Reden

Rede zur Regierungserklärung vom Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen: „Bezahlbares Wohnen im Ballungsraum – Perspektiven hessischer Wohnungs- und Wohnungsbaupolitik“

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

wenn die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt ein Gutes hat, dann dies: Niemand wird mehr ernsthaft bestreiten, dass wir in unseren Städten einen akuten Mangel an bezahlbarem Wohnraum haben, dass Mieterinnen und Mieter aus den Innenstädten verdrängt werden, dass die Wohnungsfrage nicht nur einfach eine Frage, sondern eine zentrale soziale Fragen unserer Zeit ist – und dass dringend etwas getan werden muss.

Das war in der Vergangenheit, auch und gerade hier im Haus, durchaus anders, da wurden wir als LINKE wahlweise müde belächelt oder für verrückt erklärt, wenn wir über Themen wie Gentrifizierung gesprochen haben.

Mittlerweile hat sogar die FDP ihr Herz für den bezahlbaren Wohnraum entdeckt und – in der letzten Plenardebatte zum Thema – erkannt, dass niemand mehr als 30 Prozent seines Einkommens für Miete ausgeben sollte. Immerhin, besser spät als nie, meine Kolleginnen und Kollegen!

Während sich also grundsätzlich alle einig scheinen, dass wir ein Problem haben, gibt es in der Frage, was wir politisch tun können und müssen, sehr unterschiedliche Antworten.

Zum einen gibt es die, die noch immer unverwüstlich an die Kraft des freien Marktes glauben. „Bauen, bauen, bauen“ heißt da die Parole und die Investoren, die darf man doch nicht verschrecken. Man fragt sich, wo sie diesen unerschütterlichen Glauben an den freien Markt hernehmen?

Über Jahrzehnte ist die herrschende Politik – auch und gerade in Hessen – der Annahme gefolgt, dass der Markt es schon richten wird. Die aktuelle Realität von Mangel an bezahlbaren Wohnraum, von Mietenwahnsinn und Verdrängung, von immer mehr teuren Eigentumswohnungen und Luxusghettos zeigen aber, dass genau das Gegenteil der Fall ist:

Der Markt hat es in der Vergangenheit nicht gerichtet, er richtet es aktuell nicht, und er wird es auch in Zukunft nicht richten. Die Wohnungsfrage ist schlicht zu wichtig, um sie dem Markt zu überlassen.

Der Mietenwahnsinn sollte auch nicht als Ausdruck der wirtschaftlichen Stärke im Ballungsraum verklärt werden, sondern wird von einem Markt getrieben, der im finanzmarktdominierten Kapitalismus immer stärker den Dynamiken und Renditeerwartungen der internationalen Finanzmärkte unterliegt. Diese Entwicklung haben am Ende die Mieterinnen und Mieter auszubaden. Deshalb sagen wir als LINKE klipp und klar: Wohnraum darf keine Ware sein, Wohnen ist ein Menschenrecht!

Dann gibt es diejenigen, die zwar ebenfalls an die Kraft des freien Marktes glauben, zugleich aber immerhin eingestehen, dass dieser nicht ausreichend in der Lage ist, bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten bereit zu stellen. Hier heißt es zwar ebenfalls „Bauen, Bauen, Bauen“, zugleich werden aber auch ein paar kleinere Korrekturen am Mietrecht, ein paar mehr Sozialwohnungen, eine etwas weniger ambitionslose Geschäftspolitik der öffentlichen Wohnungsunternehmen angestrebt. Das ist die Position der schwarzgrünen Landesregierung, auf die gleich noch im Detail eingehen werde.

Aber: Die Realität auf den Wohnungsmärkten zeigt: Weder der Markt wird es richten noch werden kleine Korrekturen ausreichen.

Notwendig ist ein grundlegender Kurswechsel, wie er von vielen Betroffenen, von Mietervereinen, Mieterinitiativen, stadtpolitischen Gruppen, aber auch Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchen, der kritische Wissenschaft und natürlich auch von uns als Partei DIE LINKE gefordert wird. Notwendig sind wirksame Sofortmaßnahmen, um Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung zu schützen und die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen.

Und diese Position wird wirkungsmächtiger. So hat die Landesregierung von LINKEN, SPD und Grüne in Berlin einen Mietendeckel auf den Weg gebracht, mit dem das weitere Ansteigen der Mieten in Berlin schnell und effektiv gestoppt werden kann. So einen Mietendeckel brauchen wir auch in Hessen.

Ebenfalls aus dieser Überzeugung heraus strebt die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in Berlin ein Volksbegehren für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen an.

Am Freitag hat die Initiative über 70.001 Unterschriften übergeben, das sind mehr als drei mal so viele wie notwendig wären, um den ersten Schritt des Volksbegehrens einzuleiten. Das ist ein großartiger Erfolg, zu dem wir recht herzlich gratulieren!

Ebenfalls aus dieser Überzeugung versucht schließlich auch der Frankfurter Mietentscheid auf dem Weg eines Bürgerbegehrens durchzusetzen, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG in Zukunft nur mehr geförderte Wohnungen baut bzw. bereitstellt. Mit breitem Rückhalt in der Gesellschaft wir eine Umfrage von letzter Woche zeigt. Das freut uns sehr! Umso unverständlicher ist es, dass sich CDU, SPD und Grüne in Frankfurt bisher weigern, die Initiative des Mietentscheids ohne Wenn und Aber zu unterstützen.

Gegen all diese Initiativen ebenso wie gegen die Vorschläge unserer Partei wird immer wieder das Argument vorgebracht wird, sie seien zu radikal.

Bei Bertolt Brecht heißt es: „Man muss so radikal sein wie die Wirklichkeit“. Sehen wir sie uns doch einmal genauer an, die Wirklichkeit am Wohnungsmarkt in Hessen. Natürlich können wir hierzu auf Zahlen und Statistiken zurückgreifen. Wir können darauf verweisen, dass mit Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden gleich drei Städte in der Rhein-Main-Region unter den 10 teuersten Städten Deutschlands liegen.

Wir können zeigen, dass in vielen hessischen Städten die Mietbelastungsquote – also das Verhältnis der Miete zum Einkommen – für viel zu viele Menschen zum Teil weit über der kritischen Schwelle von 30 Prozent liegt:

In Kassel sind es 31,5 Prozent der Bevölkerung, in Frankfurt 42,1 Prozent, in Offenbach 45,6 Prozent und hier in Wiesbaden sogar 45,8 Prozent – das ist Platz 11 im bundesweiten Vergleich, knapp 23 Prozent der Bevölkerung in Wiesbaden geben sogar mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Miete aus. Und diese Zahlen sind von 2017, inzwischen dürften sie noch verheerender ausfallen!

Oder wir können argumentieren, dass die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren kontinuierlich sinkt, auf nur noch gut 80.000 im Jahr 2018, während die Zahl der Haushalte auf der Warteliste gleichzeitig bei über 50.000 liegt.

All diese Zahlen belegen eindrucksvoll, wie „radikal“ die Wirklichkeit aussieht am hessischen Wohnungsmarkt. Und doch bleiben sie auf eine Art abstrakt und oberflächlich. Was in solchen Statistiken nämlich nicht abgebildet wird, sind die individuellen Geschichten, die menschlichen Schicksale, die sich hinter den Zahlen verbergen. Um sie zu erfahren, muss man die Erfahrungen von Betroffenen ernst nehmen – etwas, das nicht nur hier im Haus viel zu selten geschieht.

Weil die hessischen Mieterinnen und Mieter hier nicht selbst sprechen können, erlaube ich mir, ihnen kurz eine Stimme zu geben und Ihnen die Geschichten von Menschen aus Frankfurt vorzustellen.

Da ist zum Beispiel Claudia, 64. Als sie noch gearbeitet hat, konnte sie ihre Wohnung in Bockenheim einigermaßen bezahlen. Aber jetzt, mit dem Renteneintritt, gehört sie plötzlich zu jenen, die mehr als 50 Prozent ihres monatlichen Einkommens für die Miete aufbringen müssen. Sie erklärt:

„Das ist auch eine Realität – ich habe mein Leben lang gearbeitet und trotzdem ist das so. Ich glaub, das ist eines der zentralen Probleme in Frankfurt. Das ist ein Problem der niedrigen Renten und den in Relation dazu hohen Wohnungsmieten. […] Bei einer Rente von 1200 Euro – Sie können in Frankfurt nicht für 400 Euro wohnen. Definitiv nicht. Ich glaub, ich kenne niemanden, der für 400 Euro wohnt.“

In einer ähnlichen Situation befindet sich auch Lea, die im Sozialbereich arbeitet. Sie wohnt in einer 3er-WG im Bahnhofsviertel in einem 15 Quadratmeter großen Zimmer, die Miete ist in den letzten fünf Jahren um 45 Prozent gestiegen, mittlerweile muss auch sie 50 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Miete aufbringen. Sie erzählt:

„Wir sind zwar noch nicht physisch verdrängt, aber es ist auf jeden Fall eine Verdrängung, ja, aus dem Lebensstil. Das heißt, früher bin ich auch mal regelmäßig ins Theater gegangen etc. Und das geht halt alles nicht mehr. Und es ist klar, wenn die nächste Mieterhöhung kommt, wird am Essen gespart.“

Diese Zitate und Geschichten stammen aus der Broschüre „Frankfurter Realitäten. Biographien einer verfehlten Stadtpolitik“, die die Frankfurter Initiative „Eine Stadt für Alle“ veröffentlicht hat. Es handelt sich um Interviewausschnitte und Geschichten von Betroffenen, mit denen die Initiative gesprochen hat. Natürlich sind es Geschichten aus Frankfurt, aber ich glaube, sie lassen sich so oder so ähnlich auch in anderen hessischen Städten finden. Die Geschichten handeln von persönlichen Auswirkungen von Verdrängung und der verzweifelten Suche nach einem Dach über dem Kopf.

Ich möchte einen weiteren Fall ansprechen, einen Fall der direkten Verdrängung: Er handelt von Andreas, der bei der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG in Rödelheim gewohnt hat, bevor seine Wohnung modernisiert wurde und sich die Miete dadurch verdoppelt hat. Im Rückblick gibt er einen Einblick in sein Gefühlsleben:

„Seit 2012 hab ich jeden Tag mit der Angst gelebt, meine Wohnung zu verlieren, weil ich wusste, aus eigener Kraft wird es für mich ganz schwer, in Frankfurt jetzt eine Wohnung zu finden. In dieser Unsicherheit gelebt zu haben, da kann man gar keine Entschädigung für zahlen. Es hat ja fast vier Jahre gedauert vom ersten Bekanntwerden, dass man raus musste, bis ich die Ersatzwohnung hatte.“

Ebenfalls von Angst und Verzweiflung als direkte Folge des Mietenwahnsinns berichtet schließlich auch Katharina, die im Frankfurter Nordend Opfer von Luxussanierung und Entmietung wurde:

„Ich habe nur den Beginn einer Luxussanierung nervlich ausgehalten. Ich ertrug das Gefühl, einer völligen Willkür ausgeliefert zu sein, wenige Wochen.“

Und dann führt sie weiter aus: „Meine Freundinnen und Freunde waren alle sehr überrascht, wie sehr mich das belastet hat zu der Zeit. Es ist wirklich eine große psychische Belastung. Der Ärger mit dem neuen Hausbesitzer, der Versuch, sich rechtliche Hilfe zu holen. Und überhaupt in einem leeren Haus zu wohnen, in dem man jeden Tag von neuen, herabwürdigen Manövern überrumpelt wird. Wer das nicht miterlebt hat, kann es sich nur schwer vorstellen.“

Genau so ist es: Wer es nicht erlebt hat, der kann sich nur schwer vorstellen, was Mietenwahnsinn und Verdrängung mit einem machen. Und die wenigsten von uns hier im Haus haben es erlebt. Deshalb ist es gut, wenn wir bei diesem Thema eine gewisse Demut an den Tag legen, und nicht, wie Sie Herr Al-Wazir dies vor kurzem getan haben, extra-schlaue Empfehlungen aussprechen, wonach die Leute, die sich das Nordend in Frankfurt nicht leisten können, eben nach Offenbach ziehen sollen. Das ist respektlos und vielen Mieterinnen und Mietern da draußen zu Recht sehr sauer aufgestoßen!

Die Wohnungsfrage – das zeigen die Zahlen und die Schicksale der Menschen, die sich dahinter verbergen – verlangt entschlossene Maßnahmen. Wann wenn nicht jetzt sind anstelle kleiner Korrekturen und Reförmchen tiefgreifende Veränderungen notwendig, um den Mietenwahnsinn zu stoppen?!

Jetzt ist es Zeit zu handeln – und die neoliberale, marktgläubige Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte ein für alle mal hinter uns zu lassen!

Und was tut die schwarzgrüne Landesregierung in dieser Situation? Nicht nichts, immerhin. Aber auch nicht mal ansatzweise genug, leider. Sie setzt auf ein marktgläubiges, inkonsequentes, mutloses und letztlich auch wirkungsloses „Weiter so wie bisher, aber bitte ein bisschen sozialer“. Das drehen an ein paar Stellschrauben wird nicht reichen – bei weitem nicht!

Schauen wir uns doch mal drei Felder an, die im Kampf gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung zentral sind: Mieterinnenschutz, Neubau und die Rolle der öffentlichen Hand.

Beginnen wir mit dem Thema Mieterinnenschutz, also Mietrecht. Minister Al-Wazir hat ja eben selbst die Maßnahmen der Landesregierung aufgezählt: Die abgesenkte Kappungsgrenze, die Ausweitung der Kündigungssperrfrist, die Ankündigung, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen, zuletzt die Verlängerung und Ausweitung der Mietpreisbremse. All diese Maßnahmen sind nicht falsch, sie sind besser als nichts – aber sie sind ganz sicher nicht geeignet, renditesuchende Investoren in die Schranken zu weisen, Spekulanten wirklich das Handwerk zu legen und Mieterinnen und Mieter wirksam vor Verdrängung zu schützen. Dafür sind diese Maßnahmen schlicht zu harmlos.

Es ist schön, dass private Vermieter für den Minister kein Feindbild sind. Die hessischen Grünen singen seit Monaten das hohe Lied des Privateigentums. Das Problem: Es geht gar nicht um die kleinen Vermieter. Wer Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt durchsetzen will, der muss sich mit den börsennotierten Aktienkonzernen anlegen! Darauf kommt es an!

Die Maßnahmen, die stattdessen wirklich notwendig wären, liegen auf dem Tisch, sie werden in anderen Bundesländern erfolgreich angewandt oder gerade auf den Weg gebracht: Ein Gesetz gegen spekulativen Leerstand und Wohnraumzweck sowie, noch viel wichtiger, ein Mietendeckel.

Zu Leerstand und Zweckentfremdung haben sowohl unsere Fraktion als auch die SPD hier im Landtag Gesetzentwürfe eingebracht. Die Landesregierung hat schon vor der öffentlichen Anhörung, die ja erst im August stattfinden wird, signalisiert, dass sie den Gesetzentwürfen nicht zustimmen wird. Minister Al-Wazir hat sogar behauptet, es gäbe überhaupt keinen relevanten Leerstand in Hessens Städten. Das grenzt an Realitätsverweigerung! Selbst die eigenen Leute, die Grüne Basis aus Frankfurt, hat den Minister in dieser Frage scharf kritisiert – völlig zurecht, meine Damen und Herren!

Die gleiche Realitätsverweigerung erleben wir auch beim Thema Mietendeckel. Die rotrotgrüne Landesregierung in Berlin hat gerade ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem in ganz Berlin die Mieten auf dem aktuellen Stand eingefroren und zum Teil sogar gesenkt werden können. Das ist echter Mieterschutz, das ist eine echte Verdrängungsbremse! Und in Hessen? Unsere Fraktion hat Anfang April einen Antrag eingebracht, auch hier ein solches Gesetz einzuführen. Abgelehnt! Selbst unser Vorschlag, vorab eine Anhörung mit Expertinnen und Experten durchzuführen, um sich über die aktuellen Fachdebatten zu informieren, wurde von SchwarzGrün im Ausschuss abgelehnt – ohne auch nur ein einziges inhaltliches Argument vorzubringen! Das ist insbesondere für Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, ein wirkliches Armutszeugnis!

Ihre Partei trägt den Mietendeckel in Berlin voll mit – und hier in Hessen soll das gleiche Instrument plötzlich untauglich sein? Das ist doch schizophren, das können sie doch niemandem erklären! Ihre Position, das ist unterlassene Hilfeleistung für die Mieterinnen und Mieter, sonst gar nichts!

Ähnlich inkonsequent wie beim Thema Mieterschutz agiert diese Regierung auch in Sachen Neubau. Ich habe etwas den Überblick verloren, aber ich glaube mittlerweile sind es ein halbes Dutzend verschiedener Programme, Allianzen und Bündnisse, mit denen Sie den Wohnungsbau ankurbeln wollen.

Das Problem ist: Selbst wenn sie damit Erfolg hätten und tatsächlich signifikant mehr Wohnungen entstehen würden – wonach es momentan nicht wirklich aussieht –, werden Sie die Wohnungsfrage dadurch überhaupt nicht gelöst kriegen.

Die Mieten, die im freifinanzierten Neubau verlangt werden, sind nämlich viel zu hoch, als dass sie die Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen noch bezahlen könnten. „Bauen, Bauen, Bauen“ alleine bringt also gar nichts – außer der Immobilienwirtschaft, die damit gutes Geld verdient.

Notwendig ist nicht irgendein Neubau, sondern bezahlbarer Neubau, d.h. sozial geförderter Wohnungsbau und insbesondere Sozialwohnungen. Wie sieht die Bilanz der Landesregierung hier aus? Mit einem Wort: Verheerend. Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt und sinkt, die Wartelisten werden immer länger. Wir bräuchten 10.000 neue Sozialwohnungen im Jahr, letztes Jahr waren es, je nach Quelle, 1.000 oder knapp 2.000. Das reicht nicht mal annähernd, um die Wohnungen auszugleichen, die jährlich aus der Bindung fallen. Von dieser Hessischen Realität können Sie auch nicht ablenken, indem Sie ständig auf die gesteigerten Fördersummen verweisen.

Sozialwohnungen sollten auch nicht von Privaten errichtet werden, eine defacto Subvention von Investoren, sondern in öffentlichem Eigentum. Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung! Schauen Sie mal nach Wien, die dortigen Gemeindewohnungen zeigen, wie es gehen kann. Und hier in Hessen, welche Rolle hat die öffentliche Hand hier unter Schwarzgrün? Sie soll „Vorbild“ sein und eine „Vorreiterrolle“ übernehmen, heißt es im Koalitionsvertrag. Das klingt eigentlich sehr gut – nur leider ist davon in der Realität nicht viel zu sehen!

Das betrifft die Liegenschaftspolitik, bei der noch immer viel zu oft Flächen an Private verkauft werden (Frankfurter Polizeipräsidium!) und angekündigte Maßnahmen wie Konzeptvergabe oder Erbbaurecht nur eine untergeordnete Rolle spielen. Wer immer an den Meistbietenden verhökert, der sollte nicht anderen, den Kommunen wohlfeile Ratschläge geben!

Das betrifft aber vor allem die Wohnungsbaugesellschaften, die direkt oder indirekt dem Einfluss des Landes unterliegen. Da ist zum einen die GWH, bei der viele Mieterinnen und Mieter von unsozialen Mieterhöhungen und Modernisierungsmaßnahmen betroffen sind. Zwar gehört die GWH nicht direkt dem Land, die Landesregierung könnte aber über die Trägerversammlung und den Verwaltungsrat der Helaba sehr wohl ihren Einfluss gelten machen – um zum Beispiel einen Mietenstopp durchzusetzen.

Die andere Wohnungsbaugesellschaft ist die Naussauische Heimstätte – und hier kann sich das Land überhaupt nicht aus der Verantwortung stehlen. Trotzdem passiert viel zu wenig! Die tolle „Bauoffensive der NH“, von der Sie sprechen, da geht es um 5.000 Wohnungen – in den nächsten Jahren, größtenteils nicht sozial gebunden! 5.000 Wohnungen, so viele fallen pro Jahr aus der Sozialbindung. Ich bitte Sie, meinen Damen und Herren: Das ist doch keine Offensive, das ist bestenfalls ein geordneter Rückzug!

Was wir wirklich bräuchten, das ist ein öffentliches Neubauprogramm, das diesen Namen auch verdient. Wir brauchen ein Programm, in dem die NH, die GWH und andere, möglicherweise auch neu zu gründende, nicht gewinnorientierte Wohnbaugesellschaften zusammenarbeiten, um 10.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu schaffen, durch Neubau, durch Umwandlung, dadurch, dass man bestehende Wohnungen in die Sozialbindung nimmt. Ja, das wäre ein immenser Kraftakt, auch finanziell. Aber es wäre der Situation angemessen – einer Situation, in der jedes weitere Jahr ohne schnelle, tiefgreifende Maßnahmen viele, viele weitere Mieterinnen und Mieter aus den Innenstädten verdrängt werden, ihre Nachbarschaften verlassen müssen, ihr Zuhause verlieren.

Noch eine Anmerkung zum Frankfurter Bogen: Die Region als Lösungshorizont ist der richtige Weg, allein es fehlt der Kompass - und der politische Wille, mit jener Standort- und Wettbewerbspolitik (Brexit) zu brechen, die auch die Vernachlässigung des ländlichen Raums zu verantworten hat.

Die Hessischen Realitäten auf dem Wohnungsmarkt verlangen nach einem sofortigen, grundlegenden Kurswechsel – bevor es zu spät ist. Die Politik der Landesregierung verweigert sich solch einem Kurswechsel. Sie ist und bleibt marktgläubig, inkonsequent, mutlos und wirkungslos. Dagegen werden wir auch in Zukunft unsere Alternativen sichtbar machen – gemeinsam mit allen anderen, die sich innerhalb und außerhalb der Parlamente gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung und für bezahlbaren Wohnraum und ein Recht auf Stadt für Alle einsetzen.