140x190 marjana schottMarjana Schott

schied zum Ende der 19.Legislaturperiode aud dem Landtag aus.
Die Fraktion dankt Ihr für Ihren langjährigen parlamentarischen Einsatz.
  
 
  

www.marjana-schott.de
 


Reden

Rede von Marjana Schott zum Thema Glyphosat und andere Totalherbizide verbieten

Rede von Marjana Schott am 19. Mai 2016 im Hessischen Landtag
Drucks. 19/3095

– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,


die unterschiedlichen Einschätzungen über die Gefährlichkeit von Glyphosat  selbst innerhalb der Weltgesundheitsorganisation  machen deutlich, dass wir alle derzeit an einem Großversuch teilnehmen. Vielleicht erst in einigen Jahren wird die Wissenschaft zweifelsfrei feststellen, ob Glyphosat krebserregend oder erbgutschädigend ist, das Nervensystem angreift oder nicht. Ich für meine Person möchte kein Versuchskaninchen sein.

Das Vorsorgeprinzip gebietet, dass solange wir nicht zweifelsfrei wissen, ob Glyphosat für die Gesundheit unbedenklich ist, sich die massenhafte Anwendung dieser Chemikalie verbietet.

Darüber hinaus ist es eine Frage des Umweltschutzes, künstliche Substanzen und besonders solche, die Organismen schädigen, möglichst nicht freizusetzen. Bis dato haben sich alle Pflanzengifte, aber auch künstliche Stoffe, wie z.B. Mikroplastik, in unserer Umwelt als Problem erwiesen.

Glyphosat, wie viele andere Chemikalien auch, hat in unserer Nahrungskette nichts verloren. Dort ist es aber schon lange angelangt.

Das hat der Bund für Umwelt und Naturschutz vor fast drei Jahren in einer Studie gezeigt. 182 Urinproben von Menschen aus Großstädten in 18 Ländern Europas wurden untersucht. In keinem einzigen Land waren alle Proben frei von Glyphosat. Es hat auch vor dem bayerischen Grundnahrungsmittel nicht halt gemacht. Keines der 14 meistgetrunkenen Biere ist frei von dem Unkrautvernichter.

Unabhängig von der Frage möglicher Gesundheitsgefährdung ist das alarmierend: Künstlich hergestellte Substanzen, die keine Medikamente sind, haben in Organismen nichts verloren. Wenn sie sich darüber hinaus auch noch im menschlichen Körper anreichern, ist das ein Warnsignal.

In Lateinamerika wird Glyphosat vor allem im Anbau von gentechnisch verändertem Soja eingesetzt. Die Arbeiterinnen auf den Sojaplantagen sind weit höheren Glyphosatdosen ausgesetzt als die Verbraucher hier. Von dort kommen seit Jahren Meldungen über Fehlgeburten, Fehlbildungen von Neugeborenen und Krebserkrankungen. Das alles erinnert sehr stark an den Einsatz von DDT seit 1945.

Ganz generell müssen wir uns die Frage stellen, was der Einsatz von Totalherbiziden wie Glyphosat bewirkt?

Erstens soll es auf dem Acker alles abtöten was grün ist, außer der von einem Konzern patentierten Nutzpflanze. Zum einem ist der flächendeckende Einsatz von Glyphosat ein großes Problem für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft und steht im Widerspruch zur Biodiversitätsstrategie der Bundesrepublik. Wer gestern beim Parlamentarischen Abend des BUND war, hat von Frau Dr. Idel lernen können, dass jede Tonne Humus der Atmosphäre ca. 1,8 Tonnen CO2 entzieht und dass durch Monokultur in einer industriellen Landwirtschaft in jedem Jahr auf jedem Hektar eine Tonne Boden verloren geht.

Mit Steuergeldern unterstützen wir dann wieder die Betriebe, die mehr biologische Vielfalt auf dem Acker zulassen. Zum anderen haben bereits einige Wildkräuter Resistenzen gegen Totalherbizide ausgebildet. Diese „Superunkräuter“ können für die Landwirtschaft zu einem riesen Problem werden.

Zweitens setzt das Konzept der Totalherbizide den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen auf dem Acker voraus. Ihr Einsatz ist mit weiteren Risiken verbunden und wird von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt.

Drittens gelangen die landwirtschaftlichen Betriebe in eine noch stärkere Abhängigkeit zu Monsanto & Co. Über die Preise für Herbizide, angepasstes Saatgut und Dünger bestimmen die Agrarmultis letztendlich über die Gewinnmarge eines Betriebes und ob die Menschen von ihrer Arbeit leben können oder ob sich nur noch Großbetriebe durchsetzen. Ist es das, was Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt will?

Ähnliches gilt für den Präsidenten des Bauernverbandes Joachim Rukwied. Seine Zusammenarbeit mit Konzernen, die glyphosathaltige Totalherbizide herstellen, ist so eng, dass sich die Frage stellt, wessen Interessen er vertritt, wenn er sich für die Fortsetzung dieses Großversuchs einsetzt.

Glyphosat nicht wieder zuzulassen, ist sachlich die richtige Entscheidung. Wir wünschen uns das für alle Totalherbizide. Deutschland könnte das Zünglein an der Waage sein. Der Koalitionsführung der SPD im Bundestag unterstelle ich jedoch ein rein strategisches Vorgehen. Es war klar, dass sich das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium – weil es eher die Interessen der Agrarindustrie und Großbauern vertritt, als die des Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes – für eine Wiederzulassung aussprechen würde. Warum die SPD in der Regierungsberatung auch für eine Wiederzulassung von Glyphosat stimmte, jetzt aber für das Gegenteil eintritt, ist nicht inhaltlich, sondern nur mit dem Streben nach Popularitätspunkten im Vorwahlkampf zu erklären. Mir persönlich ist das gleichgültig solange die SPD diese Position  ausnahmsweise mal durchhält. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Es sind keine 24 Stunden bis zur Entscheidung und zwischen der Positionierung der SPD und der tatsächlichen Umsetzung der Position liegt keine Wahl.

Wenn die CDU ihren eigenen Antrag ernst nehmen würde, müsste sie in Berlin dafür sorgen, dass die Bundesrepublik in Brüssel gegen eine weitere Genehmigung stimmt. Die Diskrepanz zwischen Gedrucktem auf Papier und politischem Handeln durchschauen auch die Wähler_innen der Grünen.