein gerüttelt Maß an Kritik der Mitarbeiter am Management von K+S.

Schändlich ist es aber, wenn die selbsternannten Kalikumpelversteher der letzen Wochen den Beschäftigten bei K+S vorgaukeln, dass die Behörden nur einfach schneller genehmigen müssten, um die Probleme zu beseitigen. Und es ist schändlich, wie sie mit Blick auf die nächsten Wahlen mit den Gefühlen der verunsicherten Bergleute spielen!

In Thüringen hat der Kalibergbau eine Perspektive von ca. 15 Jahren. In Hessen rechnet man mit ungefähr 30 Jahren. Was den Kindern aber erhalten bleibt, wenn es nach K+S und der Hessischen Landesregierung geht, ist ungenießbares Grundwasser und die Salzhalden mit ihren Abwässern.

Deshalb müssen wir in den nächsten 5 Jahren zu entscheidenden Verbesserungen bei der Entsorgung der Abfälle kommen und nicht erst in fünfzig Jahren.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass jeder Kubikmeter Lauge der versenkt wird, unweigerlich zu noch größeren irreparablen Schäden am Grundwasser führt.

  • Im hessischen Heringen zerstört das salzige Grundwasser die Kanalisation und gefährdet das Klärwerk. Wegen versalzener Trinkwasserbrunnen musste die Gemeinde an eine Fernwasserleitung angeschlossen werden.
  • Auch im thüringischen Gerstungen versalzen die Trinkwasserbrunnen.
  • Von der Hattorfer Halde in Hessen fließen mit Schwermetallen und Salz belastete Haldenabwässer in thüringer Grundwasser. Die Nutzung des Grundwassers wurde im Juli verboten.
Es ist an Populismus kaum zu überbieten, wenn angesichts dieser Tatsachen, Vertreter von SPD, CDU und FDP die Behörden auffordern, die Anträge von K+S schneller zu bearbeiten und Versenkung und Haldenerweiterung zu genehmigen. Was da von Politikern – auch aus diesem Haus - gefordert wird, ist nicht nur kurzsichtig, es ist auch noch ein Aufruf zu Straftaten.

Die Fortführung der Versenkung, wie sie die FDP und nun auch die SPD-Fraktion fordert, verstößt gegen das Wasserhaushaltsgesetz.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus den Wirtschaftsressorts: Umweltgesetze sind kein entbehrlicher Luxus. Wie die Schäden in Heringen und Gerstungen eindrücklich zeigen, geht es um den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen - allen voran um unser Trinkwasser - und um die Vermeidung hoher Kosten durch Umweltschäden. Von 1977 bis heute hat die Gemeinde Heringen 74 Millionen Euro allein für die Reparatur der Kanalisation aus Steuergeldern aufwenden müssen.

Es ist erschreckend, dass den Genossen Sozialdemokraten die volkswirtschaftliche Perspektive fremd zu sein scheint. Während die Kosten für die Umweltschäden beim Steuerzahler bleiben, fließen die Gewinne aus der Kaliproduktion zu den Aktionären. Wir haben es mit einem international agierenden Konzern zu tun, der sich zu 61 Prozent in den Händen institutioneller Investoren befindet. Diesen Investoren sind die Umweltprobleme in Thüringen und Hessen solange gleichgültig, bis sie zu einer Bedrohung ihrer Rendite werden.

Hier muss eine moderne nachhaltige Industriepolitik ansetzen, die die ökologische, soziale und ökonomische Dimension der Kaliproduktion auf der Höhe kapitalistischer Verwertungsprozesse behandelt.

Die Aufgabe der Politik ist es, die Konzernleitung zur Einhaltung der Gesetzgebung zu zwingen und sie bei dem Aufbau umweltfreundlicher Produktionsverfahren zu unterstützen. Und zwar zukunftsfähige Entsorgungswege, die nicht gleich vor Gericht landen oder bei der Europäischen Kommission das Mahnverfahren befördern, weil sie die Gewässer versalzen.

Stattdessen setzen die Landesregierung und die Konzernspitze auf ein Grundwassermodell, das nachweisen soll, dass die Salzabwässer unter Tage bleiben, wo jeder in der Region weiß wo die Brühe wieder rauf kommt. Oder sie wollen Abwasser unter Tage stapeln, wo jeder Kumpel weiß, wie hoch riskant das ist. Und zu guter Letzt sollen die Salzhalden abgedeckt werden. Noch so eine Luftnummer, von der die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass sie nicht geht. Aber nichtsdestoweniger werden dafür Forschungsgelder verbrannt. Nichts als Augenwischerei, die am Ende zu Lasten der Kumpel geht.

Seit Jahren fordern wir hier im Parlament - jetzt schon bei der dritten Landesregierung - K+S auf eine nachhaltige Kaliproduktion zu verpflichten. Das heißt:

  • Die Salzhalden müssen wieder in die Hohlräume unter Tage gebracht werden.
  • Die Rohstoffe in den flüssigen Abfällen müssen optimal, auf der Höhe des Stands der Technik genutzt werden.
  • Die restlichen Laugen müssen eingedampft und ebenfalls wieder in die Hohlräume unter Tage gebracht werden.
  • Durch die Verfüllung der Hohlräume können später Teile der Stützpfeiler, die jetzt zur Stabilisierung stehen bleiben müssen, abgebaut werden. Damit würde sich der Abbauzeitraum über die Perspektive von 30 Jahren ausweiten, Arbeitsplätze würden länger gesichert.
Wie kurzfristig Übergangslösungen geschaffen werden können, hat die Thüringische Landesregierung vorgemacht. Währende die Hessische Umweltministerin immer noch auf das seit 2011 von K+S versprochene Grundwassermodell wartet, wurde in Thüringen innerhalb von wenigen Wochen die Genehmigung für eine vorübergehende Einlagerung von Salzlauge in ungenutzte unterirdische Tavernen gegeben. Der Thüringische Wirtschaftsminister Tiefensee (SPD) hat sich bei der Firma K-Utec über alternative Aufbereitungsverfahren informiert und der Ministerpräsident Bodo Ramelow lädt zu einem Kaligipfel ein, um über die Zukunft der thüringer Kaliproduktion und den Umgang mit den Altlasten zu verhandeln.

Und was macht Hessen?

Die Hessische Umweltministerin hält weiterhin an dem nicht umsetzungsfähigen 4-Phasen-Plan mit Versenkung, Aufhaldung und Oberweserpipeline fest. Das ist ein Irrweg und das ist ein Armutszeugnis.

Mit ihrer Unterstützung bei der Kalibrierung des Grundwassermodels von K+S, der Einberufung einer „ad hoc Arbeitsgruppe Endkalibrierung“, dem Maulkorb für das HLNUG und der fortlaufenden Falschinformation der Öffentlichkeit begibt sich die Ministerin auf ganz dünnes Eis.

Schwarzgrün – meine Damen und Herren - setzt das Ökodumping der letzten Landesregierungen fort. Priska Hinz schafft die Wende nicht.

Mehrfach haben wir dem Parlament den Dreistufenplan der Werra-Weser-Anrainerkonferenz vorgestellt. In 7 Jahren - nicht erst in 50 oder 60 Jahren - könnten wir in Hessen zu einer Kaliproduktion ohne Abgabe von Abwässern in die Umwelt und ohne neue Salzhalden kommen. Dass das technisch machbar ist, hat zuletzt das Bundesumweltamt bestätigt. Aber CDU und GRÜNE in Hessen wollen diesen Weg nicht gehen.

Ich frage Sie: Wer wird für die Schäden aufkommen, die Halden und das versalzene Grundwasser auch nach dem Ende der Kaliproduktion noch verursachen? Kollege Warnecke (SPD) bestimmt nicht. Und wer kümmert sich um die arbeitslosen Bergleute?

Von einer verantwortungsvollen Industriepolitik für die Menschen in diesem Land kann daher nicht die Rede sein und die Landesregierung hat auch kein Konzept dafür, wie eine solche Politik aussehen könnte. Im Gegenteil.

Wenn der Hessische Ministerpräsident Bouffier auf seiner Südamerikareise dem Vorstandsvorsitzenden von K+S bei der Durchsetzung neuer Geschäfte in Chile die Hand hält, dann hat das mit einer Politik für die Menschen in Hessen nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Wie naiv muss man eigentlich sein, um zu glauben, dass, wenn es dem Weltkonzern K+S gut geht, es auch den Beschäftigten von K+S in Hessen gut geht. Das einzige, was passiert, ist, dass die Boni der Top-Manager steigen. Kein Arbeitsplatz in Hessen wird davon gerettet - oder hat ihnen Herr Steiner etwas anders versprochen?

K+S produziert nicht dafür, dass die Menschen in der Region Arbeit haben, sondern um Profite zu machen. Wenn diese nicht groß genug ausfallen, werden die Arbeitsplätze zur Verhandlungsmasse. Das ist Kapitalismus. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Konzernleitung, selbst eigene Standorte zueinander in Konkurrenz und die jeweiligen Regierungen damit unter Druck setzt.

Die Aufgabe der Politik ist es - Herr Bouffier - diesem Kapitalismus ökologische und soziale Schranken zu setzen und nicht dem Konzernmanagement von K+S dabei zu assistieren, in anderen Teilen der Welt neues Erpressungspotential zu erschließen. Das und das Vorhaben, in der Hessischen Verfassung die Option der Vergesellschaftung des Bergbaus zu streichen, richtet sich gegen die Beschäftigten bei K+S. Es stellt sich die Frage, mit wem Schwarzgrün eigentlich solidarisch ist?