Reden

Rede zur aktuellen Stunde der SPD betreffend „hessische Landesregierung hat die Arbeit des NSU-Ausschuss des Deutschen Bundestags erheblich behindert“

Rede von Hermann Schaus am 29. Juni 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident / Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

leider ist es mir in fünf Minuten nur möglich das NSU-Aufklärungsdesaster ein wenig anzureisen; Zu groß ist die Dimension und ihre Komplexität. Ich muss mich deshalb leider auf wenige Zusammenhänge zwischen dem Hessischen- und dem Bundestagsuntersuchungsausschuss beschränken.

Eines vorweg: Unsere bisherigen Erfahrungen als LINKE im Untersuchungsausschuss in Hessen decken sich mit den gemeinsam von CDU, SPD, LINKE und GRÜNEN im Bundestag beschlossenen Kritiken z.B. am Umgang mit Akten im Landesamt für Verfassungsschutz, mit dem kontraproduktiven Verhalten der Landesregierung und mit der nachhaltigen Unterstützungshaltung gegenüber dem ehemaligen V-Mann-Führer Temme.

Dazu nur zwei Beispiele:

Im Abschlussbericht hat der Deutsche Bundestag das Land Hessen wegen seiner mangelhaften NSU-Aufklärung so heftig kritisiert und sieht, Zitat

in der lückenhaften Aktenvorlage des Landes Hessen eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Aufklärungsarbeit

(S. 1035 Abschlussbericht).

Sowas erleben wir in Hessen fast täglich. Noch immer müssen wir um jedes Blatt Papier kämpfen. Freiwillig rücken Verfassungsschutz und Landesregierung nichts heraus. Im Gegenteil das Dokument zur Ceska-Mordserie, mit der Paraphe von Temme haben wir im Ausschuss selbst ermittelt.

Wir finden im Abschlussbericht seitenweise Ausführungen zu NSU-Verbindungen in Hessen und über die Falschaussagen des hessischen Geheimdienstlers Temme; Zitat:

Mit dem nun bekannt gewordenen E-Mail-Ausdruck mit der Paraphe Temmes ist entgegen seiner Aussage vor dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss eine dienstliche Befassung mit der Česká-Mordserie belegt.

Dass dieser Umstand erst durch eine nachträgliche Aktenvorlage an den NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtages bekannt wurde, gibt (..) Anlass zu deutlicher Kritik.

(S. 1035 Abschlussbericht)

Ich stelle fest: Unsere Anzeige als LINKE wegen Falschaussage von Temme war richtig! Er hat an einem zentralen Punkt wieder einmal gelogen, jetzt sogar einstimmig festgestellt im Bundestag!

Und Hessens Verfassungsschutz und die Landesregierung haben die Akten nicht freiwillig geliefert, die das belegen!

Wir wissen, dass zahllose Akten dem Bundestag und dem Landtag vorenthalten wurden und werden. Ständig finden wir wieder Hinweise, dass brisante Akten existieren müssen, die uns aber im UNA nicht zugestellt werden, die lückenhaft sind oder sogar einfach gelöscht wurden.

Die Bilder von Zschäpe und Hessischen Neonazis– die hat Frau Pau im Bundestag in Akten des Bundesamtes gefunden. Hessen hatte sie nicht geliefert – weder dem Bundestag und uns auch nicht!

Seit letztem Montag weiß auch die Öffentlichkeit endlich, dass das System hat:

Denn wir haben in den Akten die internen NSU-Ermittlungen gefunden – und das ist der Hammer: Geheim für 120 Jahre, bis ins Jahr 2134! Sowas gibt es nur in Hessen!

Nun erfährt erstmals die Öffentlichkeit, dass:

  • schon 1999 Hinweise auf sogenannte‚ National Sozialistische Untergrundkämpfer‘
  • auf einen ‚Nationalen Untergrund‘
  • auf militante Strukturen
  • auf etwa 250 Hinweise auf das NSU-Umfeld vorlagen, denen nicht nachgegangen wurde
  • und dass 541 Aktenstücke von Rechtsextremen verschwunden sind.
  • In keinem Verfassungsschutzbericht, in keinem Statement der Landesregierung und in keiner Aussage im NSU-Ausschuss wurde hierauf jemals hingewiesen
  • – im Gegenteil:
  • Die Verantwortlichen und die Landeregierung haben stets behauptet, es gäbe keine Hinweise auf Rechtsterror, keine NSU-Bezüge, keine Hinweise auf NSU
Jetzt wissen wir: Die Hinweise modern seit Jahren in den Akten, wurden erst ignoriert, dann in 3 Jahren zusammen gekramt um für die nächsten 120 Jahre einen Geheim-Stempel drauf zu machen.

Das soll Ihre Aufklärung sein Herr Bouffier? Behindern, verbergen, vertuschen – das ist nach wie vor der Kurs dieser Landesregierung!

Die Angehörigen der Opfer, der Untersuchungsausschuss und die Öffentlichkeit haben ein Recht auf Wahrheit!

Und deshalb fordere ich Landesregierung auf: Weg mit der Geheimhaltung.

Den hunderten Hinweisen auf Waffen, Sprengstoff und das NSU-Umfeld muss endlich intensiv nachgegangen werden.