Reden

Rede von Jan Schalauske am 27. Februar 2019 zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum (Drs. XX)

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident/Frau Präsidentin,

Meine Damen und Herren,

die Lage am Wohnungsmarkt in Hessen ist dramatisch. Im Rhein-Main-Gebiet und an den hessischen Hochschulstandorten, aber auch in mittleren Städten herrscht ein eklatanter Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Zunehmend mehr Menschen in Hessen sind von Wohnungskrise und Mietenwahnsinn betroffen – längst auch solche mit mittlerem Einkommen . Vielerorts müssen Menschen mit geringem Einkommen mehr als die Hälfte davon für die Miete ausgeben. Diese Situation ist ein Skandal – ein Skandal, mit dem wir als LINKE uns niemals abfinden werden! Wohnen ist ein Grundbedürfnis, Wohnen ist ein Menschenrecht ­– und die Versorgung mit Wohnraum ist zu wichtig, um sie dem Markt zu überlassen. Sie muss eine öffentliche Aufgabe sein!

Was hat die schwarz-grüne Landesregierung in den letzten Jahren getan, um die Wohnraumversorgung sicherzustellen?? Erschreckend wenig! Wie die jährlichen Anfragen unserer Fraktion belegen, hat sich die Zahl der Sozialwohnungen seit Anfang der 1990er Jahre mehr als halbiert. Ende 2017 waren nur noch rund 85.000 solcher Wohnungen verfügbar. Gleichzeitig ist die Zahl der offiziell registrierten anspruchsberechtigten Haushalte, die nicht mit einer Sozialwohnung versorgt werden können, mit über 51.000 so hoch wie nie.[1] Nirgendwo wird das Missverhältnis zwischen der sozialen Realität und dem schwarz-grünen Blindflug in Sachen Wohnungspolitik deutlicher!

Auch sonst enthält der Koalitionsvertrag im Bereich Wohnen in erster Linie Ankündigungen, Absichtserklärungen und schöne Worte. Echte Ideen und verbindliche Konzepte: Fehlanzeige. Angesichts der drängenden Not vieler Mieterinnen und Mieter ist der Plan, den Sie auf den Regierungsbänken sich für die nächsten Jahre vorgenommen haben, nicht mehr als ein Armutszeugnis!

Aber immerhin, scheinen sie sich an einer Stelle doch zu bewegen: in Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten soll für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Zukunft ein Genehmigungsvorbehalt gelten. Dieser Schritt ist zu begrüßen. Aber selbst wenn der tatsächlich umgesetzt wird – bisher wissen wir weder wann noch wie dies geschehen soll: Diese einzelne Maßnahme bleibt weit hinter dem zurück, was notwendig wäre!!

Eine von mehreren sinnvollen Maßnahmen hierfür wäre ein umfassendes Verbot von Wohnraumzweckentfremdung, so wie es in Hessen bis zur Abschaffung durch die CDU 2004 gegolten hat – und in Hamburg, Berlin oder Bayern weiterhin oder wieder gilt.

Natürlich ist ein Wohnraumzweckentfremdungsverbot kein Allheilmittel gegen die Wohnungskrise. Es würde den Kommunen aber ein

wichtigstes Instrument an die Hand geben, mit dem sie aktiv gegen Wohnraumraumzweckentfremdung, spekulativen Leerstand und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vorgehen und so den Bestand an Wohnraum effektiv schützen könnten.

Um welche Größenordnung es hier geht, lässt sich anhand einiger Zahlen verdeutlichen: So wurden in Frankfurt in den rund 30 Jahren, in denen es eine entsprechende Satzung gab, fast 9.000 Wohnungen aus einer zweckfremden Nutzung zurückgewonnen.[1] Vor drei Jahren hat ein Vertreter des Frankfurter Mietervereins Mieter helfen Mieter geschätzt, dass in Frankfurt aktuell pro Jahr bis zu 1.000 Wohnungen zurückgewonnen werden könnten.[2] Das ist eine relevante Größenordnung!

Unsere Fraktion in Person meines Kollegen Hermann Schaus hat in den letzten Jahren mehrfach einen eigenen Gesetzesentwurf zum Verbot von Wohnraumzweckentfremdung vorgelegt, der in der Anhörung auf breite Zustimmung gestoßen ist – außer natürlich bei den Vertreter*innen der Immobilienwirtschaft. Nichtsdestotrotz haben CDU und GRÜNE den Entwurf abgelehnt. Damit haben die Regierungsfraktionen einmal mehr bewiesen, dass es der Koalition am politischen Willen für eine konsequente Wohnungspolitik mangelt!

Angesichts dieser Blockadehaltung von CDU und GRÜNEN begrüßen wir es, dass die SPD nun einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Er ist fast wortgleich aus Bayern übernommen und enthält einige Punkte, die wir positiv finden und entsprechend übernommen haben – etwa die Festsetzung einer möglichen Geldbuße von bis zu 500.000 Euro für den Fall, dass Wohnraum ohne entsprechende Genehmigung zweckentfremdet wird. Gleichzeitig bleibt er bei einer Reihe von Punkten hinter den Erfordernissen zurück. Deshalb sagen wir als LINKE: Der SPD-Entwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung, geht angesichts der realen Probleme aber nicht weit genug!

Deshalb haben wir uns entschlossen, auf der Grundlage unserer Vorarbeiten aus der letzten Legislaturperiode einen neuen, überarbeiteten Entwurf für ein Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum vorzulegen. Dieser ist an mindestens vier Punkten entschiedener als der SPD-Entwurf.

Dies betrifft erstens den Anwendungsbereich des Gesetzes. Es ist nicht einzusehen, warum die Möglichkeit, eine Zweckentfremdungssatzung  aufzustellen, nur den wenigen Kommunen vorbehalten bleiben soll, in denen die Mietpreisbremse gilt. Stattdessen fordern wir, dass alle Kommunen, die einen erhöhten Wohnungsbedarf haben und in denen deshalb die Kappungsgrenzenverordnung gilt, eine entsprechende Satzung aufstellen sollen – und alle weiteren Gemeinden dies tun können, wenn sie es für notwendig halten.

 

Zweitens möchten wir – wie es auch in Bayern und Berlin üblich ist – die Dauer des zulässigen Leerstandes auf drei Monate begrenzen.

 

Drittens erscheint es uns unbedingt notwendig, die Bedingungen, unter denen eine Genehmigung für eine Zweckentfremdung von Wohnraum erteilt wird, möglichst konkret und eng fassen – andernfalls sind Umgehungsstrategien von Investoren und Wohneigentümern Tür und Tor geöffnet.

Viertens müssen die Kommunen über eine wirkungsvolle Handhabe verfügen. Hier braucht es eindeutigere Vorgaben als es der SPD-Entwurf vorsieht. Wir haben uns deshalb an Hamburg und Berlin orientiert und wollen ein striktes Rückführungs-, Räumungs- und Wiederherstellungsgebot verankern, das die Verfügungs- bzw. Nutzungsberechtigen verpflichtet, den zweckentfremdeten Wohnraum rasch wieder herzustellen. Für den Fall, dass sie sich weigern, kann als Ultima Ratio von der Kommune ein Treuhänder bzw. eine Treuhänderin eingesetzt werden, damit die notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden – selbstverständlich auf Kosten der Eigentümer*innen.

Wir glauben, dass wir erst mit diesem Drohpotential die Voraussetzungen schaffen, damit spekulativer Leerstand, Wohnraumzweckentfremdung und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen auch tatsächlich wirkungsvoll unterbunden werden können. Es braucht ein scharfes Schwert, damit die Kommunen handlungsfähig sind.

Soweit zu den Absichten unseres Entwurfs. Wir sind gespannt auf die Anhörung und auf die Stellungnahmen der Sachverständigen. Klar ist aber auch: Es braucht nicht nur ein gutes Gesetz gegen spekulativen Leerstand, Zweckentfremdung und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, sondern viele weitere entschlossene Schritte, um Wohnungskrise und Mietenwahnsinn zu bekämpfen. In diesem Sinne werden wir in den kommenden Monaten und Jahren die Ankündigungspolitik der schwarz-grünen Landesregierung kritisch begleiten – und gleichzeitig eigene Konzepte präsentieren.

Mindestens ebenso wichtig ist aber: Um dem Mietenwahnsinn tatsächlich ein Ende zu setzen, braucht es mehr als parlamentarische Debatten und gute Gesetze. Es braucht auch und vor allem breiten Druck aus der Gesellschaft und auf der Straße. In diesem Sinne: Wohnraum für Alle, Stadt für Alle – Mietenwahnsinn stoppen!

[1] Meier-Sienel, Stadt Frankfurt, Anhörung am 9.06.2016 zum Gesetzentwurf der LINKEN für ein Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum, ULA/19/36, Seite 4

[2] Jürgen Lutz, Mieter helfen Mietern Frankfurt, Anhörung am 9.06.2016 zum Gesetzentwurf der LINKEN für ein Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum, ULA/19/36, Seite 34

[1] Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 18.04.2018, Drs. 19/6307