140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede zur Aktuellen Stunde betreffend „Aus für Krankenhaus Lindenfels – Minister Grüttner gefährdet die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“

Rede von Marjana Schott am 23. Juni 2016 19/3503 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte Damen und Herren,

Lindenfels, eine Gemeinde im Odenwald, kämpft mit ihrer Bevölkerung, ihrem Bürgermeister, den Ärztinnen und Ärzten in der Klinik, den niedergelassenen Ärzten und dem Pflegepersonal um den Erhalt ihres Krankenhauses. Lindenfels steht symbolisch für die ländlichen Regionen in Hessen und Lindenfels ist konkret. Konkret in ihrem Kampf, konkret mit ihren Ideen und konkret in der Nennung der Möglichkeiten.

Dabei stößt sie auf eine Landespolitik, die sich erst weg duckt und dann alle Initiativen und alle Arbeit der Menschen vor Ort vom Tisch wischt und zum Schluss auch noch nachtritt. So erzeugt die Landesregierung Politikfrust und setzt die Gesundheit der Menschen aufs Spiel. Ich höre Sie schon sagen, Herr Minister, wir sind nicht zuständig. Doch das sind Sie, denn Sie tragen die Verantwortung für die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Hessen und da können sie sich nicht hinter der Kassenärztlichen Vereinigung oder wem auch sonst verschanzen und Sie haben diese Woche hier gesagt, da ist einfach schlecht gewirtschaftet worden, da können Sie doch nichts dafür.

Falsch, da gibt es ein Krankenhaus, das ist zu alt und zu groß ist und am falschen Ort steht und Sie sind in der Verantwortung die notwendige Infrastruktur sicherzustellen. Seit Monaten bemühen sich Menschen hoch engagiert in Lindenfels eine wirtschaftlich tragbare Gesundheitsversorgung sicherzustellen und von Ihnen kommt keine Hilfe. Stattdessen sagen Sie nicht mal eine Woche, nachdem Sie das Aus für das Krankenhaus erklärt haben, Sie vermissen den Elan bei der Rettung des Krankenhauses, so zu lesen im Bergsträßer Anzeiger am Dienstag, dem 21. Juni 2016.  

Tatsache ist, es findet keine Planung statt, welche und wie viele Krankenhäuser wir brauchen, wie diese die gesundheitliche Versorgung gemeinsam mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in der Region erbringen können.

Das Krankenhausstrukturreformgesetz des Bundes stellt einen Strukturfonds mit 50 Prozent Landesmitteln zur Verfügung, um Krankenhäuser und Betten abzubauen. Dafür wird eine Milliarde Euro bundesweit zur Verfügung gestellt. Notwendig wäre eine sinnvolle Planung. Es findet aber ein knallharter Wettbewerb statt, indem die Häuser, die defizitär, kommunal, auf dem Land und klein sind, niederkonkurriert werden. Das Vergütungssystem mit den Pauschalen führt zu einem ruinösen Wettbewerb, jede Klinik muss so viel wie möglich operieren, um das Geld zu verdienen, mit dem man im Konkurrenzkampf bestehen kann.

Dies führt zu einem massiven Personalmangel, zu Hygieneproblemen, überfordertem und ausgelaugten Pflegekräften und Gefährdung der Gesundheit bei Patientinnen und Patienten sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Die Länder kommen ihrer Pflicht, die Investitionskosten der Krankenhäuser zu finanzieren nicht nach. Bundesweit fehlen zwischen 28 (RWI) und 60 (Krankenhausgesellschaft) Milliarden Euro für die investive Tätigkeit der Kliniken. Diese Zahl sollten wir uns vergegenwärtigen, wenn jemand die eine Milliarde aus dem Strukturfonds hochloben will. In Hessen sind mehr als 30 Prozent der Kliniken defizitär, damit steht das Land auf dem drittschlechtesten Platz bundesweit. Reiche Bundesländer scheinen sich in Deutschland die ärmsten Krankenhäuser leisten zu wollen.

Vor zehn Jahren haben in Lindenfels sechs Hausärzte die Patienten versorgt. Es gab bis in die 90er Jahre zusätzlich zum Luisenkrankenhaus noch zwei Privatkliniken, niedergelassene Facharzt-Internisten, Chirurgen und Gynäkologen.

Jetzt gibt es in Lindenfels zwei niedergelassene Hausärzte, 69 Jahre und 60 Jahre, und im Medizinischen Versorgungszentrum eine angestellte Allgemeinmedizinerin. Das Durchschnittsalter der Hausärzte in der näheren Umgebung liegt damit über 64 Jahre. 

Das Einzugsgebiet der Bereitschaftsdienstzentrale hat aber 80.000 Einwohner: wenige alte Allgemeinmediziner betreuen viele alte multimorbide Patienten bei einer sehr ungünstigen Topographie. Das Krankenhaus hat seit längerem eine weitreichende Ermächtigung zur Behandlung ambulanter Patienten. Es gibt so gut wie keine niedergelassenen Fachärzte mehr. Hier konnte das Luisenkrankenhaus über die Jahre hinweg in der Notfall-Diagnostik und -Therapie die wegfallenden Fachärzte ersetzen und die niedergelassenen Hausärzte unterstützen.

Das Luisenkrankenhaus wird gebraucht, für/um:

  • 60.000 bis 70.000 potentielle Patientinnen und Patienten,
  • den hohen Anteil an Bürgerinnen und Bürgern, die älter als 65 Jahre sind,
  • weite Transport- und Anfahrtswege zu vermeiden
  • 27 Altenheime in näherer Umgebung
  • Mangel an Allgemeinmediziner_innen und Fachärzt-innen
  • Engpässe bei Grippezeiten und bei Epidemien zu entlasten
  • chirurgische, berufsgenossenschaftliche Unfallambulanz (ansonsten müssen alle Berufsunfälle nach Erbach, Darmstadt oder Heppenheim verbracht werden)
  • Erhalt des regionalen Ärztlichen Bereitschaftsdienstes mit Fahrdienst und des Dialyse-Zentrums.

Es wird bei einer Schließung der Luise mit einem Kollaps des Hausarztsystems im vorderen Odenwald, Schließung von Seniorenheimen, von Apotheken, mit Leerstand und fallenden Immobilienpreisen, mit Abwanderung von Betrieben, älteren Menschen, der Bevölkerung, etc. gerechnet. 

Wie sieht das Konzept der Luise light aus:

Da wäre zuerst die stationäre Versorgung mit 40 interdisziplinären Betten (1-2 Bett Zimmer) mit 5 Isolationsbetten (1 Bett Zimmer) und 5 Betten auf der Wachstation sowie die Endoskopieabteilung.

Im Bereich der Ambulanz soll die notärztliche Versorgung im vorderen Odenwald weiter erbracht werden, die Ambulanz der Berufsunfälle wird ca. 1000 ambulante Fälle bewältigen. Zusätzlich wird die interdisziplinäre Notfallambulanz Klinik- und hausärztliche Notfälle integrieren. Das Medizinische Versorgungszentrum profitiert von dem Zusammenführen von Daten, Personalverwaltung und einem Personalpool. Es wird einen haus- und einen fachärztlichen Dienst haben. Zusätzlich soll es virtuelle MVZ mit Nutzung der VERAHs geben.

Die Bürgerinitiative hat sich konkrete Gedanken zur Umsetzung und diese auch durchrechnen lassen. Die stationäre Versorgung soll über einen Neubau bei der Eleonorenklinik (Reha der Rentenversicherung) in Lindenfels Winterkasten mit 55 Betten erfolgen. Es wurde eine Bürgergenossenschaft gegründet und es wird ein Trägermodell ausgearbeitet. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung ergibt, dass sie mit einem Jahresgewinn von 284.000 Euro rechnen. Für den Übergang braucht die Klinik eine Bürgschaft in Höhe von drei Millionen Euro vom Land.

Herr Grüttner, Sie werden sicher gleich einige Punkte aufzählen weshalb das Krankenhaus geschlossen werden muss und wenn es hier mehr als fünf Minuten Redezeit gäbe könnte ich die alle zerlegen. Übrig bleibt ein Gesundheitsminister, dem die Gesundheit der Menschen im ländlichen Raum egal ist.


Hinweis: Informationen zum Krankenhaus Lindenfels im Anhang.