Reden

Weit entfernt von einer fortschrittlichen Kommunalpolitik

Hermann Schaus, Rede zum Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamten und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften, DS 19/1222.

Herr Präsident,

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bevor ich auf den Gesetzentwurf und den vorliegenden Änderungsantrag eingehe lassen Sie mich folgendes voran stellen: Wir teilen den in der Anhörung durch die kommunale Familie geäußerten Unmut über die Vorgehensweise bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfes. Ich bin mir sicher, dass bei einer gemeinsamen Evaluierung der aktuellen Gesetzeslage ein deutlich besseres Gesetz herausgekommen wäre, als das was uns nun zur 2. Lesung vorliegt.

Wir bleiben dabei: Auch nach der Anhörung und dem von CDU und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Änderungsantrag zum Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamten, können wir die Notwendigkeit einer solchen Änderung der hessischen Kommunalverfassung nicht erkennen.

Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es einzig und allein darum geht, altgedienten Bürgermeistern und Wahlbeamten eine längere Zeit auf ihren Sesseln zu gewähren. Na ja, bei der CDU kann ich das verstehen, da regierte schon immer eine Altherrnriege und bei den grünen, da kommen die einstmals Jungen-wilden zwischenzeitlich auch in die Jahre und da gilt es Pfründe zu sichern, denn anders lässt sich die Aufhebung des Höchstalters für die Wählbarkeit nicht erklären.

Wir halten eine solche Politik für ein völlig falsches Signal, da wir mehr junge aktive Menschen für Kommunalpolitik begeistern wollen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist dazu aus unserer Sicht einfach nur kontraproduktiv.

Also lässt schwarzgrün zukünftig alte Männer weiter regieren, anstatt frischen jungen Wind in die Rathäuser einziehen zu lassen.

Schon bisher konnten Bürgermeister bis zum 67. Lebensjahr kandidieren. Bei einer sechsjährigen Amtszeit also bis zum 73. Lebensjahr. Ich finde das reicht doch! Dann sollte es wirklich genug sein.

Sie berufen sich nach wie vor darauf, dass mit der Aufhebung der Altersobergrenze für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eine angeblich bestehende Altersdiskriminierung aufgehoben würde.

Es ist allerdings falsch! Das Bundesverfassungsgericht hat seine Rechtsprechung erst im Jahr 2013 bestätigt und Altersgrenzen nicht als pauschale Diskriminierungen angesehen.

Es führt aus (Zitat) „...da nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmenden Alter steige, sei an einer Altersgrenze für die Wählbarkeit berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamtinnen und –beamten festzuhalten.“

Ein Verstoß der Altersgrenzen gegen Artikel 3 und Artikel 12 des Grundgesetzes liegt also schlichtweg nicht vor. Die Aufhebung der Altersgrenze ist demnach keine notwendige Reaktion auf höchstrichterliche Entscheidungen.

Die weitere Senkung der Altersgrenze von 25 auf 18 Jahren ist zudem nichts weiter als Augenwischerei. Sie ist der faule Kompromiss zwischen CDU und Grünen.

Es ist doch völlig absurd zu glauben, dass jemand mit 18, 19 oder auch 20 Jahren seine ersten Schritte als Bürgermeister in die Kommunalpolitik unternimmt. Diese Aufhebung der unteren Altersgrenze wird faktisch keinerlei reale Bedeutung erlangen.

Der vorliegende Gesetzentwurf mitsamt dem Änderungsantrag entspricht in keinster Weise einer fortschrittlichen Kommunalpolitik, wie wir sie uns als LINKE wünschen.

Im Gegenteil. Mit ihrem Änderungsantrag fallen Sie sogar noch hinter Ihre eigenen Vorhaben im ursprünglichen Entwurf zurück. Sie senken das Alter zum Erreichen des Anspruchs auf Mindestversorgung sogar noch einmal um fünf Jahre gegenüber Ihrem ursprünglichen Vorhaben.

Waren im Gesetzentwurf noch das 60. bzw. 55. Lebensjahr von Nöten, sind es nun das 55. Lebensjahr für den Ruhestand und das 50. Lebensjahr für die Möglichkeit der Beantragung des Ruhestandes.

Meine Damen und Herren: Sie verlangen, dass die Menschen immer länger arbeiten müssen, reden der Rente mit 67 das Wort und haben das Renteneintrittsalter nach und nach erhöht. In Kreisen der CDU wird sogar über noch höhere Renteneintrittsalter debattiert. Gleichzeitig privilegieren Sie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit den vorzeitigen Ruhestandsmöglichkeiten weiter.

Wer sich auf ein Wahlamt einlässt, das zudem gut dotiert ist, der oder die muss sich im Klaren sein, dass damit auch Risiken verbunden sind.

Deshalb wäre aus unserer Sicht nur über eine angemessene Übergangsvergütung zu reden, statt über eine Frühpensionierung ab 50 Jahren. Wir halten dies für kein gutes Zeichen.

Ich gestehe zu, dass die derzeitige gesetzliche Regelung noch schlimmer ist, sie gehen diese Überversorgung aber nur halbherzig an.

Die hessische Kommunalverfassung benötigt aus unserer Sicht in der Tat einige Reformen. Mehr Bürgerbeteiligung, bessere Transparenzregelungen, die Abschaffung der scharfen Subsidiaritätsklausel in § 121 oder auch eine Ausweitung des Wahlrechts um nur einige zu nennen. Ganz zu schweigen natürlich von einer besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen.

Keines dieser Probleme haben Sie bisher lösen können oder wollen. Stattdessen legen Sie ein Jahr vor der Kommunalwahl ein Gesetz vor, das einzig und allein dem Zweck zu dienen scheint, die Nachwuchsprobleme in den eigenen Reihen zu umgehen.

Das lehnen wir ab!