Reden

Aktiv für Demokratie und gegen Extremismus

Aktiv für Demokratie und gegen Extremismus

Rede Hermann Schaus zu Landesprogramm Hessen – Aktiv für Demokratie und gegen Extremismus
(DS 19/1869)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident / Frau Präsidentin,

sehr verehrte Damen und Herren,

leider haben es die Grünen nicht vermocht, der CDU ihre Neigung zu Jubelanträgen abzugewöhnen. Und leider muss das Parlament deshalb der Regierung ständig untertänig mitteilen, dass sie super ist.

Denn wie schon zu  CDU-FDP-Zeiten erreicht uns der alljährliche Jubelantrag zum Thema: Die Regierung tut nur das Beste und Richtigste zum Schutz vor Extremisten, also zum Schutz vor richtig bösen Menschen.

Und am Ende einer einstündigen Debatte stimmt die CDU-geführte Landtagsmehrheit dann dafür, dass die CDU-geführte Landesregierung alles richtig macht und uns damit alle vor dem Untergang bewahrt. Da kann ich nur sagen Danke, CDU.

Als langjährig gequälter Teilnehmer dieser sogenannten Debatten muss ich aber nun kurz ein ungewohntes Lob für die Grünen einstreuen. Dass es endlich ein eigenes Landesprogramm gegen Neonazismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gibt, ist tatsächlich ein großer Fortschritt.

Wir haben das gemeinsam mit SPD und Grünen in der Opposition jahrelang gefordert.

Zu CDU-FDP-Zeiten hatte das keinerlei Chance, obwohl Straf- und Gewalttaten durch Neonazis die mit Abstand gefährlichste Bedrohung darstellen.

Beim Rest der hier endlos aufgeschriebenen Programme und Leitungen der Landesregierung sehe ich aber wenig Grund zum Jubeln. Das liegt zum einen daran, dass hier ständig Summen, die in Wirklichkeit nicht getrennt voneinander existieren, getrennt aufgezählt werden. So als gäbe es Millionensummen für Präventionsarbeit.

Das ist aber nicht der Fall. Es ist leider immer noch viel zu wenig, angesichts der Herausforderungen.

Ich weiß man kann nicht jedem, der in den Krieg des IS marschieren will oder von dort zurück kehrt, einen Sozialarbeiter, einen Seelsorger und einen Polizisten zur Seite stellen.

Aber im Ernst sollten wir darüber nachdenken, ob drei bis vier Sozialarbeiter für die gesamte islamistische Szene Hessens wirklich ausreichend sind. Defacto reden wir hier von mehreren hundert hoch problematischen Fällen.  Und angesichts dessen, dass hier jahrelang  viel zu wenig gemacht wurde, könnte ich mir da durchaus mehr vorstellen.

Ich will einen weiteren sehr wichtigen Punkt ansprechen, der leider im Antrag  nicht auftaucht. Nämlich die Gefängnisse und die dortige Betreuung.

Wir wissen, dass in Gefängnissen eine Radikalisierung  stattfinden kann. Wir wissen das aus Frankreich, aber auch bei uns. Da gehen Leute als Kleinkriminelle rein und kommen zuweilen als radikalisierte Fanatiker wieder raus.

In der Anhörung zum Thema Salafismus ist das deutlich geworden. Es gibt nahezu gar kein Geld für islamische Gefangenenseelsorge. Das ist nicht nur eine Benachteiligung. Es ist aber auch Brand gefährlich. Ich finde angesichts der Situation muss hier auch unter dem Gesichtspunkt Prävention unbedingt etwas passieren. Das wäre sehr wichtig.

Meine Damen und Herren, alle 30 Sekunden passiert in Deutschland eine Straftat durch Nazis, 1-2 Gewalttaten pro Tag. Gerade im Moment nehmen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte massiv zu. Und deshalb ist es ungemein wichtig, die Präventionsarbeit endlich auf eigene Füße zu stellen und langfristig anzulegen.

Wir haben leider wieder mal zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Ausgrenzung unsere Fraktion selbst bei Anträgen wie dem von vier Fraktionen heute vorgelegten, wo es um die Verurteilung der sich häufenden widerwärtigen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und  wo es keine unterschiedlichen Positionen zwischen uns gibt, vorgenommen wurde.  

Wir bedauern es sehr, dass diese Ausgrenzungspolitik unserer Fraktion  selbst vor solchen Themen, wo es doch uns allen wichtig sein sollte gemeinsam und geschlossen als Parlament aufzutreten, nicht Halt macht. 

Da auch uns dieses Thema sehr wichtig ist, haben wir heute auch einen Antrag kurzfristig eingebracht. Wir werden selbstverständlich dem gemeinsamen Antrag zustimmen und hoffen, dass auch die übrigen Fraktionen über den Schatten der CDU springen und  unserem Antrag ebenfalls zustimmen. Ein solches Thema eignet sich schließlich nicht für parteipolitische Spielchen und deshalb sollten wir dies auch unterlassen.

Letzter Punkt: Die beste Prävention ist Anerkennung und soziale Integration. Aber davon sind wir oft, auch aus politisch-populistischen Gründen viel zu weit entfernt.

Wenn insbesondere junge Menschen nicht das Gefühl haben dazu zu gehören, wenn sie häufig Ausgrenzungserfahrungen machen, egal ob rassistische und soziale Ausgrenzung, wenn sie keine Zukunft bekommen und dem Gefühl von Abstieg und Versagen ausgesetzt werden, dann kann dies ein Nährboden für Gewalt und Kriminalität sein.

Lassen Sie uns dafür Sorge tragen, politisch wie persönlich, dass unsere Gesellschaft eine Gesellschaft der Chancen für jeden ist, der Chancen ergreifen möchte. Lassen Sie uns Ausgrenzung entgegentreten und insbesondere allen jungen Menschen das Gefühl geben, dass das auch ihr Land ist, das sie es gestalten können und müssen.

Zuletzt noch eine Anmerkung von mir als entschiedenem Gegner von Nazis, ihren Aufmärschen und der alltäglichen Gewalt durch Nazis. Den Absatz 7 im vorliegenden Antrag finde ich zumindest unglücklich formuliert, weil es das Versammlungsrecht von Neonazis als unantastbar erscheinen lässt. Und da sage ich: Wehret den Anfängen!

Ich jedenfalls gehöre zu denen, die Nazipropaganda nicht als Teil der freien Meinungsäußerung begreifen. Ich bin immer wieder entsetzt, was diese braunen Horden ungestraft veranstalten und absondern dürfen, ohne dass es strafrechtliche Konsequenzen hat. Es wird kaum verhohlen zu Hass, Gewalt, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit aufgerufen. Und es sind dieselben Leute, die im Dunkeln dann ihren Hass und ihre Gewalt ausleben.

Deshalb gehöre ich auch zu denen die sagen: Naziaufmärsche friedlich blockieren und so Nazipropaganda verhindern ist keine Straftat.

Deren Umzüge mit einer großen Zahl von Gegendemonstranten zu verhindern sehe ich als historische Pflichtaufgabe.

Es sollte als Verpflichtung für jeden, der Flüchtlinge, Migranten, Homosexuelle, Gewerkschafter, Linke, und auch Christlich-Bürgerliche vor Gewalt schützen möchte.

Faschismus ist eben keine Meinung, sondern ein Verbrechen.