140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede Marjana Schott zur Großen Anfrage der SPD betreffend „Situation Alleinerziehender“

Rede Marjana Schott am 18. Mai 2016 im Hessischen Landtag (Minute 21.28 bis 32.49)
Drucksache 19/3269

– Es gilt das gesprochene Wort



Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlichen Dank an die SPD für die Große Anfrage. Dank der mehr oder weniger ausführlichen Antworten haben wir damit zu mindestens in Teilen ein Bild zur Situation von Alleinerziehenden in Hessen und lassen Sie uns besser sagen das Bild, dass man in vielen Bereichen nichts weiß über die Situation von Alleinerziehenden.

Wir sprechen heute über nahezu 200.000 Personen, eine Zahl, die kontinuierlich wächst. Dies sind 22 Prozent der Familien mit Kindern in Hessen. Fast 19 Prozent der hessischen Kinder leben mit Alleinerziehenden. Sieben Achtel der Alleinerziehenden sind weiblich. 28 Prozent haben Migrationshintergrund.

Viel Interessanter ist allerdings die Arbeitslosenstatistik. Bei den Arbeitslosen, die Leistungen nach dem SGB III beziehen, machen die Alleinerziehenden kaum mehr als 3 Prozent aus. Bei den Alg-II Bezieherinnen sind es bereits mehr als 11 Prozent, die arbeitslos sind und Leistungen beziehen. Mehr als 20 Prozent der Alleinerziehenden bekommen Leistungen nach dem SGB II oder III. Wir haben es gerade bei dieser Personengruppe mit einer sehr hohen Quote von erwerbstätigen Aufstockern zu tun - mit 36 Prozent ist das mehr als ein Drittel. Dies macht das Bild deutlicher: alleinerziehende Frauen (oder auch Männer) sind berufstätig, meist in Teilzeit, verdienen aber nicht genug Geld, um die Familie zu ernähren, der Unterhalt und auch die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, die allerdings auch auf sechs Jahre beschränkt sind, helfen nicht aus der Armutsfalle. Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: mehr als 38 Prozent der Alleinerziehenden sind auf Hilfeleistungen angewiesen sind. Dies ist allerdings keine vorübergehende Situation, wenn man sieht, dass fast die Hälfte der Alleinerziehenden vier Jahre und länger Alg II Leistungen beziehen müssen.

Armutsgefährdungsquote hört sich immer noch ziemlich ungefährlich an, als würde man gerade noch an der Armut vorbei kommen. Als wäre nicht zu genüge geprüft worden, ob nicht doch andere Einnahmequellen zur Verfügung stehen. Wenn schon die Bundesagentur für Arbeit zugibt, dass fast die Hälfte der Alleinerziehenden mit zwei und mehr Kindern auf Leistungen nach SGB II angewiesen sind, dann tritt der Zusammenhang zwischen Alleinerziehen und Armut deutlich zu Tage.

Jetzt wäre für uns interessant gewesen, zu hören, was man denn dagegen tut, dass Menschen in Erziehungsverantwortung nicht arm und arbeitslos sind.

Da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten:

  1. Vermittlung in Arbeit und somit eigenes Einkommen
  2. Bessere Arbeitsbedingungen, so dass das Einkommen ausreichend ist
  3. Bessere Sozialleistungen, so dass Alleinerziehende ohne Armutssituation die Kindererziehung bewältigen können
Lassen Sie uns zum Punkt 1 kommen.

Vermittlung in Arbeit – der aktuelle Erfolg ist sehr bescheiden. Die Bundesagentur für Arbeit gibt an, dass sie im SGB II Bezug im Juni 2015 41067 Alleinerziehende hatte. Davon konnten 780 vermittelt werden. Dies sind genau 1,89 Prozent. Das wird uns nicht kurzfristig voran bringen. Sinnvolle berufliche Maßnahmen für Alleinerziehende sind Mangelware, insbesondere nachdem die Bundesregierung ihr Programm ohne Auswertung eingestampft hat. Aber auch das Land sieht keinen Bedarf für längerfristige Angebote, obwohl der hohe Anteil von Alleinerziehenden von 30 Prozent mit kleineren Kindern, die keine berufliche Ausbildung haben, aufhorchen lassen muss. Neben einer individuellen Beratung, die außerhalb der Jobcenter ohne Damoklesschwert der Sanktionierung erfolgen soll, sind Hilfen erforderlich, um berufliche Abschlüsse zu erlangen.

2. Bessere Arbeitsbedingungen mit höheren Löhnen und weniger Arbeitsstress sind gerade für Alleinerziehende wichtig, so dass sie auch ihre Familienarbeit gut mit der Arbeit verbinden können. In vielen Bereichen hat die Landesregierung durchaus eine Verantwortung, wenn es darum geht, sich bei der Bundesregierung für einen höheren Mindestlohn stark zu machen, wenn es darum geht, Sozial- und Gesundheitswesen besser auszustatten, so dass existenzsichernde Löhne gezahlt und genügend Personal eingestellt werden kann.

3. Ein besserer sozialer Ausgleich sollte für Alleinerziehende durchweg stattfinden, von einer besseren steuerlichen Entlastung, über die besondere Berücksichtigung bei Sozialleistungen oder der Vergabe von Wohnungen – gerade hier liegt im Gegensatz zur Antwort der Landesregierung vieles im Argen. Jeder achte Sozialwohnungssuchende ist alleinerziehend, während sonst in nur jedem 15. Haushalt Alleinerziehende leben. Aber auch die speziellen Beratungsangebote für Alleinerziehende sind bei weitem nicht ausreichend. Wir müssten alle wissen, wie schwierig es für den Verband Alleinerziehender Mütter und Väter in Hessen ist, seine Unterstützungsarbeit zu leisten, weil die Unterstützung der Landesregierung seit Jahren völlig unzureichend ist.

Wir haben gesehen, die Situation von Alleinerziehenden ist schwierig, häufiger arbeitslos, häufiger auf SGB-II-Leistungen angewiesen und häufiger arm. Jetzt fällt aber der Bundesregierung bei dem Rechtsverschärfungsverfahren bei Hartz IV, in dem Neusprech von Frau Nahles heißt es Rechtsvereinfachung, nichts besseres ein, als Alleinerziehende zusätzlich zu drangsalieren, den Keil zwischen die Eltern zu treiben und Leistungen zu kürzen. Bei getrenntlebenden Ehepaaren wird auf den Tag ausgerechnet, wie viele Tage das Kind bei einem Elternteil und wie viele beim anderen lebt und der Kinderregelsatz entsprechend aufgeteilt. Die absolut inakzeptable Verschärfung, die bedeutet hätte, dass die getrennt lebenden Eltern das im Binnenverhältnis hätten klären müssen, ist zwar vom Tisch. Nicht aber ist vom Tisch ist die taggenaue Zurechnung, die nicht nur die Eltern zur Verzweiflung treibt, sondern auch die Mitarbeiter_innen des Jobcenters viel Zeit und Energie kostet, die besser bei der Integration in den Arbeitsmarkt genutzt werden sollten. Die Variante, die zusammen mit den Rechtsverschärfungen verabschiedet werden soll, ignoriert unverändert, dass in der Summe höhere Kosten bei getrennt lebenden Elternteilen anfallen als bei zusammen lebenden Eltern. Sinnvoll wäre, dass dasjenige Elternteil, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält, den vollen Regelbedarf für das Kind bekommt. Das andere Elternteil erhält einen pauschalen Mehrbedarf in Höhe des hälftigen Regelbedarfs. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung sollte gelten, dass das Kind als Mitglied beider Haushalte betrachtet wird. Es ist unverantwortlich, dass gemeinsame Sorgerecht zur Regel zu machen, es aber für arme Menschen zu verhindern. Gerade passend zum Thema ist eine Petition eingebracht worden, die diese Probleme aufzeigt. Ich möchte aus der Begründung der Initiatorin an die Bundesregierung zitieren, die selbst alleinerziehend ist und zuvor SGB-II-Leistungen bezogen hat, somit die Situation aus eigener Anschauung kennt.

Alleinerziehende im Hartz-IV-Bezug müssen ohnehin schon jeden Tag um ihre Existenz kämpfen. Die Sätze sind nicht großzügig bemessen, sondern äußerst knapp auf Kante genäht. Das alles ist so schon mehr als schwer genug. Ich habe fast zwei Jahre lang mit Hartz-IV aufstocken müssen, da ich aufgrund meines Alleinerziehendenstatus' lange keine, meiner Qualifikationen angemessene Arbeitsstelle bekommen habe. Ich habe äußerst sparsam gelebt und trotzdem raubten mir die Geldsorgen oft den Schlaf, und ich weiß aus Berichten vieler anderer Alleinerziehender, dass ich damit nicht die Einzige war. Die Vorstellung, selbst nur in der rückblickenden Theorie, nun auch noch wegen jedem Tag, den ich mein Kind zu seinem Vater gehen lasse, Leistungen gekürzt zu bekommen, schnürt mir den Hals zu.

Eltern, die dem anderen Elternteil Umgang mit dem Kind gewähren, tun dies zugunsten des Kindeswohls. Sie sparen dadurch faktisch kein Geld. Weder müssten sie durch den Kindesumgang weniger Miete bezahlen, noch weniger Versicherungen, Mietnebenkosten, oder anderes. Genau das wird aber durch den Gesetzentwurf suggeriert. Ob die aus Staatssicht eher geringen Einsparungen auch nur im Ansatz den immensen Verwaltungsaufwand, diese Umgangstage zu dokumentieren und nachzuprüfen, rechtfertigen, kann stark bezweifelt werden. Ignoriert wird von den Machern des Gesetzesentwurfs außerdem die Tatsache, dass der Umfang des Umgangs zwischen Trennungskindern und dem woanders lebenden Elternteil, meist dem Vater, ohnehin häufig Gegenstand zermürbender Konflikte ist. Diese Konflikte werden meist auf dem Rücken der Kinder ausgetragen und durch den vorliegenden Gesetzesentwurf sicherlich stark verschärft. Daher muss der Gesetzentwurf in jeder Hinsicht als Gefährdung des Kindeswohls von Trennungskindern bezeichnet werden.“

Da bleibt mir nur zu sagen, unterstützen Sie das Anliegen, ob auf parlamentarischer Ebene oder mit Hilfe der Petition oder welche Wege Ihnen offen stehen.