Reden

LINKE: „Swiss Leaks“, „Lux Leaks“, „Panama Papers“, „Paradise Papers“ – Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit herstellen

Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 23. November 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
ich möchte meine Rede mit einem großen Dank an die investigativen Journalistinnen und Journalisten beginnen, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens, immer und immer wieder Steuerhinterziehung und üble Machenschaften um legale Steuertricks an das Licht der Öffentlichkeit bringen.
Und Sie müssen das tun, weil Finanzminister versagen oder Politiker Gesetze machen, die Steuerflucht ermöglichen.

Die Liste der Skandale ist lang: Offshore Leaks, Luxemburg Leaks, Swiss Leaks, Panama Papers, Bahamas Leaks und nun Paradise Papers.

Und jedes Mal, wenn solche Vorgänge an das Tageslicht kommen, ist die Empörung groß. Dann werden Reden gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung gehalten und entsprechende Anträge beschlossen. Am Ende aber passiert nichts und alles läuft weiter wie bisher.
Schätzungsweise über 17 Mrd. Euro entgehen Deutschland jedes Jahr durch legale Steuertricks von Super-Reichen und Konzernen. Nehmen wir illegale Steuerhinterziehung hinzu, verlieren wir in der EU hunderte Milliarden Euro jährlich – viel davon hier in Deutschland.

Etwa 8 Personen besitzen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Das sind 3,6 Milliarden Menschen. In Deutschland verfügen die reichsten zehn Prozent über zwei Drittel des privaten Nettovermögens, die Hälfte der Bevölkerung besitzt keins oder Schulden. Selbst der IWF fordert daher eine Vermögenssteuer von der Bundesregierung.

Und welche Auswirkung die massive Konzentration von Reichtum in den Händen Weniger hat, darauf hat der bekannte US Senator Bernie Sanders – und Achtung auf der rechten Seite des Hauses – ein bekennender Sozialist hingewiesen, wenn er davor warnt, dass wir unter Kontrolle einer Oligarchie von Milliardären stehen.
In diesem Zusammenhang könnten wir in Deutschland auch mal über Parteispenden reden, die haben hier in Hessen ja eine spezielle Tradition. Parteispenden bergen immer die Gefahr, dass die Demokratie käuflich wird. Bei Steuergerechtigkeit geht es daher auch um Einfluss auf politische Entwicklungen und auf die Demokratie.

Jamaika hat sehr lange sondiert. Nur bei einer Sache waren Sie sich sofort einig, dass es keine Vermögenssteuer für Millionäre und keine vernünftige Erbschaftssteuer geben soll. Und genau das ist es auch, was die schwarzgrüne Landesregierung in Hessen eint: sie wollen kein gerechtes Steuersystem und auch sie meinen es mit dem Kampf gegen aggressive Steuervermeidungsmodelle nicht ernst.
Ich will Ihnen auch erklären wieso. Wenn das Land Hessen nicht mal in der Lage ist, seinen Einfluss auf ein Unternehmen, an dem es selbst wesentlich beteiligt ist, gelten zu machen, dass dieses Unternehmen aufhört, Tochtergesellschaften zur Steuervermeidung zu betreiben, wie soll diese Landesregierung im Kampf gegen Steuervermeidung und Steuergerechtigkeit glaubwürdig sein. Wenn es der Landesregierung ernst ist mit dem Kampf um Steuergerechtigkeit, wie Sie es mit dem Setzpunkt Paradise Papers vorgeben, dann sorgen Sie dafür, dass Fraport seine Niederlassung auf Malta schließt, dass Fraport den Briefkasten auf Malta dichtmacht.

Diese Landesregierung, und allen voran die Grünen die im Aufsichtsrat der Fraport AG vertreten sind, sind in dieser Frage schlicht nicht glaubwürdig.
Und wenn Sie es ernst meinen würden mit dem Engagement für Steuergerechtigkeit, dann könnten Sie sich deutlicher für die Gemeinnützigkeit von Attac einsetzen. Denn die globalisierungskritische Organisation Attac hat mit ihrem gesellschaftlichen Engagement mehr zum Thema Steuergerechtigkeit beigetragen, als so mancher Finanzminister.
Während Herr Kaufmann an den Sitzungen des Fraport-Aufsichtsrats teilnimmt und in der Öffentlichkeit nichts sagen will zu den Geschäftsgebaren der Fraport, bröckelt es in Hessen an allen Ecken und Enden. Etwa hundert Milliarden Euro jährlich beträgt die Investitionslücke bei Universitäten, Krankenhäusern, Brücken oder bezahlbaren Wohnraum in ganz Deutschland. Die Zahlen für Hessen kennen wir nicht, auch weil die Landesregierung sich weigert dazu auch nur eine Einschätzung abzugeben, geschweige denn eine Erhebung zu veranlassen.

Konzerne wie Fraport und Super-Reiche nutzen Infrastruktur und Arbeitskräfte, aber drücken ihre Steuern, wo sie nur können. Ob Apple, Amazon oder Staatsfirmen wie die schwarz-grüne Fraport. Sie verschieben Gewinne über künstliche Zinsen oder Lizenzgebühren in Briefkästen in Steueroasen. Die sind mitten in Europa – in den Niederlanden, Irland oder Malta, wo kritische Journalisten bei der Aufdeckung solcher Skandale ihre Arbeit mit dem Leben bezahlen.
Es ist doch ein Skandal, dass jeder Otto-Normal-Verbraucher, jede Verkäuferin, jeder Krankenpfleger Steuern zahlen muss, während große Konzerne alles dafür tun, ihre Steuerlast zu drücken.
Versäumt ein Hartz-IV-Betroffener einen Termin, drohen ihm Sanktionen und existenzielle Leistungskürzungen. Bei Reichen und Unternehmen hingegen schauen wir zu, wie sie durch aufwendigste Konstruktionen ihrer Steuerpflicht entziehen.

In Ihrem Entschließungsantrag betonen Sie, wie wichtig „internationale Kooperation“ im Kampf gegen Steuervermeidung ist. Das ist zweifelsohne richtig. Aber ich habe den Eindruck, dass Sie sich dahinter verstecken wollen.
Sie geben damit vor, dass wir kaum etwas tun können, weil andere Länder ein wirksames Vorgehen blockieren. Die deutsche Politik sollte sich nicht hinter anderen verstecken, sondern die eigenen Hausaufgaben machen. Zum Beispiel indem Sie Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen ansetzen.
Überhaupt: Wir brauchen ein einsehbares Transparenzregister, ein weitgehendes Verbot von Geschäften in Steueroasen und wie gesagt Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen
Wir müssen Konzerne zwingen, für jedes Land in dem sie aktiv sind, Gewinne und Steuern getrennt auszuweisen. Und zwar öffentlich.

Es ist ja schön, wenn die Landesregierung, die Notwendigkeit von nationalen und internationalen Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung anerkennt. Und interessant, dass der Finanzminister die Auswertung der Paradise Papers durch die eigene Behörde angeboten hat. Man bekommt den Eindruck, die hessische Landesregierung hätte noch etwas gut zu machen.
Und da war doch was? Ich erinnere nur an das dunkle Kapitel mit den zu Unrecht zwangspsychatrisierten Steuerfahnder. Ich kann verstehen, dass sie dieses unrühmliche Kapitel versuchen los zu werden. Blöd nur, dass derjenige, der das zu verantworten hat, sogar die Wilhelm-Leuschner-Medaille umgehängt bekommen soll.

Allein mir fehlt der Glaube, dass diese Landesregierung sich auch nur für einen kleinen Fortschritt im Steuerrecht ernsthaft einsetzen wird. Selbst wenn sie immer wieder erklären, dass Sie bei den sogenannten Shared-Deals, also Steuertricksereien bei der Grunderwerbsteuer etwas tun wollen. Solange Sie nicht einmal bei Unternehmen die mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören zur Einsicht bereit sind, dass nicht alles was legal ist auch legitim und moralisch richtig ist, sind Sie schlicht unglaubwürdig.

Es bleibt dabei: Steuerhinterziehung und Steuervermeidung schaden uns allen, die auf eine gut ausgebaute öffentliche Infrastruktur angewiesen sind.
Appelle und Sonntagsreden reichen nicht. Wer Steuergerechtigkeit durchsetzen will, der muss sich mit den Reichen und Mächtigen anlegen. Das ist von der Landesregierung bis auf Weiteres nicht zu erwarten.

Vielen Dank!